"Besser rot als blass"
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Elf Jahre lang war Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Entwicklungsministerin. Auch seit dem Ende ihrer aktiven Politiker-Laufbahn engagiert sich die heute 76-jährige Hessin weiter für Frauenrechte, Friedenspolitik und den Kampf gegen Malaria.
Der Spitzname "rote Heidi" hat sowohl mit ihrer Haarfarbe als auch mit ihrer politischen Einstellung zu tun. Über die Jahrzehnte hinweg hat sie ihn stets positiv interpretiert: "Besser rot, als blass", meint sie. Dass ihr klare Standpunkte eher liegen als farblose Zurückhaltung, hat Wieczorek-Zeul in ihrem Leben als Politikerin immer wieder unter Beweis stellen können. Gleich zu Anfang ihrer Karriere sprach sie sich bei den Jusos gegen den Vietnamkrieg aus: "Das war wirklich notwendig, dass man sich da auch laut und deutlich geäußert hat."
Ohne Gleichberechtigung keine Demokratie
Neben der Kritik am Kapitalismus und an sozialer Ungleichheit war für sie auch die "Frauenfrage", wie sie damals genannt wurde, ein wichtiges Thema.
"Ich hab’s mit August Bebel gehalten, obwohl die Praxis der Sozialdemokratie da immer etwas hinten nachgehinkt hat. Er hat ja gesagt, ohne die wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter und die soziale Gleichstellung ist Demokratie nicht verwirklicht. Das habe ich für wichtig gehalten und mich auch engagiert. Man muss beides verfolgen."
Als erste Frau wurde Wieczorek-Zeul 1974 Bundesvorsitzende der Jungsozialisten. Man habe als Frau unter Bewährung gestanden, meint sie. "Das ist heute nicht mehr ganz so schlimm, weil einfach mehr Frauen in der Politik sind. Ich war 1974 die einzige Frau im Juso-Vorstand." Frauen seien anders bewertet worden als Männer: "Wenn man da hartnäckig ein Thema verfolgt hat und auch die Argumente gesetzt hat, war die Gefahr doch oft groß, dass sie 'Zicke' gesagt haben, während das bei Männern als durchsetzungsfähig galt."
Die Entwicklungsministerin mit dem längsten Atem
Länger als jeder andere in der Bundesrepublik war Heidemarie Wieczorek-Zeul Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – eine Arbeit, die für sie heute noch eine Rolle spielt: Auch nach ihrem Ausscheiden aus dem parlamentarischen Politikbetrieb engagiert sie sich im Kampf gegen HIV und Malaria, für Friedenspolitik und Frauenrechte. Sie hat zahlreiche Ehrenämter inne und privat vor einigen Jahren die Patenschaft für eine junge Geflüchtete Somalierin übernommen.
Die Entwicklungen in der SPD mit all ihren Niederlagen hat sie selber bewusst durchlebt, ist aber weit davon entfernt, ernsthaft an ihrer Partei zu zweifeln. "Eine Partei, die sich den Nazis in den Weg gestellt hat, die wie mit Willy Brandt mit der eigenen Existenz gegen die Nazis gestanden hat, hat ganz viel für dieses Land geleistet und auch zukünftig noch zu leisten."
Optimistischer Blick nach vorn
Sie versucht auch parteipolitisch lieber die guten Erfahrungen in Erinnerung zu behalten und optimistisch nach vorne zu blicken: "Ich hab es ja immer mit dem wunderbaren Song von Udo Lindenberg gehalten – ‚hinter dem Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag…‘ und das hat mich auch das ganze Leben getragen."
Dass sie neben ihren nach wie vor zahlreichen politischen Aktivitäten angefangen hat, regelmäßig Klavier zu spielen, könnte vielleicht dazu beitragen, dass ihr diese positive Einstellung auch noch eine Weile erhalten bleibt.
(mah)