Spion im Zick-Zack-Kurs

Der englische Geheimdienst gab ihm den Decknamen "Zigzag". Die Deutschen kannten ihn als "Fritz". Eigentlich hieß er Eddie Chapman und war berühmter Doppelagent im Zweiten Weltkrieg. In den 1960er Jahren wurde seine Geschichte als "Spion zwischen zwei Fronten" verfilmt. Jetzt legt der britische Autor Ben Macintyre die Biografie in Buchform nach - ein spannender Spionagethriller zwischen Reportage und Roman.
Die Deutschen nannten ihren Spion Eddie Chapman "Fritz". Die Briten nannten ihren Spion Eddie Chapman "Zigzag". Der Deckname "Zickzack" zeugt nicht nur von englisch schwarzem Humor - er charakterisiert diesen Doppelagenten des Zweiten Weltkrieges auch weitaus präziser.

Da flieht der kleine Gauner Eddie Chapman, der Safeknacker, Frauenheld und Aufschneider der Londoner Unterwelt der 30er Jahre vor Polizei und Justiz auf die britische Kanalinsel Jersey. Als die deutschen Truppen Jersey während ihres Frankreichfeldzuges besetzen, fällt ihnen Eddie Chapman in die Hände - und der lässt sich in Frankreich zum deutschen Spion für die britische Heimatfront ausbilden.

Wichtigster Auftrag: Er soll vor den Toren Londons einen Sprengstoffanschlag auf die Flugzeugfabrik De Havilland verüben, wo die gefährlichen Mosquito-Flugzeuge der Royal Air Force produziert werden, die regelmäßig gegen Deutschland starten.

Das tut er dann auch - und doch wieder nicht. Von den Deutschen per Fallschirm über Britannien abgeworfen, klopft er ans nächstgelegene Bauernhaus und lässt die Polizei rufen. Eddie Chapman möchte doch lieber für die Briten wirken im Kampf gegen die Deutschen.

Für den Inlandsnachrichtendienst MI5 erweist er sich als Glücksfall. Mit großem Aufwand täuschen die Geheimdienstler eine Explosion bei De Havilland vor, die vom Himmel aus für deutsche Spähflugzeuge auch täuschend echt wirkt. Zickzack-Eddie Chapman funkt an die Deutschen sein vollbrachtes Spreng-Werk - von dem selbst der "Daily Express" berichtet, um die Deutschen zu täuschen.

Nach dieser Feuertaufe können die Briten ihren Zigzag über das neutrale Lissabon an die Deutschen zurückschicken, die ihn mit Geld und einem Eisernen Kreuz belohnen. Und ihn schließlich, im Juni 1944 per Fallschirm, nach London zurückschicken, wo er die Wirkung der V "Wunderwaffen" auskundschaften soll.

Das tut er auch - und doch wieder nicht. Der britische Geheimdienst formuliert natürlich seine Funksprüche an die Deutschen so: mit falschen Angaben über die Einschlagsorte der V-Waffen, sodass diese einen möglichst geringen Schaden anrichteten.

Der Doppelagent im Zick-Zack-Kurs: welch ein Filmstoff - und tatsächlich wurde die Geschichte vor 40 Jahren unter dem Titel "Spion zwischen zwei Fronten" verfilmt. Vorlage war eine Autobiografie von Eddie Chapman, die allerdings Details seiner Arbeit für die Briten aussparen musste.

Nun hat der "Times"- Kolumnist Ben Macintyre bisher unter Verschluss gehaltene MI-5-Akten auswerten können und erzählt zwischen Reportage und Romanform einen Spionagethriller. Es kommen auch viele Frauen vor, fast wie bei James Bond. Es wird aber auch flott lesbar die Beziehung zwischen Krieg und Spionage präsentiert: die Spionage als Stiefschwester des Krieges oder ihre gefallene Tochter.

Natürlich verachtet ein aufrechter Militär die Spione, die im Dunklen arbeiten. Ein richtiger Soldat kämpft mit offenem Visier auf dem Schlachtfeld - aber nutzt gerne, wenn der Spion im vorher sagen kann, wie der Feind seine Truppen aufstellen wird.
Zickzack-Eddie Chapman ging übrigens kein geringes Risiko ein, als er sich von den Briten wieder zu den Deutschen zurückschicken ließ. Es gab eine misstrauische Fraktion unter deren Geheimdienstlern, die in gern beseitigt hätte. Durchgesetzt haben sich seine Freunde.

Und so starb er 1997 als wohlhabender Hotelier friedlich im Alter von 83 Jahren. Seine Geheimdienstkarriere endete mit dem Krieg.

Danach wandelte er, wie schon in den 30er Jahren, auf Pfaden, die nicht immer so ganz mit den Gesetzen des Vereinigten Königreiches in Einklang standen. Als seine Tochter 1979 heiratete, war auch sein früherer deutscher Agentenführer eingeladen, der ihm einst das Eiserne Kreuz überreicht hatte. Nach dem Fest sollen die beiden, Arm in Arm, noch lange durch den Garten spaziert sein. Irgendwann hörten die letzten Hochzeitsgäste ein Singen: Lili Marleen.

Rezensiert von Klaus Pokatzky

Ben Macintyre: Zigzag - Die Geschichte des Doppelagenten Eddie Chapman
Übersetzt aus dem Englischen von Dieter Kuhaupt
Verlag Fackelträger 2008
432 Seiten, 22,95 Euro