Spekulation in Brandenburg

Besorgte Bauern

Von Vanja Budde |
Im Kampf um die letzten freien Ackerflächen in Ostdeutschland haben die Familienbetriebe meist das Nachsehen. Die Bodenpreise sind explodiert und große, oft branchenfremde Agrarinvestoren schnappen den kleinen Bauern die Felder weg.
Ein alter Bauernhof am Rand des Dorfes Reichenow in Märkisch-Oderland im Nordosten Brandenburgs: Herbert Schmidt und sein Sohn Matthias schrauben die Scheibenegge von ihrem Trecker ab. In fünfter Generation baut die Bauernfamilie hier auf 250 Hektar Weizen, Gerste, Roggen, Raps und Zuckerrüben an. Junglandwirt Matthias Schmidt würde gerne expandieren, 50 oder noch besser 100 Hektar dazu pachten oder kaufen.
Matthias Schmidt: "Aber es ist halt schwierig, hier in unserer Ecke jetzt an Flächen ranzukommen, sich zu erweitern, ist also quasi nicht möglich. Und zwar haben wir auch im Kreis hier besonders Druck von den großen Aktiengesellschaften."
Die haben sich im großen Stil Äcker einverleibt: Die Hamburger KTG Agrar zum Beispiel: Deutschlands erster börsennotierter Agrarkonzern beackert 45.000 Hektar an zwei Dutzend Standorten in Deutschland und Litauen, davon allein in Brandenburg fast 20.000 Hektar. Rund um Reichenow sind fast alle Flächen aufgekauft, und zwar zu Preisen von derzeit weit mehr als 10.000 Euro pro Hektar. In manchen Regionen kostet der Hektar sogar 50.000 Euro.
Matthias Schmidt: "In den letzten zehn Jahren hat sich das Preisniveau im Kreis ungefähr verfünffacht, und solche Preise können wir als private Landwirte nur schwer zahlen."
Die oft branchenfremden Agrarinvestoren, die ihr Kapital mit Bankgeschäften oder in der Möbelindustrie erworben haben, sind vor allem in Ostdeutschland als Preistreiber aktiv, denn hier hat der Treuhand-Ableger BVVG, die Bodenverwertungs- und Verwaltungs-GmbH, die großen LPG-Flächen vor 25 Jahren nicht aufgeteilt. Rund zwei Millionen Hektar ostdeutscher Ackerboden wurden vor allem den LPG-Nachfolgebetrieben überlassen: ebenso großen landwirtschaftlichen Genossenschaften.
Matthias Schmidt: "Aus der Wende heraus sind große Betriebe entstanden und es ist für so große Investoren einfacher, sich einen großen Betrieb zu schnappen mit vielen Hektar als hier so Kleine: 'Da mal 20 Hektar, da 30 Hektar.' Das ist einfacher gleich den ganzen Betrieb zu übernehmen."
Alte Seilschaften aus DDR-Zeiten
Die hoch technisierte "Tieflader-Landwirtschaft" der Agrarkonzerne mit schwerem Gerät und möglichst wenig Arbeitskräften sei eine Folge dieses Kardinalfehlers der Nachwende-Politik, wettert Reinhard Jung, der Geschäftsführer des Brandenburger Bauernbundes. Alte Seilschaften aus DDR-Zeiten hätten eine Strukturreform damals verhindert.
Reinhard Jung: "Und dadurch, dass jetzt Investoren einsteigen, also dass diese Betriebe häufig im Zuge des Generationswechsels dann veräußert werden an Kapitalanleger von außerhalb, bilden sich Holdings, die noch viel, viel größer sind, also im Grunde Strukturen, gegen die der alte, ostelbische Großgrundbesitz anmutet wie ein Märchen aus längst vergangener Zeit."
Bodenkäufe liegen im Trend, denn Boden ist wertstabil, bietet darum eine sichere Rendite und ist dabei weniger aufwändig zu verwalten als Immobilien. Nun will auch noch das milliardenschwere chinesische Investmenthaus Fosun beim Giganten KTG einsteigen. Reinhard Jung vom Bauernbund beobachtet den Deal mit Sorge.
