Speisepilz wird Giftpilz
Der Ohrförmige Seitling wird vielerorts als Speisepilz, ja sogar als Delikatesse geschätzt. Nun wurde er durch Zufall in Japan als Giftpilz erkannt.
Was ist das für ein Pilz? Er ähnelt dem Austernseitling und ist auf der ganzen nördlichen Halbkugel verbreitet. Er gedeiht im Schwarzwald ebenso wie in Japan oder Nordamerika (Phyllotus porrigens, Pleurocybella porrigens, Shugihiratake, Angel‘s Wing). In manchen Pilzbüchern gilt er als ungenießbar in anderen als hochgeschätzte Delikatesse.
Und warum soll er jetzt ein Giftpilz sein? Das lag an aufmerksamen Ärzten in Japan, die bei der Suche nach der Ursache einer Serie von Todesfällen und unerklärlichen schweren Erkrankungen als einzige Gemeinsamkeit ein Pilzgericht fanden. Betroffen waren vor allem Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Innerhalb von 31 Tagen (!) nach dem Verzehr kam es zu Nieren- und Hirnschädigungen. Wohlgemerkt: Die Vergiftung trat erst Wochen später auf. Im Vordergrund standen Bewusstseinsstörungen gefolgt von Muskelkrämpfen, epileptischen Anfällen, Ataxie, Paralyse und Parkinsonismus.
Was war die Ursache? Detaillierte Analysen der Seitlinge förderten neben Blausäure vor allem Vitamin D-ähnliche Verbindungen zutage. Die stehen nun im Mittelpunkt des Verdachtes. Vitamin D ist bekanntermaßen ein ziemlich toxischer Stoff, der nicht umsonst als Rattengift im Einsatz ist. Es handelt sich ja entgegen dem Namen nicht um ein Vitamin sondern um ein Hormon, dessen Produktion vom Körper genau kontrolliert wird. Bis heute sind von dieser Substanz etwa Tausend verschiedene Versionen mit unterschiedlicher Wirkung bekannt. Insofern darf der japanische Befund nicht überraschen.
Kommen diese Verbindungen auch in anderen Speisepilzen vor? Ja, beispielsweise in Pfifferlingen oder Steinpilzen. Allerdings ist unklar, ob es tatsächlich genau die gleichen Stoffe sind. Aber genau aus diesem Grunde wurden Pilze von der Ernährungsberatung empfohlen. Es seien ja wertvolle vitamin-D-artige Verbindungen drin. Pfifferlinge oder Steinpilze bleiben natürlich wie bisher auf meinem Speiseplan. Aber spezielle "Pilzdelikatessen", vor allem wenn sie als "gesund" gelten, werde ich auch weiterhin nur mit äußerster Vorsicht genießen, vor allem dann, wenn sie in der Öffentlichkeit als asiatische Wundermedizin beworben werden.
Bisher ging man ja davon aus, dass ein Giftpilz innerhalb kürzester Zeit zum Tode führt. Ist das ein Einzelfall? Nein, derartige Vergiftungen wurden bisher meist nur zufällig im Zusammenhang mit Vergiftungsserien nach gemeinsamen Pilzmahlzeiten aufgedeckt. Wohlgemerkt bei Pilzen, die früher durchaus als Speisepilze oder Delikatesse galten. So auch beim Orellanus- (Rauhkopf), beim Acromelalga- (Trichterling) und beim Equestre-Syndrom (Grünling).
Wie viele Vergiftungen dieser Art – insbesondere durch sogenannte Speisepilze – mag es noch geben? Insbesondere bei neurologischen Erkrankungen ist auch an Pilzintoxikationen zu denken. Würde man im Bereich von Pilzen und Algen ein wenig genauer forschen und deren Inhaltsstoffe den gleichen Langzeittests unterwerfen, die heute für Industriechemikalien Standard sind, dann dürften die Mediziner einige ihrer Lehrbücher neu schreiben.
