Mehr Bewegung für Kinder
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Ballspielen, Schwimmen, Tanzen: Sportangebote sind das Herz von Sportvereinen. Inzwischen gibt es immer mehr Klubs, die sich auch sozial engagieren. Profi- und Amateurvereine haben sich zur Initiative „Sport vernetzt“ zusammengefunden.
Hochhäuser mit bis zu 25 Etagen: Eingebettet in Grünanlagen liegt die Berliner Gropiusstadt, die im November 60 Jahre alt wird. 1962 die Grundsteinlegung durch Bauhaus-Gründer Walter Gropius und den früheren Regierenden Bürgermeister Willy Brandt.
Kooperation mit Kitas und Schulen
Rund 37.000 Menschen leben dort, etwa 38 Prozent mit Migrationshintergrund. Ähnlich wie im Ballungsraum Marzahn, im Prenzlauer Berg und im Wedding ist Alba Berlin, der deutsche Basketballmeister und Initiator von „Sport vernetzt“, auch am südlichen Stadtrand bereits seit Längerem aktiv mit seiner Idee: Der Sportverein kommt zu Kindern in Kitas und Schulen.
Philipp Hickethier, Leiter des Ressorts Sport und Bildung: „Konkret ist es so, dass wir mit acht Kitas zusammenarbeiten, zehn Schulen, und an diesen Kitas und Schulen bieten wir zusätzliche Sport- und Bewegungsangebote an.“
48 Prozent der Kinder in der Gropiusstadt leben in Armut. Alltagsbewegung ist für viele Mädchen und Jungen ein Fremdwort. Dort, wo mehrheitlich Sozialbauwohnungen stehen, gab es viele Jahre nur wenige kulturelle und sportliche Angebote. Inzwischen gibt es davon einige. Quartiersmanagerin Selma Tuzlali berichtet:
„Wir haben eine sogenannte Gropiusmeile. Das ist eine Fitnessmeile, die sich über mehrere Kilometer hinzieht und auch einen Platz hat, wo mehrere Fitnessgeräte zusammenstehen, damit Menschen auch in der Gruppe Sport machen können, aber es ist leider so, dass nicht viele diese Angebote nutzen.“
Ein nicht nur philanthropischer Ansatz
Das negative Bild, welches Außenstehende bis weit in die 90er-Jahre von der Gropiusstadt hatten, hat sich in den letzten Jahren auch durch das Engagement von Alba verändert, wie Philipp Hickethier erklärt. Und weiter:
„In unserem Programm haben wir mittlerweile 150 Partnerschulen in Berlin und 50 Partnerkitas, und von dieser Gesamtanzahl von 200 Bildungsinstitutionen sind round about 75 Prozent eher in sozial benachteiligten Gebieten."
Bei allem sozialen Einsatz macht sich der Verein aber auch ehrlich und verfolgt nicht nur den philanthropischen Ansatz:
"Dass wir es natürlich wollen, dass irgendwann mal ein Leistungsbasketballer dort rauskommt, weil wir das andererseits auch identitätsstiftend finden für so einen Raum, wenn man sagen kann, der Junge oder das Mädchen, das dort spielt in der Bundesligamannschaft, kommt aus der Gropiusstadt."
14 Standorte bundesweit
Ortswechsel: Im Institut für Sportwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität hat „Sport vernetzt“ zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Auch Alba-Projektleiter Hendrik Brösel ist dabei:
„Dass man bewusst in belastete Räume geht, wo es Kinder nicht so einfach haben, in den Sport einzusteigen, dass diese Arbeit, die wir hier durchführen, deutschlandweit übertragbar ist – das rollen wir jetzt gemeinsam mit der Stiftung aus. Wir werden unterstützt von der Auridis-Stiftung und auch von der Beisheim-Stiftung.“
14 Standorte gibt es derzeit bundesweit. Inzwischen existiert „Sport vernetzt“ ein gutes Jahr. Mit dabei sind neben Alba auch Fußball-Bundesligist Werder Bremen und mehrere Amateurklubs.
Profis sollen Amateuren helfen
Igor Ryabinin, Albas Leiter für Soziales und Nachhaltigkeit, entwickelte das Konzept mit. Er ergänzt: „Wobei wir schon feststellen, den Profivereinen, die im Hauptamt stärker organisiert sind, denen fällt es auch leichter, unseren Ansatz umzusetzen. Während die Vereine, die mehr aus dem Breitensport kommen, mehr Zeit brauchen, um da reinzuwachsen. Aber das gelingt auch.“
Zum Beispiel beim Mehrspartenverein Aeltere Casseler Turngemeinde von 1848. 60 bis 70 Prozent der Mitglieder sind im Basketball aktiv. Der erste Vorsitzende, Cedric Toth, sagt:
„Im Kasseler Raum bespielen wir inzwischen zwei Sozialräume. Wir haben insgesamt über 30, 40 Kooperationen mit Grundschulen, weiterführenden Schulen und Kitas. Stemmen können wir das nur über die Hilfe von ganz vielen Akteuren bei uns in der Stadt. Das heißt, wir zeigen uns bei Familiennetzwerktreffen, bei Stadtteilarbeitskreisen und machen uns dort bei den Akteuren bekannt.“
„Sport vernetzt“ versteht sich als Initiative, in der Profis den Amateuren helfen, wenn diese es wünschen. Die Initiative konzentriert sich aber nicht ausschließlich auf Sportvereine. Auch Hochschulen, Schulen, Stadtsportbünde und Quartiersmanagements wie in der Berliner Gropiusstadt können sich beteiligen. Jeder, der mitmachen will, ist herzlich eingeladen.
Lebenslanges Sporttreiben fördern
Der Leiter für Soziales und Nachhaltigkeit bei Alba Berlin, Igor Ryabinin, erklärt: „Das, was wir verfolgen, ist eine große Idee, ist eine neue Sportidee für Deutschland, die sich darum dreht: Wie gelingt der Einstieg in den Sport? Wie werden Kinder Sportlerinnen?“
Dabei verfolgt „Sport vernetzt“ den Ansatz, in der Kindheit den Grundstein für lebenslanges Sporttreiben zu legen. Die Initiative will keine Konkurrenz zu sozialen Trägern sein, die den Sport für ihre Arbeit nutzen, sondern sich vielmehr mit diesen koordinieren.
Wenn alle gemeinsam die Potenziale erkennen und fördern, die in diesem Projekt stecken, kann die Gesellschaft insgesamt davon nur profitieren.