Spiritualität in Stein
Jens Rüffer befasst sich in einer Studie mit den Anfängen des Zisterzienserordens und dessen Bautätigkeiten im 12. und 13. Jahrhundert. In seinem Band "Die Zisterzienser und ihre Klöster" zeigt Rüffer, wie der Orden Spiritualität und Bauen miteinander verband. Zugleich räumt er mit einigen Vorurteilen in der Architekturgeschichte auf.
Klöster sind dem lateinischen claustrum (Verschluss, Schranke) und clausura (Verschluss, Sperre) gemäß geschlossene Gebäudekomplexe, in denen Mönche gemeinsam wohnen, arbeiten und beten. Hinter meist hohen Mauern findet man einen wohlgeordneten Mikrokosmos, die große Welt im Kleinen.
In seiner Studie "Die Zisterzienser und ihre Klöster" widmet sich Jens Rüffer den Anfängen des Zisterzienserordens und dessen Bautätigkeiten im 12. und 13. Jahrhundert. Der Untertitel "Leben und Bauen für Gott" deutet an, dass dabei sowohl spirituelle Basis als auch irdische Grundlagen des Klosterlebens in den Blick kommen.
Im Jahr 1098 verlässt der Benediktinermönch Robert von Molesme mit 21 weiteren Mönchen seine Mutterabtei Molesme südlich von Dijon. Die Männer wollen wieder strenger nach der Ordensregel des heiligen Benedikts leben und gründen das Kloster Cîteaux.
Das neue Kloster wird zum Ausgangspunkt einer Reformbewegung, die alle Bereiche des benediktinischen Mönchslebens umfasst: Administration, Ökonomie, Spiritualität, Liturgie und Architektur. Zugleich markiert der Auszug der Mönche aus Molesme den Beginn einer reichen Bautätigkeit in Europa. Allein bis zum Tod des heiligen Bernhard von Clairvaux (1153), des wohl prominentesten Zisterziensers, entstehen etwa 350 neue Abteien in ganz Europa.
Jens Rüffer versteht Architekturgeschichte "als lebendige, quellenbasierte Kulturgeschichte" und führt mit Hilfe umfangreichen Bildmaterials sowie zahlreicher Zitate eine Fülle an Dokumenten aus Stein und Pergament vor Augen. Dabei verweist der Berliner Forscher mehrfach auf Wege und Irrwege der Forschung.
So gelten Zisterzienser weithin als "Missionare der Gotik". Doch wird man eher ernüchternd festhalten müssen, dass weder ein zisterziensischer Baustil noch das Wirken eigener zisterziensischer Baumeister und Bauhütten nachzuweisen ist. Der Beitrag der Zisterzienser "hinsichtlich der Verbreitung innovativer gotischer Architekturformen [war] – mit Ausnahme Englands – eher marginal."
Nach einer historischen Einführung wendet sich Rüffer vor allem der inneren Klausur zu, dem Herz der Zisterzienserklöster. Dazu zählen der zentrale Kreuzgang, an den sich im Idealfall die Klosterkirche im Norden und im Osten die Gebäude der Mönche, etwa Bücherraum und Kapitelsaal, anschließen. Letzterer ist neben der Kirche der bedeutsamste Klosterraum für das geistliche Leben der Mönche. Seinen Namen erhielt er von der täglichen Lektüre eines Kapitels aus der Ordensregel Benedikts.
Im Süden hingegen findet man Wärmehaus, Küche und Speisesaal der Mönche. Hier steht die Sorge um den Körper im Vordergrund. Die Gebäude der Laienbrüder im Westen vollenden den inneren Gebäudekreis, an den sich oft weitere Gebäude wie Werkstätten, Gästehaus und eine große Mauerpforte anschließen.
Viele Einzelbeispiele verdeutlichen: Die Architektur der Zisterzienser besticht durch Funktionalität – kleine Treppen führen vom Schlafraum direkt in den Kirchenraum – und ästhetische Eleganz, die Schlichtheit und ausgeprägten Sinn für Raum und Klangerlebnis miteinander verbindet.
Als Charakteristikum für Zisterzienserkirchen etwa gilt cum grano salis der Verzicht auf figürliche Abbildungen, vor allem auf erzählerisch gestaltete Bildmotive in Glasfenstern. Stattdessen findet man dort wie auch auf Fußböden geometrische Motive, die sich zumeist wiederholen. Sie sollen Konzentration und Meditation der Mönche fördern. "Der Blick schweift nicht ab, die Wiederholung weckt keine Neugier."
Rüffer führt die Leser in eine Welt, die man in Filmen wie etwa "Der Name der Rose" und "Vaya con dios" oft nur als Kulissen wahrnehmen kann. Doch geht der Autor weit über das Vordergründige hinaus und macht mit Frömmigkeit und Realitätssinn der Zisterzienser vertraut. Spiritualität in Stein.