Reinhard Jung: "Das ist für uns als bäuerliche Familienbetriebe insofern eine Schwierigkeit, aber das betrifft nicht nur die KTG Agrar, sondern alle auswärtigen Kapitalanleger, die in Brandenburg unterwegs sind, als dass dann natürlich wieder mit frischem Geld von außerhalb uns Konkurrenz um Flächen gemacht wird, um Pachtflächen oder auch um Flächen, die wir möglicherweise erwerben könnten. Und das macht es für uns einfach schwieriger zu wirtschaften."
Zu solchen Ängsten bestehe kein Anlass, hält KTG-Agrar-Chef Siegfried Hofreiter nach Kräften dagegen.
Siegfried Hofreiter: "Denn wir haben bereits seit acht Jahren eine Selbstverpflichtung abgegeben, dass wir keinen Quadratmeter kaufen, den ein anderer Agrarbetrieb bewirtschaftet oder gepachtet hat. Und bei dem bleibt es."
Außerdem bekomme KTG Agrar mittlerweile selbst die enorm gestiegenen Bodenpreise zu spüren und wolle deswegen nicht weiter wachsen. Die Holding ist auch wegen ihrer fleißigen Landkäufe mit 460 Millionen Euro verschuldet.
Siegfried Hofreiter: "Wir haben klar gesagt: Bei diesem Preis können und wollen wir nicht mithalten. Deshalb steigern wir den Umsatz pro Hektar. Wir bauen statt Roggen Soja an. Da machen Sie den doppelten Umsatz, müssen auch ein bisschen mehr arbeiten. Das ist die Marktchance von morgen und von übermorgen. Und das ist unser Rat und Empfehlung darauf. Fläche allein in Deutschland ist nicht das Allheilmittel."
Die Fosun - eine der großen Investmentgruppen Chinas - ist vor allem an Stahl-Konzernen und Banken beteiligt und kauft Versicherungen auf. Hofreiter betont, dass er mit der Schützenhilfe aus Fernost in erster Linie auf den chinesischen Lebensmittelmarkt zielt und nicht auf den Brandenburger Bodenmarkt.
Siegfried Hofreiter: "Ich möchte ganz klar sagen, dass wir mit unserer Kooperation mit Fosun keinen Euro in das Primäragrargeschäft stecken werden, sondern es geht ausschließlich um den Lebensmittelbereich. Wir haben zwei große Tiefkühlwerke. Wir haben ein großes Verarbeitungszentrum. Wir haben eine große Müsli-Manufaktur, da haben wir über 100 Millionen investiert in den letzten Jahren, da müssen wir noch mal die gleiche Summe investieren, um an den Märkten bestehen zu können. Wir sind in über 7.000 Lebensmittelmärkten in Deutschland gelistet, präsent. Wir bringen brandenburgisches Getreide in die Regale in Deutschland, in China, in USA. Das kostet viel Geld."
Gegen die Billigeinkäufer zusammenhalten
Hofreiter meint, die Expansion ins Ausland müsse sein, wegen der allzu niedrigen Margen auf dem deutschen Lebensmittelmarkt: Den haben die Discounter im Griff und sie drücken die Preise. Mit Hilfe des chinesischen Kapitals will sich die KTG unabhängig machen von der Macht der Lebensmittel-Multis. Die hiesigen Landwirte sollten gegen die Billigeinkäufer zusammenhalten, meint Hofreiter, statt sich auf dem – Zitat - "Nebenkriegsschauplatz" um Flächen zu zermürben.
Siegfried Hofreiter: "Ich lade jede ein: Kommen Sie mit nach China. Da gibt's riesige Märkte. Da müssen wir uns etablieren oder wir müssen uns von Aldi und Lidl weiter erpressen lassen. Das wollen wir nicht und deshalb haben wir uns entschlossen, mit Fosun eine Kooperation einzugehen, weil wir glauben, dort den Markt erschließen zu können."
Die Fosun soll auch Kontakte und Knowhow mitbringen, um den Chinesen das Müslifrühstück der KTG nahe zu bringen. Auch solche Deals liegen im Trend: Chinas wachsende Mittelschicht orientiert sich zunehmend auch an westlichen Ernährungsgewohnheiten. Das riesige Land investiert seit einiger Zeit in die europäische Lebensmittelindustrie, zum Beispiel in Hersteller von Milchprodukten.
Mit der Fosun will sich nun aber erstmals ein chinesischer Investor hier zu Lande direkt am Anbau von Feldfrüchten beteiligen.
