Sphinx ohne Rätsel
Die aus Wien stammende Autorin Eva Menasse hat sich mit ihrem Roman "Vienna" und dem Erzählband "Lässliche Todsünden" einen Ruf als entspannte Erzählerin mit Neigung zu Sarkasmus und witziger Schärfe erworben. Ein Eindruck, der durch ihren neuen Roman bestätigt wird.
Der Name der Heldin ist schon mal gut gewählt: Roxane Molin, genannt Xane. Das klingt extravagant, kosmopolitisch und hat exotisches Flair. Der Name macht was her, womöglich mehr, als die Protagonistin von Eva Menasses Roman in 400 Buchseiten dann tatsächlich beglaubigen kann.
Interessant gemacht wird Xane Molin außerdem durch einen erzählerischen Kunstgriff: In zwölf von dreizehn Kapiteln erscheint sie nur indirekt, gesehen aus dem Blickwinkel anderer – von Freundinnen, Bewunderern, von ihrem Vermieter und ihrer Gynäkologin, vom Vater, von der Stieftochter, vom Sohn, von einem Angestellten ihrer Firma. Gezeigt werden Facetten von Xane in ihrer Wirkung auf andere, nie das ganze Bild. Vieles von dem, was sie tut oder lässt, denkt oder fühlt, bleibt unerklärt und daher rätselhaft. Der Leser hat die Lücken selbst auszufüllen – und wirkt daher mit an der Aura von Geheimnis und Faszination, in die Eva Menasse ihre Heldin einspinnen möchte.
In dreizehn Stationen wird umrisshaft der Lebensbogen einer Frau markiert – von Wien nach Berlin und retour –, deren dominanter Zug ihr Talent zur Selbstdramatisierung ist. Xane gelingt es die längste Zeit mühelos, im Mittelpunkt zu stehen, ihre Umwelt zu willigen Mitspielern in ihrem Lebensdrama zu machen und ihnen dessen Außergewöhnlichkeit zu suggerieren.
Sie ist eine attraktive und zielstrebige Wienerin, die nach Berlin heiratet, einen Sohn bekommt, eine Werbeagentur gründet und leitet (und vielleicht auch zugrunde richtet) und im Alter, nach dem Tod des Ehemannes, eines Universitätsprofessors, nach Wien zurückkehrt. Mit zunehmendem Alter lässt Xanes Zauber allerdings nach, selbst ihre loyalen Freundinnen beginnen sie zu kritisieren, lassen sich jedoch noch immer von ihr überraschen.
Dem Leser ergeht es ähnlich. Die Bekanntschaft mit dieser Romanheldin ist ein sehr unterhaltsamer Prozess fortschreitender Ernüchterung. Eva Menasses Spezialität sind die saturierten alternativ-bürgerlichen Milieus in Wien und in Berlin, ein smartes Biotop von Künstlern, Kreativen, Medienleuten und Urban Intellectuals, das sie intim kennt und mit genüsslicher Biestigkeit beschreiben kann. Da der Verhaltenskodex in diesen Milieus kaum Exzesse zulässt, halten sich die Lebensmuster, die der Roman zeichnet, an die hübschen bunten Muster, die man von den Quasikristallen kennt. Insofern ist der Romantitel treffend gewählt.
Im Grunde unterläuft Eva Menasse in ihrem clever ausgedachten Roman-Konstrukt nur ein einziger Fehlgriff: Im zentralen 7. Kapitel gestattet sie ihrer Heldin, sich als Ich-Stimme zu offenbaren – in all ihrer trivialen und missgünstigen Geschwätzigkeit. Xane wird erkennbar als eine Sphinx ohne Rätsel. Schade eigentlich.
Besprochen von Sigrid Löffler
Eva Menasse: Quasikristalle
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013
432 Seiten, 19,99 Euro
Interessant gemacht wird Xane Molin außerdem durch einen erzählerischen Kunstgriff: In zwölf von dreizehn Kapiteln erscheint sie nur indirekt, gesehen aus dem Blickwinkel anderer – von Freundinnen, Bewunderern, von ihrem Vermieter und ihrer Gynäkologin, vom Vater, von der Stieftochter, vom Sohn, von einem Angestellten ihrer Firma. Gezeigt werden Facetten von Xane in ihrer Wirkung auf andere, nie das ganze Bild. Vieles von dem, was sie tut oder lässt, denkt oder fühlt, bleibt unerklärt und daher rätselhaft. Der Leser hat die Lücken selbst auszufüllen – und wirkt daher mit an der Aura von Geheimnis und Faszination, in die Eva Menasse ihre Heldin einspinnen möchte.
In dreizehn Stationen wird umrisshaft der Lebensbogen einer Frau markiert – von Wien nach Berlin und retour –, deren dominanter Zug ihr Talent zur Selbstdramatisierung ist. Xane gelingt es die längste Zeit mühelos, im Mittelpunkt zu stehen, ihre Umwelt zu willigen Mitspielern in ihrem Lebensdrama zu machen und ihnen dessen Außergewöhnlichkeit zu suggerieren.
Sie ist eine attraktive und zielstrebige Wienerin, die nach Berlin heiratet, einen Sohn bekommt, eine Werbeagentur gründet und leitet (und vielleicht auch zugrunde richtet) und im Alter, nach dem Tod des Ehemannes, eines Universitätsprofessors, nach Wien zurückkehrt. Mit zunehmendem Alter lässt Xanes Zauber allerdings nach, selbst ihre loyalen Freundinnen beginnen sie zu kritisieren, lassen sich jedoch noch immer von ihr überraschen.
Dem Leser ergeht es ähnlich. Die Bekanntschaft mit dieser Romanheldin ist ein sehr unterhaltsamer Prozess fortschreitender Ernüchterung. Eva Menasses Spezialität sind die saturierten alternativ-bürgerlichen Milieus in Wien und in Berlin, ein smartes Biotop von Künstlern, Kreativen, Medienleuten und Urban Intellectuals, das sie intim kennt und mit genüsslicher Biestigkeit beschreiben kann. Da der Verhaltenskodex in diesen Milieus kaum Exzesse zulässt, halten sich die Lebensmuster, die der Roman zeichnet, an die hübschen bunten Muster, die man von den Quasikristallen kennt. Insofern ist der Romantitel treffend gewählt.
Im Grunde unterläuft Eva Menasse in ihrem clever ausgedachten Roman-Konstrukt nur ein einziger Fehlgriff: Im zentralen 7. Kapitel gestattet sie ihrer Heldin, sich als Ich-Stimme zu offenbaren – in all ihrer trivialen und missgünstigen Geschwätzigkeit. Xane wird erkennbar als eine Sphinx ohne Rätsel. Schade eigentlich.
Besprochen von Sigrid Löffler
Eva Menasse: Quasikristalle
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013
432 Seiten, 19,99 Euro