SPD will "freiwillige" Wehrpflicht statt reine Berufsarmee
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hat einer vollständigen Abschaffung der Wehrpflicht eine Absage erteilt und sich stattdessen dafür ausgesprochen, nur noch Freiwillige für den Grundwehrdienst zu rekrutieren.
Ute Welty: Und kein Wort zur Wehrpflicht öffentlich vom Verteidigungsminister. Dabei pfeifen es die sprichwörtlichen Spatzen von den Dächern, die Spatzen, auf die man ja nicht mit Kanonen schießen sollte: Der Konservative Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU ist dabei, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden. Eigene Überlegungen stellt auch Rainer Arnold an, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD. Guten Morgen, Herr Arnold!
Rainer Arnold: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: In welche Richtung gehen denn Ihre Überlegungen?
Arnold: Ja, es ist in der Tat so, dass die Wehrpflicht derzeit einer möglichen Verkleinerung der Bundeswehr im Wege steht, weil es nicht möglich sein wird, einfach weniger Rekruten einzuziehen. Das Verfassungsgericht würde dann sehr schnell die Rote Karte zeigen, weil die Dienstgerechtigkeit mit Füßen getreten wird. Und deshalb hat meine Partei ein Modell entwickelt, von dem ich sage, es ist einfach intelligenter als die Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht und verbindet positive Elemente miteinander.
Wir sagen, lasst uns diejenigen jungen Männer holen, die sich bei der Musterung bereit erklärt haben, auch zu dienen. Das heißt, wir setzen auf Freiwilligkeit der jungen Menschen und wollen Freiwilligkeit in ihrer ganzen Breite in der Gesellschaft stärken. Und so wäre dann der Grundwehrdienst einer der möglichen freiwilligen Optionen für junge Menschen, so wie ja heute ja schon viele ein freiwilliges soziales Jahr ableisten.
Welty: Es ginge also um eine Art freiwillige Wehrpflicht. Das ist ja ein Vorschlag, der aus Ihrer Partei schon mal gekommen ist?
Arnold: Diesen Vorschlag haben wir vor drei Jahren schon entwickelt, weil wir gemerkt haben, die Wehrpflicht kann nicht einfach so fortgeführt werden wie in der Vergangenheit. Wir haben derzeit 34.000 junge Männer, die eigentlich dienen könnten. Die Bundeswehr selbst braucht aber nur stark 50.000. Das heißt, nur noch ein kleiner Teil wird tatsächlich zur Bundeswehr einberufen. Und dabei haben die jungen Menschen heutzutage das Gefühl, der Staat geht eher zufällig mit ihnen um. Sie können nicht mehr nachvollziehen, warum der eine Dienst, der andere nicht, der nächste, obwohl er sonntags auf dem Sportplatz Fußball spielt, als untauglich erklärt wird, vieles andere mehr. Dies ist keine gute Botschaft.
Wobei wir sagen: Die Wehrpflicht als solches ist eine gute Grundlage in unserer Gesellschaft, weil man kann eben nicht alles kaufen. Es gibt eine kollektive Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes. Und diese Botschaft wollen wir auch nicht zerstören, indem wir die Wehrpflicht abschaffen, sondern wir sagen: Es bleibt bei der gesetzlichen Wehrpflicht; solange die Sicherheitslage aber so ist wie im Augenblick, müssen wir nur diejenigen holen, die freiwillig kommen wollen. Und wir brauchen in der Tat auch keine 55.000, sondern möglicherweise nur 20.000 bis 30.000 jedes Jahr.
Welty: Sie haben eben schon die Dienstgerechtigkeit, die Wehrgerechtigkeit angesprochen. Wie lässt sich das vereinbaren mit dieser Art freiwilligen Wehrpflicht? Also, dass die Menschen sagen, ach ich komm mal vorbei und das wird dann schon irgendwie reichen und erst dann wird einberufen?
Arnold: Also es gibt Länder, die den Weg gegangen sind, und siehe da: Es gibt genügend junge Menschen, die freiwillig ihren Dienst am Gemeinwesen auch bei der Bundeswehr leisten würden. Wir haben ja im Augenblick im Bereich des freiwilligen sozialen Jahres oder in der Entwicklungszusammenarbeit etwa doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber als Plätze. Dies zeigt, es gibt genügend junge Menschen, die etwas leisten wollen.
Und natürlich müssen wir Freiwilligkeiten dann auch mal attraktiver machen – materiell attraktiver, ideell attraktiver durch die Vergabe von Punkten bei der Studienplatzvergabe und ganz zu Ende gedacht muss eigentlich jeder Personalchef bei einer Einstellung fragen: Junge Frau, junger Mann, was hast du für unser Gemeinwesen geleistet? Und da wäre uns jeder Bereich genau so wichtig, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, ob im sozialen Jahr oder beim freiwilligen Grundwehrdienst. Also eine Kultur der Freiwilligkeit wäre ein Gewinn für die jungen Menschen selbst, die neue Erfahrungen und breiteren Horizont bekommen und für unsere Gesellschaft und damit auch für die Bundeswehr.
