Spöttische Novelle über Wohl und Wehe des Schriftstellerlebens
Schreibblockaden haben, so tragisch sie für den einzelnen auch sein mögen, immer einen Anstrich von Komik, zumindest für diejenigen, die von außen dabei zusehen. So auch in Rainer Wieczoreks "Tuba-Novelle", in der ein namenloser Erzähler davon berichtet, wie es ihm nicht gelingt, einen Essay über Becketts Aufenthalte in seinem Landhaus zu schreiben.
Dazu hat er sich just in dieses Haus in Ussy-sur-Marne begeben, wohin der große Dramatiker sich immer vor dem Pariser Trubel zurückzog, um Ruhe zu haben. Für seine Arbeit ist der junge Mann gut vorbereitet, neben eigenen klugen Gedanken ist eine kleine Reisebibliothek mit wichtigen Beckett-Werken zur Hand sowie die jüngsten Biografien über ihn.
Dann lässt sich gegenüber, im "Spanischen Haus", ein Tubaspieler, nieder. Täglich bläst der jetzt seine Übungen, Tonleitern, Arpeggi und Pralltriller in die ländliche Einsamkeit. Die Ruhe ist dahin, und an Selbstversenkung, die der Erzähler für das konzentrierte Schreiben braucht, ist nicht mehr zu denken. Wochen vergehen, verzweifelt versucht er gegen das lauteste aller Blechinstrumente anzukämpfen, während der Tubaspieler immer besser vorankommt.
Virtuos, wie Rainer Wieczorek dieses Duell zwischen zwei ungleichen Protagonisten anlegt: als Widerstreit zwischen den großen Kunstformen, der Literatur und Musik, aus dem schon die Romantiker Funken schlugen. Nicht von ungefähr wählt er dafür das Genre der Künstlernovelle, das damals besonders beliebt war, erlaubt es doch krisenhafte Konflikte auf engem Raum wie in einem Dampftopf zu verdichten.
Um sein Thema von der künstlerischen Produktivkraft der Störung zu intonieren, nutzt er geschickt immer wieder Details aus Becketts Biografie. Der Nobelpreisträger wurde in Ussy ebenfalls von (Schreib-)Hemmungen heimgesucht – ein zu Unzeiten mit seinem Gewehr knallender Jäger hatte sich direkt neben ihm niedergelassen, was den Erzähler zu skurrilen Räsonnements darüber veranlasst, inwieweit die zunehmende Verknappung in Becketts späten Stücken sich eben dieser Plage verdankt. Parallel dazu erinnert sich der blockierte Held an seine Kindheit, in der sein musizierender Vater den Sohn nur als behelligend empfand.
So altmodisch sein Genre auch sein mag, Wieczoreks Sprache ist knapp, präzise und von musikalischer Beschwingtheit, sie kommt ohne ästhetische Posen und mit einer sparsam gehandhabten Metaphorik aus. Während sich die Geschichte über die Unmöglichkeit zu schreiben slapstickartig zuspitzt, während der erhoffte Beitrag zur Beckett-Welt misslingt, gelingt eine fein gearbeitete Etüde über den Zauber der Musik und ein wirklich komisches Kabinettstück darüber, wie überflüssige Hervorbringungen in der Kunst vermieden werden, ganz so, als ließen Wolfgang Hildesheimers "Lieblose Legenden" grüßen.
Bis er mit "Warten auf Godot" weltberühmt wurde, brachte Beckett es über viele Jahre hinweg auf sage und schreibe knapp 30 verkaufte Exemplare seiner Bücher. Nicht nur ein paar mehr möchte man Wieczorek für seine spöttische Novelle über Wohl und Wehe des Schriftstellerlebens schon wünschen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Rainer Wieczorek: Tuba-Novelle
Dittrich Verlag, Berlin 2010
120 Seiten, 14,80 Euro
Dann lässt sich gegenüber, im "Spanischen Haus", ein Tubaspieler, nieder. Täglich bläst der jetzt seine Übungen, Tonleitern, Arpeggi und Pralltriller in die ländliche Einsamkeit. Die Ruhe ist dahin, und an Selbstversenkung, die der Erzähler für das konzentrierte Schreiben braucht, ist nicht mehr zu denken. Wochen vergehen, verzweifelt versucht er gegen das lauteste aller Blechinstrumente anzukämpfen, während der Tubaspieler immer besser vorankommt.
Virtuos, wie Rainer Wieczorek dieses Duell zwischen zwei ungleichen Protagonisten anlegt: als Widerstreit zwischen den großen Kunstformen, der Literatur und Musik, aus dem schon die Romantiker Funken schlugen. Nicht von ungefähr wählt er dafür das Genre der Künstlernovelle, das damals besonders beliebt war, erlaubt es doch krisenhafte Konflikte auf engem Raum wie in einem Dampftopf zu verdichten.
Um sein Thema von der künstlerischen Produktivkraft der Störung zu intonieren, nutzt er geschickt immer wieder Details aus Becketts Biografie. Der Nobelpreisträger wurde in Ussy ebenfalls von (Schreib-)Hemmungen heimgesucht – ein zu Unzeiten mit seinem Gewehr knallender Jäger hatte sich direkt neben ihm niedergelassen, was den Erzähler zu skurrilen Räsonnements darüber veranlasst, inwieweit die zunehmende Verknappung in Becketts späten Stücken sich eben dieser Plage verdankt. Parallel dazu erinnert sich der blockierte Held an seine Kindheit, in der sein musizierender Vater den Sohn nur als behelligend empfand.
So altmodisch sein Genre auch sein mag, Wieczoreks Sprache ist knapp, präzise und von musikalischer Beschwingtheit, sie kommt ohne ästhetische Posen und mit einer sparsam gehandhabten Metaphorik aus. Während sich die Geschichte über die Unmöglichkeit zu schreiben slapstickartig zuspitzt, während der erhoffte Beitrag zur Beckett-Welt misslingt, gelingt eine fein gearbeitete Etüde über den Zauber der Musik und ein wirklich komisches Kabinettstück darüber, wie überflüssige Hervorbringungen in der Kunst vermieden werden, ganz so, als ließen Wolfgang Hildesheimers "Lieblose Legenden" grüßen.
Bis er mit "Warten auf Godot" weltberühmt wurde, brachte Beckett es über viele Jahre hinweg auf sage und schreibe knapp 30 verkaufte Exemplare seiner Bücher. Nicht nur ein paar mehr möchte man Wieczorek für seine spöttische Novelle über Wohl und Wehe des Schriftstellerlebens schon wünschen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Rainer Wieczorek: Tuba-Novelle
Dittrich Verlag, Berlin 2010
120 Seiten, 14,80 Euro