Die Castingshow der Sozialdemokraten hat begonnen
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Die CDU hat es bei der Neubesetzung der Parteispitze vorgemacht – jetzt veranstaltet auch die SPD Regionalkonferenzen, auf denen sich die Kandidaten vorstellen. Die erste Runde fand in Saarbrücken statt – und die hatte auch Unterhaltungswert.
700 Menschen, doppelt so viele wie erwartet, waren gestern Abend in die Saarbrücker Congresshalle geströmt. Alle in der Hoffnung auf Antworten, wie es weiter gehen soll mit der SPD. Viele waren zunächst skeptisch, ob das gewählte Verfahren auch zum gewünschten Erfolg führt, die streitbare Partei zu befrieden und eine stabile Führung zu bestimmen.
Nach drei Stunden – in denen kaum jemand den Saal verließ – hatte sich die Stimmung gegenüber der aufwendigen Kandidatenkür gedreht.
"Der Aufschlag war schon wirklich gut – und ich glaube, wer heute Abend hier war oder es live verfolgen konnte, hat gemerkt, dass die Partei lebt, dass es gute Kandidaten gibt und dass das Format mitreißen kann. Also, wer nicht hier war, hat was verpasst. Ja, es ist ein lebendiger Prozess, mal was ganz anderes, als dass in Berlin irgendeiner sagt, der wird es jetzt. Ich weiß, es geht um Personen, um den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Aber wichtiger finde ich, dass Themen angestoßen werden, dass die SPD wieder in die Offensive kommt, die großen gesellschaftlichen Themen wieder in den Vordergrund bringt. Und eine gesellschaftliche Diskussion auszulösen, das ist am Ende für die SPD vielleicht wichtiger, als wer jetzt Parteivorsitzender wird."
Inhaltlich wenig Trennendes
Nachdem das Oberbürgermeister-Team bestehend aus Simone Lange, Flensburg, und Alexander Ahrens, Bautzen, seine Bewerbung zurückgezogen hatte, sind noch sieben Zweierteams und ein Einzelbewerber im Rennen um den Parteivorsitz. Inhaltlich war nicht viel Trennendes spürbar. Dass die SPD ihr soziales Profil wieder stärken muss, das können alle unterschreiben. Differenzen zeigten sich bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Die SPD habe es zuglassen, dass Millionen von Menschen durch den sozialen Rost gefallen seien, sagt dazu die Kandidatin aus dem linken Spektrum, Hilde Mattheis.
"Wir haben die Leute enttäuscht. Wir haben 20 Jahre Sozialdumping betrieben, haben 20 Jahre gesagt: Privat vor Staat. Und alles das müssen wir hinter uns lassen, damit wir wieder eine Chance haben. Wir schrappen an der fünf Prozent Hürde vorbei."
Für und Wider Große Koalition
Dass es – gemessen an diesen düsteren Aussichten – besser wäre, die in Berlin regierende Große Koalition zu verlassen, dafür hat sich gestern Abend nur ein Team dezidiert ausgesprochen, angeführt vom Gesundheitsexperten der SPD, Karl Lauterbach.
"Wir sollten an Glaubwürdigkeit nicht weiter verlieren, indem wir weiter in der Großen Koalition bleiben. Wir haben das jetzt 14 Jahre gemacht, und wir können nicht immer ein besseres Steuersystem, mehr Verteilungsgerechtigkeit, mehr Spitzensteuer verlangen, aber diese Konzepte nicht umsetzen."
Die Mehrheit auf dem Podium sieht die Groko-Frage differenzierter. Dennoch fiel sie dem prominentesten unter den Kandidaten, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, in der Fragerunde vor die Füße.
"Olaf, wie kann man jemandem erklären, dass derjenige, der uns maßgeblich beteiligt in Funktion, in dieses Tal der Tränen, in diese Niederungen der heutigen Ergebnisse geführt hat, zukünftig für Glaubwürdigkeit und soziale Gerechtigkeit in der SPD steht. Da habe ich ein Erklärungsproblem."
Olaf Scholz hielt dagegen: "Ich will ausdrücklich dazu sagen, dass ich mich nicht gemeint fühle." Und ergänzt, er habe als Arbeitsminister dafür gesorgt, dass es Branchenmindestlöhne und Kurzarbeitergeld gegeben habe. Und er habe vor allen anderen den sozialen Wohnungsbau gefördert: "Ich bin der Meinung, dass ich ein echter, ein truly Sozialdemokrat bin."
Als echte Sozialdemokraten fühlen sich auch alle anderen Kandidaten – und was sie eint, ist die Überzeugung, dass Glaubwürdigkeit durch konsequentes Handeln entsteht. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius fasste es so zusammen:
"Sie wollen vor allem, dass wir selbstbewusst, zuversichtlich die Fragen der Zukunft beantworten, und das kann man nur, wenn man geschlossen auftritt und Entscheidungen trifft, die man dann umsetzt."
"Gesine Schwan und Ralf Stegner. Bei Stegner hatte ich immer das Gefühl, dass ihm die Krise der SPD ins Gesicht geschnitten war. Und ich gedacht habe, ich wähle doch nicht meine eigene Depression. Aber mit Gesine Schwan, die ist ein cooles Teilchen, hörte sich das richtig gut an. Christina Kampmann und Michael Roth, denen gelingt es, Europa in den Mittelpunkt zu stellen und das Verbindende bei der Jugend rüber zu bringen. Zwei habe ich gestrichen, aber welche, sage ich jetzt noch nicht."
Es ist ein offenes Rennen und wie es ausschaut, sind die Genossen gewillt, von ihrer Wahlfreiheit Gebrauch zu machen.