Sport mit Spenderorgan
Die Präzisionssportart Pétanque, ähnlich wie Boule, ist bei Transplantierten beliebt und wird auch bei Deutschen Meisterschaften gespielt. © Sabine Lerche
Ein zweites Leben
06:32 Minuten
Körperliche Bewegung hat einen gesundheitsfördernden Effekt – auch nach einer Organtransplantation. Besonders Ausdauer- und Präzisionssportarten sind gut geeignet. Unsere Kollegin hat Sportler getroffen, die mit einem Spenderorgan leben.
Eine Tischtennishalle in Duisburg: Torsten Wetzel führt mit 2:0-Sätzen. Er gewinnt auch den dritten. Torsten Wetzel ist Mitte 40 und spielt Tischtennis, seit er sieben Jahre alt ist. Daran hat auch die Lebertransplantation vor sechs Jahren nichts geändert.
"Ich habe den Anruf, dass das Organ da ist, an einem Abend bekommen - nach einem Tischtennisspiel. Fünf oder sechs Wochen nach der Transplantation war ich wieder am Tisch und habe gespielt."
Sein Leistungsniveau konnte Wetzel halten. Die Transplantation gab ihm zudem die Möglichkeit, an Wettkämpfen, auch international, für Transplantierte teilzunehmen.
Sportfeste sollen zu aktivem Lebensstil motivieren
In Deutschland gibt es seit über 40 Jahren die Deutschen Meisterschaften für Transplantierte. Es sind Sportfeste mit einem sehr familiären Rahmen von 100 bis 150 Teilnehmern.
Die Wettkämpfe sollen den Patienten nach der Organtransplantation ein Ziel geben und sie zu regelmäßiger Bewegung motivieren.
"Es gibt so ein Ziel, zu sagen, man greift wieder an oder steigt wieder ein ins Leben. Am Anfang nach einer Transplantation ist der ‚Sport‘, die erste Runde in der Station zu laufen, mit den ganzen Tropf und was man da alles angehängt bekommen hat."
Doch das ist Vergangenheit: Jetzt schwimmt der Nieren- und Lebertransplantierte Robert Grabowski gegen andere Athleten um Bestzeiten.
Mit ihm im Wasser sind Thomas Rack und Alexandra Funk:
Thomas Rack:
"Man kann sich vorher nicht vorstellen, wie lebt man mit einem Spenderorgan? Es war einfach auch wieder so ein Lebensgefühl, zu sagen: Es funktioniert wieder, die Leber funktioniert - und ich bin wieder mitten im Leben."
Alexandra Funk:
"Dass wir hier das beste Beispiel dafür sind, dass Organspende funktioniert, dass wir auch wirklich gut darauf aufpassen und auch ja durch unseren Sport einfach dafür sorgen, dass das Organ auch noch lange bei uns bleibt."
Mit Sport Nebenwirkungen vermindern
Eberhard Schollmeyer ist 2. Vorsitzender von TransDia Sport Deutschland, einem Verein, der sich für den Sport von Transplantierten und Dialysepatienten einsetzt. Er erklärt:
Man kann und soll sich auch regelmäßig belasten und Sport treiben. Das gilt im Grunde für alle Organe. Natürlich ist die Leistungsfähigkeit immer eine etwas gedämpfte, aber im Grundsatz gilt, und das ist auch weltweit so, dass Organtransplantierte sich regelmäßig bewegen sollen.
Denn die Immunsuppressiva, die Medikamente, die Transplantierte nehmen müssen, damit ihr Körper das fremde Organ nicht abstößt, haben Nebenwirkungen, können zu erhöhten Blutfettwerten, Diabetes mellitus oder auch Muskelschwäche führen.
Sport kann dem entgegenwirken.
Auspowern heißt bei Nehar Nurlu sechs- bis achtmal Training in der Woche. Er ist Leichtathlet, hat eine neue Leber und mit dieser mehrere Weltmeistertitel bei den Transplantierten gewonnen.
"Das Herz braucht besondere Sportarten"
In Deutschland stehen über 8000 Menschen auf der Warteliste für ein neues Organ. Im Durchschnitt kommen auf eine Million Einwohner bundesweit etwa zehn Spenderinnen oder Spender.
Auf eine neue Niere warten die Patienten mitunter bis zu neun Jahren. Auf ein neues Herz warten 40 Prozent vergeblich.
Ralf Struckhof hat 2015 ein neues Herz bekommen:
"Das Herz braucht schon besondere Sportarten. Sprint mit neuem Herzen geht nicht so gut."
Struckhof hat früher Fußball gespielt. Das ist mit dem neuen Herzen zu riskant. Sportarten mit viel Körperkontakt, Sturzgefahr und hohem Verletzungsrisiko sind für Transplantierte generell weniger geeignet.
Deshalb schwimmt Struckhof seit der Transplantation, macht Ausdauerläufe, fährt Rennrad und spielt Dart.
Das ‚Problem‘ bei den transplantierten Herzen ist, dass die Herzen nicht mehr mit Nerven verbunden sind. Die werden einfach nicht mittransplantiert. Das heißt, mein Herz wird nur noch durch Hormone gesteuert und nicht mehr wie bei jemand anderem durch den Kopf. Das springt also immer später an. Und das merke ich beim Radfahren sehr stark: Wenn es den Hügel hoch geht, habe ich Probleme. Ich kann aber ohne Probleme 100 Kilometer Radfahren.
Bei Chantal Bausch hatte eine Herzmuskelentzündung ihr Herz so geschädigt, dass sie als Jugendliche ein neues Herz brauchte.
Sie sagt:
"Dass man überhaupt so sportlich nach einer Transplantation sein kann, das war mir damals nicht bewusst."
Schon als Kind hat die 31-Jährige viel Tennis, Hockey und Golf gespielt.
"Mein Fokus war erst mal auf dem Überleben, ob man dann Hockey spielt oder nicht, das war erst einmal relativ egal in dem Moment, sondern einfach erst mal überleben."
Mit Spenderherz bis in die Hockey-Bundesliga
Als sie dann aber wieder fitter war, bekam Chantal Bausch auch wieder Lust auf Hockey.
"Meine Freundinnen sind alle beim Hockey, dann hatte ich irgendwie gedacht: Da wäre ich auch gern mal wieder."
Aber die Rückkehr auf den Platz nach in der Summe einem Jahr Krankenhaus war nicht so leicht:
"Ich war vorher Stürmerin. Aufgrund meiner konditionell nicht mehr vorhandenen Ausdauer durch den langen Krankenhausaufenthalt hatte ich gedacht, es ist eine gute Idee, erst mal ins Tor zu gehen. Aber da bin ich dann nie wieder rausgekommen."
Trotz ihres vermeintlichen Handicaps schafft es Chantal Bausch mit dem Bremer HC in die Hockey-Bundesliga.
Jetzt nach Ende ihrer aktiven Karriere bedeutet Sport für sie vor allem Dankbarkeit, leben zu dürfen:
"Wenn ich dann hier auf dem Tennisplatz stehe oder Golf spiele, dass ich manchmal so innehalte und denke: Verrückt, wie frei man ist und wie uneingeschränkt ich mich bewegen kann. Ich genieße das sehr und finde es nach wie vor unglaublich faszinierend, was mir durch die Transplantation alles möglich gemacht wurde."