"Die Entscheidung fiel einstimmig, ohne Enthaltung!"
In den vergangenen Wochen schien es in Thüringen immer klarer, dass es zu einer rot-rot-grünen Landesregierung unter einem linken Ministerpräsidenten kommen wird. Gestern Abend nun traf der erweiterte SPD-Vorstand die erwartete Entscheidung – und konnte doch noch überraschen.
Der designierte neue Parteivorsitzende Andreas Bausewein trat erleichtert vor die Presse.
"Wir haben dann nach zweieinviertel Stunden abgestimmt und haben dafür gestimmt, den Mitgliedern der SPD zu empfehlen, dafür zu stimmen, Koalitionsverhandlungen mit den Linken und den Grünen aufzunehmen. Die Entscheidung fiel einstimmig, ohne Enthaltung!"
Ein einstimmiges Ergebnis für die Unterordnung der Sozialdemokratie unter einen linken Ministerpräsidenten – damit hatte wohl niemand gerechnet, am wenigsten Andreas Bausewein selbst. Und so ging es auch in der Diskussion davor kaum um die Ergebnisse der Sondierungsgespräche, sondern vielmehr um die Gretchenfrage:
"Also, wie hältst du's denn mit der Linken? Darf man 25 Jahre nach der Wende ein Mitglied der Linken zum Ministerpräsidenten wählen?"
"Bodo Ramelow ist ja auch kein typischer Linker!"
Nach vertrauensvollen Gesprächen in den letzten Wochen, nach dem auch von den Linken unterzeichneten Unrechtstaats-Papier, nach guten Erfahrungen in der Erfurter Lokalpolitik glaubt Andreas Bausewein sagen zu können: Ja, man darf, auch als Sozialdemokrat.
"Ich muss auch sagen: Bodo Ramelow ist ja auch kein typischer Linker! Ich meine, die Linke hat ihre Wurzeln in der alten SED, das kann man nicht schönreden, das war einfach so. Aber die Wende ist 25 Jahre her; und schon im Sondierungsteam sitzt nur ein Mitglied, was früher mal in der SED war. Und ich glaube, dass die Linke in großen Teilen im Rechtsstaat angekommen ist."
Erleichterung machte sich sofort bei der Linken breit, die seit Jahren für ein rot-rot-grünes Reformbündnis, wie sie es nennen, in Thüringen werben. Bodo Ramelow ist seinem Ziel, Ministerpräsident zu werden, einen großen Schritt näher gekommen.
"Ich hatte erhofft, dass die SPD eine klare Empfehlung abgibt, der Landesvorstand. Aber einstimmig, das ist schon toll! Also, das ist ein Vertrauensbeweis, das deutlich macht, dass wir in den letzten Wochen die Zeit gut investiert haben, gemeinsam, fair, sachlich, offen und sehr vertrauensvoll miteinander Verhandlungen geführt zu haben."
Spannung bei der Wahl des Ministerpräsidenten
Die Grünen zeigten sich zurückhaltend erfreut über die Entscheidung der SPD. Die würde auch sie erstmals in eine Thüringer Landesregierung bringen. Die CDU dagegen reagierte erwartbar verschnupft. Die noch amtierende Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht rief die SPD-Basis auf, sich einer Koalition mit der Linken zu verweigern, sonst würde Thüringen ins Abseits geführt. Die gut 4000 Thüringer Sozialdemokraten sind nämlich nun aufgefordert, in einem Mitgliederentscheid den Weg zu Koalitionsverhandlungen freizumachen. Bis dahin ist der Vorstandsbeschluss nur eine Empfehlung. Der designierte SPD-Vorsitzende Bausewein hatte letzte Woche das Ziel von 70 Prozent Zustimmung ausgegeben.
"Ich sag': Wir gehen hier ein Experiment ein, wir gehen in Projekt ein, was es so auf Länderebene in Deutschland noch nie gab. Deswegen wünsche ich mir einfach, dass eine breite Mehrheit dahinter steht."
So richtig beginnt dann das Experiment aber spannend zu werden, wenn ein Ministerpräsident gewählt werden muss, vermutlich Bodo Ramelow: Dann wird sich zeigen, ob die eine Ein-Stimmen-Mehrheit der Rot-Rot-Grünen Koalition auch in einer geheimen Abstimmung zustande kommt.