Wie Fans jetzt Musikern helfen können
06:44 Minuten
Die Musikwirtschaft macht nach Schätzungen im Moment knapp 60 Prozent weniger Umsatz als vor der Coronakrise. Konzerthäuser sind geschlossen, Einnahmen durch den Ticketverkauf weggebrochen. Wer will, kann Musiker aber auf andere Weise unterstützen.
Nana Brink: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in einer Ansprache Anfang April dazu geraten, Karten für bereits gekaufte Kulturveranstaltungen nicht zurück zu geben, um so Kulturschaffende finanziell zu entlasten. Ist das zielführend?
Mathias Mauersberger: Ja, wobei natürlich nicht klar ist, wieviel dieser einbehaltenen Ticketeinnahmen am Ende bei den Musikerinnen ankommt. Das hängt von den jeweiligen Verträgen zwischen Auftrittsort, Veranstalter und Künstlern ab.
Der direkteste Weg, Musiker aktuell finanziell zu unterstützen, ist die Spende. Hier gibt es in Deutschland aktuell zwei wichtige, bundesweite Organisationen: Die Deutsche Orchesterstiftung, die einen Nothilfe-Fonds für freiberufliche, klassische Musikerinnen und Musiker eingerichtet hat. Und die Initiative Musik, die Musiker aus den Bereichen Pop, Rock und Jazz unterstützt, die von Verdienstausfällen durch abgesagte Konzerte betroffen sind. Hinzu kommen noch zahlreiche regionale und genrespezifische Initiativen.
Brink: Können solche Fonds und Initiativen den finanziellen Schaden durch ausbleibende Gagen denn auffangen?
Mauersberger: Die Deutsche Orchesterstiftung hat aktuell über 1,3 Millionen Euro durch Spenden eingenommen. Es wurden mittlerweile 2500 Anträge bearbeitet und je 400 Euro ausgezahlt. Das ist nicht viel, könnte aber eine Ergänzung sein zu den Corona-Soforthilfen der Länder.
Die Initiative Musik meldet einen Spendenstand von fast 100.000 Euro. Hier sollen ab Mitte Mai 1000 Euro pro Solokünstler oder Band ausgezahlt werden. Aber wir sollten die regionalen Initiativen nicht vergessen, etwa United We Stream. Ein Zusammenschluss von Berliner Clubs, der sich für die Berliner Clubkultur einsetzt.
Jeden Abend werden DJ-Sets aus den unterschiedlichen Clubs Berlins gestreamt. Und auch hier kommen Spenden zusammen, wie mir Lutz Leichsenring, Pressesprecher von United We Stream, erzählt hat:
"Die Spenden sind erstmal freiwillig. Wir haben gesagt: Bitte unterstützt uns in dieser schweren Zeit. Dafür haben wir eine Spendenplattform aufgebaut auf betterplace.org. Da sind jetzt fast eine halbe Million Spenden eingegangen. Es zeigt einfach, dass so im Schnitt an die 30 Euro gespendet werden. Und dass da eben eine sehr hohe Solidarität herrscht."
Mauersberger: Lutz Leichsenring von "United We Stream". Wobei man dazu sagen muss, dass nur ein Teil dieser Spenden am Ende an die Musiker und DJs gezahlt wird.
Brink: Jetzt war hier schon die Rede von der Internet-Spendenseite betterplace.org. Gibt es denn auch Seiten im Netz, mit denen ich ganz gezielt meine Lieblingsmusikerin, meinen Lieblingsmusiker unterstützen kann?
Mauersberger: Bei US-amerikanischen Musikern ist Patreon recht verbreitet. Eine Social-Investing-Seite, in der man zum Patron, zum Mäzen eines Musikers werden kann. Man abonniert also dessen Kanal, zahlt einen monatlichen Betrag und erhält dann Zugriff auf exklusive Inhalte: Musik, Videos. Und das lohnt sich, denn bei Patreon sind viele namhafte Musikerinnen und Musiker zu finden. Ben Folds, Jacob Collier oder die Sängerin Kimbra:
"Ich freue mich sehr, mich über Patreon mit anderen Leuten verbinden zu können. Es ist ein Kanal, der mir erlaubt, Inhalte mit anderen zu teilen. Denn ich mache ja sehr Vieles: Songs, die nie veröffentlicht werden. Oder Jam-Sessions mit meiner Band. Ich möchte mich über Patreon bei meinen Fans bedanken und ein Ventil schaffen, um noch mehr Kunst zu machen."
Brink: Die Sängerin Kimbra. Heute wird Musik im Netz gestreamt. Können denn die Tantiemen durch Musik-Streaming zumindest einen Teil der finanziellen Engpässe durch Konzertausfälle auffangen?
Mauersberger: Spotify, der größte Streaming-Anbieter, wird ja immer wieder dafür kritisiert, dass er Musiker schlecht bezahlt. Man erhält pro Stream etwa 0,004 Cent. Davon profitieren nur sehr, sehr bekannte Künstlerinnen und Künstler.
Immerhin hat Spotify aber ein neues Feature in seine Plattform eingebaut, die es Bands und Musikern ermöglicht, Spenden zu sammeln - so eine Art virtueller Trinkgeldbecher. Man kann über einen Mausklick einen Betrag auf das Konto der Musiker buchen.
Diese Neuerung ist bereits kritisiert worden. "The Guardian", die britische Tageszeitung, hat gerade einen Artikel veröffentlicht, in dem sie Spotify Scheinheiligkeit vorwirft. Denn auf der einen Seite würde der Konzern Musiker nicht fair entlohnen, jetzt aber plötzlich eine Spendenfunktion einführen.
Insgesamt musikerfreundlicher ist die Seite Bandcamp. Ein Online-Musikdienst zur Promotion, der sich insbesondere an unabhängige Künstlerinnen und Künstler richtet. Hier kann man Musik streamen, aber auch kaufen oder beispielsweise Merchandise Artikel bestellen.
Ein Großteil der Einnahmen geht an die Musiker. Bandcamp spendet aktuell einmal immer am ersten Freitag des Monats alle Einnahmen des Tages an die Urheber. Eine sehr positives Signal für die Musikerinnen und Musiker.