Und die Bundeswehr hätte einen weiteren starken Vorteil: Es ist ja kein Beruf wie jeder andere, Soldat zu werden. Wer Zeit- oder Berufssoldat werden möchte, sollte sich eigentlich diesen Betrieb Bundeswehr zunächst mal neun Monate oder zwölf Monate anschauen und während dieser Zeit seinen Vertrag unterschreiben und darüber nachdenken und nicht in einem Werbebüro extern möglicherweise für ein ganzes Leben eine Vereinbarung treffen. Bundeswehr, Militär erst anschauen, und während dieser Zeit darüber nachdenken, wäre sicherlich auch ein guter Weg. Und auch darüber wird man sehr viele junge Menschen finden, die sagen: Jawohl, ich leiste freiwillig meinen Grundwehrdienst.
Welty: Wie auch immer die Bundeswehr am Ende des Prozesses dasteht – dieser Prozess, der zurzeit läuft, der wird ja mit einem Paradigmenwechsel einhergehen, denn die Wehrpflicht galt und gilt immer noch vielen als Garant für die Einbindung der Armee in die Gesellschaft. Welche Alternativen sehen Sie?
Arnold: Also ich sehe keine vernünftigen Alternativen zur Chance, die soziale Breite in die Bundeswehr zu bekommen. Wenn wir ausschließlich auf Zeitsoldaten setzen, das heißt auch für die einfachen Tätigkeiten, die die Bundeswehr eben auch als moderne Armee hat – auch dort müssen Autos gefahren werden, Gabelstapler, die Flieger beladen, vieles andere mehr –, und wenn man für diese einfachen Tätigkeiten der Mannschaftsdienstgrade nur auf dem Arbeitsmarkt den Nachwuchs anwerben muss, dann wird man dort nicht die Besten haben. Und die Bundeswehr lebt davon mit ihren Prinzipien der inneren Führung, dass sich die ganze soziale Breite in unserer Gesellschaft auch sich dort wiederfindet und auch intelligente junge Menschen sich für Mannschaftsdienstgrade interessieren.
Wenn dies nicht mehr der Fall ist, hätten wir eine völlig veränderte Armee, und ich glaube, es wäre nicht gut, wenn bei den Mannschaften ein Berufsstand heranwächst, der eigentlich relativ perspektivlos über viele Jahre als Zeitsoldat dort seinen Dienst tut. Die sind nicht besonders motiviert. Das kann man übrigens in Großbritannien, in Frankreich anschauen, die ja die Wehrpflicht abgeschafft haben: Die haben nach wie vor auch kluge Offiziere, haben aber ganz erhebliche Probleme bei den Mannschaften. Und die Bundeswehr mit ihren Prinzipien als Staatsbürger in Uniform braucht überall den intelligenten Nachwuchs.
Welty: Ja zur Wehrpflicht, aber ein Ja zu einer freiwilligen Wehrpflicht, dazu Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen fürs Gespräch!
Arnold: Schönen Tag noch, ich danke auch!
Rainer Arnold: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: In welche Richtung gehen denn Ihre Überlegungen?
Arnold: Ja, es ist in der Tat so, dass die Wehrpflicht derzeit einer möglichen Verkleinerung der Bundeswehr im Wege steht, weil es nicht möglich sein wird, einfach weniger Rekruten einzuziehen. Das Verfassungsgericht würde dann sehr schnell die Rote Karte zeigen, weil die Dienstgerechtigkeit mit Füßen getreten wird. Und deshalb hat meine Partei ein Modell entwickelt, von dem ich sage, es ist einfach intelligenter als die Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht und verbindet positive Elemente miteinander.
Wir sagen, lasst uns diejenigen jungen Männer holen, die sich bei der Musterung bereit erklärt haben, auch zu dienen. Das heißt, wir setzen auf Freiwilligkeit der jungen Menschen und wollen Freiwilligkeit in ihrer ganzen Breite in der Gesellschaft stärken. Und so wäre dann der Grundwehrdienst einer der möglichen freiwilligen Optionen für junge Menschen, so wie ja heute ja schon viele ein freiwilliges soziales Jahr ableisten.
Welty: Es ginge also um eine Art freiwillige Wehrpflicht. Das ist ja ein Vorschlag, der aus Ihrer Partei schon mal gekommen ist?
Arnold: Diesen Vorschlag haben wir vor drei Jahren schon entwickelt, weil wir gemerkt haben, die Wehrpflicht kann nicht einfach so fortgeführt werden wie in der Vergangenheit. Wir haben derzeit 34.000 junge Männer, die eigentlich dienen könnten. Die Bundeswehr selbst braucht aber nur stark 50.000. Das heißt, nur noch ein kleiner Teil wird tatsächlich zur Bundeswehr einberufen. Und dabei haben die jungen Menschen heutzutage das Gefühl, der Staat geht eher zufällig mit ihnen um. Sie können nicht mehr nachvollziehen, warum der eine Dienst, der andere nicht, der nächste, obwohl er sonntags auf dem Sportplatz Fußball spielt, als untauglich erklärt wird, vieles andere mehr. Dies ist keine gute Botschaft.