Nicht immer sind lateinische Zitate übersetzt, doch kann dies den Genuss der Lektüre nicht schmälern. Ein faszinierendes Buch.
Rezensiert von Thomas Kroll
Jens Rüffer: Die Zisterzienser und ihre Klöster. Leben und Bauen für Gott
Primus Verlag, Darmstadt 2008
208 Seiten, 39,90 Euro
In seiner Studie "Die Zisterzienser und ihre Klöster" widmet sich Jens Rüffer den Anfängen des Zisterzienserordens und dessen Bautätigkeiten im 12. und 13. Jahrhundert. Der Untertitel "Leben und Bauen für Gott" deutet an, dass dabei sowohl spirituelle Basis als auch irdische Grundlagen des Klosterlebens in den Blick kommen.
Im Jahr 1098 verlässt der Benediktinermönch Robert von Molesme mit 21 weiteren Mönchen seine Mutterabtei Molesme südlich von Dijon. Die Männer wollen wieder strenger nach der Ordensregel des heiligen Benedikts leben und gründen das Kloster Cîteaux.
Das neue Kloster wird zum Ausgangspunkt einer Reformbewegung, die alle Bereiche des benediktinischen Mönchslebens umfasst: Administration, Ökonomie, Spiritualität, Liturgie und Architektur. Zugleich markiert der Auszug der Mönche aus Molesme den Beginn einer reichen Bautätigkeit in Europa. Allein bis zum Tod des heiligen Bernhard von Clairvaux (1153), des wohl prominentesten Zisterziensers, entstehen etwa 350 neue Abteien in ganz Europa.
Jens Rüffer versteht Architekturgeschichte "als lebendige, quellenbasierte Kulturgeschichte" und führt mit Hilfe umfangreichen Bildmaterials sowie zahlreicher Zitate eine Fülle an Dokumenten aus Stein und Pergament vor Augen. Dabei verweist der Berliner Forscher mehrfach auf Wege und Irrwege der Forschung.
So gelten Zisterzienser weithin als "Missionare der Gotik". Doch wird man eher ernüchternd festhalten müssen, dass weder ein zisterziensischer Baustil noch das Wirken eigener zisterziensischer Baumeister und Bauhütten nachzuweisen ist. Der Beitrag der Zisterzienser "hinsichtlich der Verbreitung innovativer gotischer Architekturformen [war] – mit Ausnahme Englands – eher marginal."
Nach einer historischen Einführung wendet sich Rüffer vor allem der inneren Klausur zu, dem Herz der Zisterzienserklöster. Dazu zählen der zentrale Kreuzgang, an den sich im Idealfall die Klosterkirche im Norden und im Osten die Gebäude der Mönche, etwa Bücherraum und Kapitelsaal, anschließen. Letzterer ist neben der Kirche der bedeutsamste Klosterraum für das geistliche Leben der Mönche. Seinen Namen erhielt er von der täglichen Lektüre eines Kapitels aus der Ordensregel Benedikts.
Im Süden hingegen findet man Wärmehaus, Küche und Speisesaal der Mönche. Hier steht die Sorge um den Körper im Vordergrund. Die Gebäude der Laienbrüder im Westen vollenden den inneren Gebäudekreis, an den sich oft weitere Gebäude wie Werkstätten, Gästehaus und eine große Mauerpforte anschließen.
Viele Einzelbeispiele verdeutlichen: Die Architektur der Zisterzienser besticht durch Funktionalität – kleine Treppen führen vom Schlafraum direkt in den Kirchenraum – und ästhetische Eleganz, die Schlichtheit und ausgeprägten Sinn für Raum und Klangerlebnis miteinander verbindet.
Als Charakteristikum für Zisterzienserkirchen etwa gilt cum grano salis der Verzicht auf figürliche Abbildungen, vor allem auf erzählerisch gestaltete Bildmotive in Glasfenstern. Stattdessen findet man dort wie auch auf Fußböden geometrische Motive, die sich zumeist wiederholen. Sie sollen Konzentration und Meditation der Mönche fördern. "Der Blick schweift nicht ab, die Wiederholung weckt keine Neugier."
Rüffer führt die Leser in eine Welt, die man in Filmen wie etwa "Der Name der Rose" und "Vaya con dios" oft nur als Kulissen wahrnehmen kann. Doch geht der Autor weit über das Vordergründige hinaus und macht mit Frömmigkeit und Realitätssinn der Zisterzienser vertraut. Spiritualität in Stein.
Nicht immer sind lateinische Zitate übersetzt, doch kann dies den Genuss der Lektüre nicht schmälern. Ein faszinierendes Buch.
Rezensiert von Thomas Kroll
Jens Rüffer: Die Zisterzienser und ihre Klöster. Leben und Bauen für Gott
Primus Verlag, Darmstadt 2008
208 Seiten, 39,90 Euro