Literatur:
Akiyama H, Sasaki H: Relationship between the acute encephalopathy and Shugihiratake mushromm intake. Nippon Shokuhin Kagaku Gakkaishi 2007; 14: 43-50
Mattila PH et al: Vitamin D contents in edible mushrooms. Journal of Agricultural and Food Chemistry 1994; 42: 2449-2453
Outila TA et al: Bioavailability of vitamin D from wild edible mushrooms (Cantharellus tubaeformis) as measured with a human bioassay. American Journal of Clinical Nutrition 1999; 69: 95-98
Flammer R: Pilzgenuß mit Folgen: Teil 2. Schweizerisches Medizin Forum 2004; 4: 531-537
Flammer R: Tödliche Vergiftungen nach Genuß von Pleurocybella porrigens (Ohrförmiger Seitling) in Japan. Schweizerische Zeitschrift für Pilzkunde 2005; 83: 162-165
Milne GWA, Delander M: Vitamin D Handbook. Wiley, Hoboken 2008
Und warum soll er jetzt ein Giftpilz sein? Das lag an aufmerksamen Ärzten in Japan, die bei der Suche nach der Ursache einer Serie von Todesfällen und unerklärlichen schweren Erkrankungen als einzige Gemeinsamkeit ein Pilzgericht fanden. Betroffen waren vor allem Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Innerhalb von 31 Tagen (!) nach dem Verzehr kam es zu Nieren- und Hirnschädigungen. Wohlgemerkt: Die Vergiftung trat erst Wochen später auf. Im Vordergrund standen Bewusstseinsstörungen gefolgt von Muskelkrämpfen, epileptischen Anfällen, Ataxie, Paralyse und Parkinsonismus.
Was war die Ursache? Detaillierte Analysen der Seitlinge förderten neben Blausäure vor allem Vitamin D-ähnliche Verbindungen zutage. Die stehen nun im Mittelpunkt des Verdachtes. Vitamin D ist bekanntermaßen ein ziemlich toxischer Stoff, der nicht umsonst als Rattengift im Einsatz ist. Es handelt sich ja entgegen dem Namen nicht um ein Vitamin sondern um ein Hormon, dessen Produktion vom Körper genau kontrolliert wird. Bis heute sind von dieser Substanz etwa Tausend verschiedene Versionen mit unterschiedlicher Wirkung bekannt. Insofern darf der japanische Befund nicht überraschen.
Kommen diese Verbindungen auch in anderen Speisepilzen vor? Ja, beispielsweise in Pfifferlingen oder Steinpilzen. Allerdings ist unklar, ob es tatsächlich genau die gleichen Stoffe sind. Aber genau aus diesem Grunde wurden Pilze von der Ernährungsberatung empfohlen. Es seien ja wertvolle vitamin-D-artige Verbindungen drin. Pfifferlinge oder Steinpilze bleiben natürlich wie bisher auf meinem Speiseplan. Aber spezielle "Pilzdelikatessen", vor allem wenn sie als "gesund" gelten, werde ich auch weiterhin nur mit äußerster Vorsicht genießen, vor allem dann, wenn sie in der Öffentlichkeit als asiatische Wundermedizin beworben werden.
Bisher ging man ja davon aus, dass ein Giftpilz innerhalb kürzester Zeit zum Tode führt. Ist das ein Einzelfall? Nein, derartige Vergiftungen wurden bisher meist nur zufällig im Zusammenhang mit Vergiftungsserien nach gemeinsamen Pilzmahlzeiten aufgedeckt. Wohlgemerkt bei Pilzen, die früher durchaus als Speisepilze oder Delikatesse galten. So auch beim Orellanus- (Rauhkopf), beim Acromelalga- (Trichterling) und beim Equestre-Syndrom (Grünling).
Wie viele Vergiftungen dieser Art – insbesondere durch sogenannte Speisepilze – mag es noch geben? Insbesondere bei neurologischen Erkrankungen ist auch an Pilzintoxikationen zu denken. Würde man im Bereich von Pilzen und Algen ein wenig genauer forschen und deren Inhaltsstoffe den gleichen Langzeittests unterwerfen, die heute für Industriechemikalien Standard sind, dann dürften die Mediziner einige ihrer Lehrbücher neu schreiben.
Literatur:
Akiyama H, Sasaki H: Relationship between the acute encephalopathy and Shugihiratake mushromm intake. Nippon Shokuhin Kagaku Gakkaishi 2007; 14: 43-50
Mattila PH et al: Vitamin D contents in edible mushrooms. Journal of Agricultural and Food Chemistry 1994; 42: 2449-2453
Outila TA et al: Bioavailability of vitamin D from wild edible mushrooms (Cantharellus tubaeformis) as measured with a human bioassay. American Journal of Clinical Nutrition 1999; 69: 95-98
Flammer R: Pilzgenuß mit Folgen: Teil 2. Schweizerisches Medizin Forum 2004; 4: 531-537
Flammer R: Tödliche Vergiftungen nach Genuß von Pleurocybella porrigens (Ohrförmiger Seitling) in Japan. Schweizerische Zeitschrift für Pilzkunde 2005; 83: 162-165
Milne GWA, Delander M: Vitamin D Handbook. Wiley, Hoboken 2008