Private Landwirte wie Matthias Schmidt fühlen sich überrollt und fordern darum, chinesische Investoren auf Renditejagd nicht noch zusätzlich mit Europas Agrarsubventionen zu ködern.
Matthias Schmidt: "Also das wäre eigentlich auch so eine Sache, was helfen würde, um solche großen Strukturen nicht extra noch zu fördern, also wenn die jetzt 5.000, 10.000 Hektar haben, ich weiß auch nicht, oder KTG 30.000, da kommen ja auch etliche Millionen an Subventionen zusammen."
Je größer ein Betrieb, desto mehr Geld aus Brüssel
Die Agrarsubventionen hängen nämlich an der Fläche: Je größer ein landwirtschaftlicher Betrieb, desto mehr Geld fließt aus Brüssel. Nach Berechnungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz bekommt eine Handvoll riesiger Agrar-Holdings in Deutschland ein Drittel der gesamten Direktzahlungen. Dass muss sich ändern, meint auch Reinhard Jung vom Bauernbund:
Reinhard Jung: "Die entscheidende politische Weichenstellung wird über die Agrarsubventionen getroffen. Und da muss man einfach leider sagen, ist für die Förderperiode 2014 bis 2020 die große Chance vertan worden, über eine Kappung der Subventionen und eine Koppelung daran, dass sich die Betriebe, die die Subventionen erhalten, in der Hand ortsansässiger Landwirte befinden, darüber die auswärtigen Kapitalanleger zu bremsen und zu schwächen. Diese große Chance wurde vertan. Das ist eine absolute politische Fehlleistung."
Einer zweiten Forderung des Bauernbundes kommt das Brandenburger Agrarministerium aber derzeit nach: Bei Flächenverkäufen den ortsansässigen Landwirten möglichst ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade:
Jens-Uwe Schade: "Was wir natürlich nicht wollen, ist, dass die außerlandwirtschaftlichen Investoren hier weiter Kasse machen können. Das ist auch schon deswegen nicht im Interesse des Landes, weil wir natürlich hier die Betriebe auch halten wollen, gerade in den strukturschwachen, ländlichen Regionen sind sie oft der einzige nennenswerte Arbeitgeber."
Auf Länderebene seien die Möglichkeiten allerdings begrenzt, gibt Schade zu bedenken, zumal das EU-Wettbewerbsrecht es verbiete, lokale Akteure zu bevorzugen.
Jens-Uwe Schade: "Als Agrarverwaltung haben wir jetzt nur die Stellschraube über den Bodenmarkt, versuchen, dort einzugreifen. Das wird schwierig genug. Ich sehe da durchaus noch lange juristische Auseinandersetzungen vor uns stehen. Das Fernziel ist sicherlich, da brauchen wir aber Verbündete auch in den anderen Bundesländern, dass wir uns deutschlandweit stärker mit dem Thema Agrarstruktur, Agrarstrukturgesetz beschäftigen. Wir haben es ja mit Playern aus ganz Deutschland und mittlerweile aus der ganzen Welt zu tun."
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) © picture alliance/dpa/Ole Spata
Je kleiner die Lose, desto eher können normale Menschen mithalten
Bewegung gibt es auch auf Bundesebene: Nach Plänen von CSU-Agrarminister Christian Schmidt sollen künftig Flächeneinheiten von höchstens 15 statt bisher 25 Hektar ausgeschrieben werden. Der Bauernbund begrüßt das: Je kleiner diese Lose, desto eher könnten normale Menschen mithalten. Das alles wird dem jungen Getreidebauern Matthias Schmidt in Märkisch Oderland aber leider nichts nützen:
Matthias Schmidt: "Das ist in unserem Sinne, ja. Und ich habe auch irgendwas gehört von Junglandwirte, dass die bevorzugt werden sollen, vor allem auch bei den BVVG-Flächen von der Treuhand. Ja, aber für uns kommt es zu spät. Da hätten sie vor zehn, 15 Jahre was anderes machen müssen. Hier ist kein Land mehr zu verkaufen."
Ohne ausreichend Flächen liegt der globale Markt für Familienbetriebe wie den der Schmidts nicht nur geographisch in weiter Ferne. Das große Spiel der Player, zu denen sich nun auch noch China gesellt, findet ohne sie statt.
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