Wobei wir sagen: Die Wehrpflicht als solches ist eine gute Grundlage in unserer Gesellschaft, weil man kann eben nicht alles kaufen. Es gibt eine kollektive Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes. Und diese Botschaft wollen wir auch nicht zerstören, indem wir die Wehrpflicht abschaffen, sondern wir sagen: Es bleibt bei der gesetzlichen Wehrpflicht; solange die Sicherheitslage aber so ist wie im Augenblick, müssen wir nur diejenigen holen, die freiwillig kommen wollen. Und wir brauchen in der Tat auch keine 55.000, sondern möglicherweise nur 20.000 bis 30.000 jedes Jahr.
Welty: Sie haben eben schon die Dienstgerechtigkeit, die Wehrgerechtigkeit angesprochen. Wie lässt sich das vereinbaren mit dieser Art freiwilligen Wehrpflicht? Also, dass die Menschen sagen, ach ich komm mal vorbei und das wird dann schon irgendwie reichen und erst dann wird einberufen?
Arnold: Also es gibt Länder, die den Weg gegangen sind, und siehe da: Es gibt genügend junge Menschen, die freiwillig ihren Dienst am Gemeinwesen auch bei der Bundeswehr leisten würden. Wir haben ja im Augenblick im Bereich des freiwilligen sozialen Jahres oder in der Entwicklungszusammenarbeit etwa doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber als Plätze. Dies zeigt, es gibt genügend junge Menschen, die etwas leisten wollen.
Und natürlich müssen wir Freiwilligkeiten dann auch mal attraktiver machen – materiell attraktiver, ideell attraktiver durch die Vergabe von Punkten bei der Studienplatzvergabe und ganz zu Ende gedacht muss eigentlich jeder Personalchef bei einer Einstellung fragen: Junge Frau, junger Mann, was hast du für unser Gemeinwesen geleistet? Und da wäre uns jeder Bereich genau so wichtig, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, ob im sozialen Jahr oder beim freiwilligen Grundwehrdienst. Also eine Kultur der Freiwilligkeit wäre ein Gewinn für die jungen Menschen selbst, die neue Erfahrungen und breiteren Horizont bekommen und für unsere Gesellschaft und damit auch für die Bundeswehr.
Und die Bundeswehr hätte einen weiteren starken Vorteil: Es ist ja kein Beruf wie jeder andere, Soldat zu werden. Wer Zeit- oder Berufssoldat werden möchte, sollte sich eigentlich diesen Betrieb Bundeswehr zunächst mal neun Monate oder zwölf Monate anschauen und während dieser Zeit seinen Vertrag unterschreiben und darüber nachdenken und nicht in einem Werbebüro extern möglicherweise für ein ganzes Leben eine Vereinbarung treffen. Bundeswehr, Militär erst anschauen, und während dieser Zeit darüber nachdenken, wäre sicherlich auch ein guter Weg. Und auch darüber wird man sehr viele junge Menschen finden, die sagen: Jawohl, ich leiste freiwillig meinen Grundwehrdienst.
Welty: Wie auch immer die Bundeswehr am Ende des Prozesses dasteht – dieser Prozess, der zurzeit läuft, der wird ja mit einem Paradigmenwechsel einhergehen, denn die Wehrpflicht galt und gilt immer noch vielen als Garant für die Einbindung der Armee in die Gesellschaft. Welche Alternativen sehen Sie?
Arnold: Also ich sehe keine vernünftigen Alternativen zur Chance, die soziale Breite in die Bundeswehr zu bekommen. Wenn wir ausschließlich auf Zeitsoldaten setzen, das heißt auch für die einfachen Tätigkeiten, die die Bundeswehr eben auch als moderne Armee hat – auch dort müssen Autos gefahren werden, Gabelstapler, die Flieger beladen, vieles andere mehr –, und wenn man für diese einfachen Tätigkeiten der Mannschaftsdienstgrade nur auf dem Arbeitsmarkt den Nachwuchs anwerben muss, dann wird man dort nicht die Besten haben. Und die Bundeswehr lebt davon mit ihren Prinzipien der inneren Führung, dass sich die ganze soziale Breite in unserer Gesellschaft auch sich dort wiederfindet und auch intelligente junge Menschen sich für Mannschaftsdienstgrade interessieren.
Wenn dies nicht mehr der Fall ist, hätten wir eine völlig veränderte Armee, und ich glaube, es wäre nicht gut, wenn bei den Mannschaften ein Berufsstand heranwächst, der eigentlich relativ perspektivlos über viele Jahre als Zeitsoldat dort seinen Dienst tut. Die sind nicht besonders motiviert. Das kann man übrigens in Großbritannien, in Frankreich anschauen, die ja die Wehrpflicht abgeschafft haben: Die haben nach wie vor auch kluge Offiziere, haben aber ganz erhebliche Probleme bei den Mannschaften. Und die Bundeswehr mit ihren Prinzipien als Staatsbürger in Uniform braucht überall den intelligenten Nachwuchs.
Welty: Ja zur Wehrpflicht, aber ein Ja zu einer freiwilligen Wehrpflicht, dazu Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen fürs Gespräch!
Arnold: Schönen Tag noch, ich danke auch!