Das Rhönrad wird 90 Jahre alt
Dem Rhönrad haftete lange Zeit ein Nazi-Image an, weil es auch bei den Olympischen Spielen 1936 präsentiert wurde. Davon wissen junge Sportler heute kaum noch etwas. Viel Beachtung findet das Rhönrad-Turnen trotzdem nicht.
"Einer seltenen Sportart huldigen jene Turnbrüder- und Schwestern, die sich in der Finnentroper Festhalle für die Deutsche Meisterschaft im Rhönrad bewarben. Bundesobmann Meis hatte sicher nicht zu viel gesagt, als er im Programmvorwort meisterhafte Leistungen ankündigte und feststellte, dass die Entwicklung bewegungstechnisch noch nicht abgeschlossen sei."
Im Oktober 1965 war das. Zu dieser Zeit war das ungewöhnliche Sportgerät mit den zwei Stahlreifen, zwischen denen Sprossen, Griffe und Fußbretter befestigt sind, schon zu einigen Höhen empor gerollt, aber auch durch manche Tiefen getrudelt. In einem Brief von 1932 erklärte der Rhönrad-Erfinder Otto Feick, wie alles angefangen hatte. Der Sammler Gerd Häßler aus Feicks Geburtsort Reichenbach-Steegen in der Pfalz kennt das Schriftstück und weiß, ...
"... dass er bei seinem Großvater in der Schmiede in Reichenbach sich als Kind so zwei Wagenreifen nahm, hat die miteinander verbunden, seine Füße festgebunden und ist einen Abhang hinunter gerollt."
1922 baute der umtriebige Eisenbahner und Arbeiterführer in Ludwigshafen erstmals ein Modell des neuen Sport-Rades. In der Rhön, der Heimat seiner Frau, tüftelte Feick weiter am Rad. Und im November 1925 erhielt er das Patent auf sein "Reifen-, Turn- und Sportgerät", das er ein Jahr später als Rhönrad schützen ließ.
Rhönräder beim Militär
Zu Gerd Häßels zahlreichen wertvollen Fundstücken rund um das Rhönrad-Turnen gehören auch 20 Räder, darunter eines aus einer ehemaligen russischen Kaserne in der Lausitz.
"Es gab ja auch 1938 schon in Russland eine Militärdienstvorschrift über das Rhönrad-Turnen. In England wurden ab 1925 Rhönradvorführungen gemacht und die Air Force, die hat ihren Fliegern das Rhönrad-Turnen verordnet, um auch Überschläge zu simulieren, ähnlich, wenn man mit dem Flugzeug unterwegs ist."
Dem Erfinder gelang es in den 30er-Jahren, das Rhönrad im In- und Ausland bekannt zu machen. Auch die Nazis erkannten den sportlichen und ästhetischen Reiz des ungewöhnlichen Sportgerätes und engagierten Otto Feicks Schau-Gruppe für mehrere Aufführungen im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936. So haftete dem Rhönrad bis in die 70er-Jahre das Nazi-Image an und verhinderte eine größere Verbreitung des Sports, im Inland genauso wie im Ausland.
Davon wissen die jungen Sportler von heute kaum noch etwas. Sie lieben die drei Disziplinen ihres Rhönrad-Turnens, das Geradeausturnen, das Spiraleturnen und den Sprung - und finden sie einfach nur faszinierend und schön. Die Spitzensportler haben eine turnerische Grundausbildung, denn die artistischen Übungen im Rad erfordern einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn, gute Orientierungsfähigkeit und Koordination, sowie Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit.
Wettbewerbe meist vor leeren Rängen
Viel Medienbeachtung erfahren die trainingsfleißigen und erfolgreichen Athleten jedoch nicht. Mit Ausnahme von Großveranstaltungen wie Welt- oder auch Deutschen Meisterschaften finden ihre Wettbewerbe meist vor leeren Rängen statt, bedauert auch Sarah Metz, amtierende Weltmeisterin im Sprung.
"Es ist natürlich nicht zu vergleichen mit anderen Sportarten, wo die Weltmeister eigentlich bei jedem bekannt sind, also viele wissen auch gar nichts mit dem Wort Rhönrad anzufangen."
Auch der Deutsche Turnerbund behandelt das Rhönradturnen recht stiefmütterlich, erklärt die Bundestrainerin Katja Homeyer
"Wir sind im DTB halt dadurch, dass wir nicht olympisch sind, stehen wir sehr als Randsportart da und kriegen entsprechend wenig Gelder und müssen dann halt viel selber finanzieren oder eigentlich alles selber finanzieren."
Doch die Bundestrainerin ist zuversichtlich. Nachwuchssorgen hat sie nicht, auch wenn sie sich noch mehr Rhönrad-Turner wünscht. Und mit den geplanten Veränderungen, die den Sport für Zuschauer und Medien attraktiver machen sollen, schaut Katja Homeyer optimistisch in die Zukunft.
"Wir versuchen jetzt auch generell international die Wettkämpfe kürzer und attraktiver zu gestalten, dass der Zuschauer auch ein bisschen mehr involviert ist in das ganze Geschehen."