SPD-Politikerin Kastner: Kundus-Ausschuss soll weiter ermitteln

Susanne Kastner im Gespräch mit Nana Brink |
Die Aufklärungsarbeit des Kundus-Untersuchungsausschusses im Bundestag soll nach Aussage der Ausschussvorsitzenden Susanne Kastner weitergehen. Die Arbeit sei auch nach der Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst Georg Klein längst nicht beendet, sagte die SPD-Politikerin.
Nana Brink: Gleich in mehrfacher Hinsicht rückte Afghanistan in den letzten Tagen und auch heute in den Blickpunkt der deutschen Politik. Gestern war ja der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte in Afghanistan, der amerikanische General McChrystal, in Berlin, und er hat ein dramatisches, aber nicht hoffnungsloses Bild der Lage in Afghanistan gezeichnet. Die Kanzlerin wird sich heute nach dem Tot von sieben Soldaten in den letzten Wochen in einer Regierungserklärung zu Afghanistan äußern und Verteidigungsminister zu Guttenberg muss heute vor dem sogenannten Kundus-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen.

Über den heutigen Tag im Kundus-Untersuchungsausschuss spreche ich jetzt mit Susanne Kastner. Sie leitet den Kundus-Untersuchungsausschuss für die SPD. Einen schönen guten Morgen, Frau Kastner.

Susanne Kastner: Guten Morgen!

Brink: Ist die Arbeit des Untersuchungsausschusses nach der Anhörung von Verteidigungsminister zu Guttenberg und nach der Entlastung von Oberst Klein erledigt, wie die Union es fordert?

Kastner: Nein. Das wünscht sich die Union, ich weiß das, aber der Untersuchungsausschuss ist ein Minderheitenrecht und muss also auch mit den Stimmen der Opposition dann geschlossen werden. Die Opposition signalisiert, dass sie das nicht will, dass es noch Aufklärungsbedarf gibt, und deswegen ist der Untersuchungsausschuss längst nicht beendet.

Brink: Welchen Aufklärungsbedarf haben Sie?

Kastner: Wir haben ja in unserem Untersuchungsauftrag stehen, dass wir die Informationspolitik der Bundesregierung genau untersuchen wollen, wer hat wann wie was gewusst, und das ist mit Herrn Guttenberg noch nicht abgeschlossen. Da gibt es noch andere Stellen, die sich dazu auch äußern müssen.

Brink: Aber der eigentliche militärische Fall ist ja geklärt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den deutschen Oberst Klein eingestellt. Das ist ja quasi ein Freispruch erster Klasse - nicht nur das, sondern auch eine Klärung des Vorfalls. Es ist kein Verstoß gegen das Völkerstrafrecht. Das heißt, Sie ermitteln nur noch in Richtung des Verteidigungsministeriums?

Kastner: Wir ermitteln in Richtung der Bundesregierung, der damaligen Bundesregierung, weil wir glauben, wir stehen zu unserer Parlamentsarmee, wir haben die Einsätze mit beschlossen, und da muss auch eine ordentliche Aufklärung passieren.

Brink: Was versprechen Sie sich dann von der Anhörung des Verteidigungsministers? Er selbst hat ja eigentlich schon gesagt, er habe den Äußerungen, die er bislang getan hat, nichts hinzuzufügen. Er hat sich ja selbst korrigiert.

Kastner: Der Verteidigungsminister hat sich ja in der Vergangenheit sehr widersprüchlich geäußert: Einmal "der Luftschlag ist angemessen", dann aber "er ist nicht angemessen". Er hat gesagt, ihm seien Berichte vorenthalten worden. Dazu muss er sich heute äußern und dazu werden auch ganz gezielte Fragen gestellt werden.

Brink: Welche Fragen haben Sie ganz gezielt?

Kastner: Wie es zu diesem Meinungswechsel kommt, weil wir glauben, weil auch viele Kollegen glauben, dass in den Berichten, die ihm vorenthalten wurden, so die Aussage von Herrn Guttenberg, nichts Neues gestanden ist als im Com-ISAF-Bericht.

Brink: Läuft dann der Untersuchungsausschuss nicht auch Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden?

Kastner: Das ist möglich, aber das hilft uns nichts, weil wir diesen Auftrag formuliert haben, und zwar einvernehmlich, alle zusammen, Koalition und Opposition, und jetzt müssen wir diesen Auftrag auch erfüllen.

Brink: Ihre Partei, die SPD, hat ja zusammen mit den Grünen den Afghanistan-Einsatz vor über acht Jahren auf den Weg gebracht, und nun fordert SPD-Parteichef Gabriel - er wird das wahrscheinlich heute im Bundestag fordern, wenn er auf Bundeskanzlerin Merkel antwortet - ein neues Mandat.

Kastner: Ja. Das kommt ja aus den Überlegungen zu Stande, weil Guttenberg und die Kanzlerin jetzt sehr locker flockig das Wort "Krieg" übernommen haben.

Brink: "Kriegsähnlicher Zustand" hat der Verteidigungsminister gesagt.

Kastner: Ja, ja, ja, ja, ja, ein bisschen mehr. Er sagt, im volkstümlichen Sinne empfinden es die Leute als Krieg, und das würde ich als Verteidigungsminister so locker nicht in den Mund nehmen. Da muss man auch schon als Verantwortlicher juristisch einwandfrei argumentieren.

Brink: Damit wir die Fakten klar auf den Tisch legen: Der jetzige Einsatz ist ja von dem jetzigen Mandat gedeckt?

Kastner: Ja, ist er. Klar!

Brink: Warum fordert Gabriel dann ein neues Mandat?

Kastner: Das ist eine politische Äußerung von ihm gewesen, natürlich auf die Äußerung der Kanzlerin, als sie von Krieg gesprochen hat.

Brink: Nun haben Sie ja selbst diesen Einsatz (also die SPD) vor über acht Jahren wie gesagt mit auf den Weg gebracht. Das Mandat wird ja jedes Jahr verlängert. Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, das zu korrigieren. Warum ist das nicht passiert?

Kastner: Wir wollten es nicht korrigieren. Ich glaube, dass der Einsatz auch wirklich von diesem Mandat gedeckt ist.

Brink: Der Untersuchungsausschuss möchte auch die Bundeskanzlerin befragen. Wann wird sie vorgeladen, und was versprechen Sie sich von diesem Auftritt?

Kastner: Das wissen wir noch nicht. Das werden wir dann am 6. Mai ...

Brink: Da ist die nächste Sitzung!

Kastner: Am 6. Mai ist die nächste Sitzung. Da machen wir wahrscheinlich - ich sage jetzt wirklich wahrscheinlich – eine Beratungssitzung, nur eine Beratungssitzung, und diskutieren zusammen, wen wir noch vorladen, wo noch Informationsbedarf ist, und da wird natürlich auch zur Sprache kommen, was hat das Kanzleramt gewusst, und wann hat sie was weitergegeben, wann hat das Kanzleramt was weitergegeben.

Brink: Können Sie absehen, wann die Arbeit des Ausschusses beendet ist und wann wir mit einem Ergebnis, einem Bericht rechnen können?

Kastner: Ich hoffe, dass das nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag dauert, sondern ich hoffe, dass wir doch Ende des Jahres dann abschließen können.

Brink: Susanne Kastner (SPD), Vorsitzende des Kundus-Untersuchungsausschusses, und wir sprachen über die Arbeit des Ausschusses und seine Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch.

Kastner: Bitteschön.