Das Manuskript zu dem Feature "Sie wob ihr Netz aus Gift" finden Sie hier zum Download.
Spinnen in der Literatur
"Sie wob ihr Netz aus Gift", dichtete Erich Kästner in "Die schwarze Spinne". © EyeEm / Weiqing Mao
"Sie wob ihr Netz aus Gift"
53:49 Minuten
Aus Neid verwandelte die Göttin Athene die Weberin Arachne einst in eine Spinne. So erzählt es der griechische Mythos. Seitdem ist sie das Wappentier der Dichter. Beide schaffen aus sich heraus Gespinste.
Ovid lässt in den "Metamorphosen" keinen Zweifel daran, dass die Menschen den Göttern im Spinnen überlegen sind. Der Weberin Arachne gelingen so faszinierende Gespinste, dass sich die für die Künste zuständige Göttin Athene provoziert fühlt und mit dem Menschen in einen Wettstreit tritt. Athene vermag, einen Stoff mit einer passablen Geschichte und hübschen Ornamenten herzustellen, Arachne aber scheint die Wirklichkeit selbst in ihrem Wandteppich einzufangen, so lebendig wirkt er. Erzürnt zerstört Athene Arachnes Schöpfung und verwandelt die Konkurrentin in eine Spinne.
Schöpfung aus dem eigenen Körper
Diese ist seitdem – göttliche Wut bleibt nicht ohne Folgen – mit dem Teufel im Bunde. Die Spinne ist weiblich und giftig, sie wickelt ein, saugt aus und tötet ihre faszinierten Partner gleich nach der Befruchtung. Andererseits emanzipiert sie den Menschen, indem sie den Göttern trotzt. Und sie muss kein fauler Räuber, sie kann auch eine hochproduktive Seidenspinne sein. In jedem Fall schöpft sie ihre Werke allein aus sich, aus ihrem Körper – nicht anders als ein Dichter: Er schafft ein Gespinst, eine Kunstwelt, in der sich seine Gestalten bewegen und dem sie nicht entkommen.
Rehabilitation der Spinne in der Romantik
Die Analogie zwischen Spinne und Dichter durchlebt Höhen und Tiefen. Sie ist Hans Sachs wenig einsichtig, und auch die Aufklärung scheut arachnophobisch. Aber schon in der Romantik wird die Spinne rehabilitiert. Wie das Gedicht von Christa Reinig zeigt, ist sie ein Tier, das vieles kann:
"Einblick in den Geist gewinnen
Geistesforscher mit den Spinnen.
Alles was am Menschen innen,
Zieht nach außen durch uns Spinnen.
Wer denn anders als wir Spinnen
Dürfte mit dem Menschen minnen."
Geistesforscher mit den Spinnen.
Alles was am Menschen innen,
Zieht nach außen durch uns Spinnen.
Wer denn anders als wir Spinnen
Dürfte mit dem Menschen minnen."