Umgang mit Herzproblemen

Wie Sportler mit einem Defibrillator leben

06:30 Minuten
Katharina Bauer beim Stabhochsprung bei der deutschen Meisterschaft 2021
Stabhochspringerin Katharina Bauer betreibt ihren Sport inzwischen mit Defibrillator. © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Wolf-Sören Treusch  |
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Mit einem Defibrillator kann das Risiko für Sportlerinnen und Sportler mit Herzproblemen reduziert werden. Die Leistungssportlerin Katharina Bauer und der Breitensportler Nikolaus Hillmann sprechen über ihre Erfahrungen.
Mai 2014: Beim Stabhochsprung-Meeting in der baden-württembergischen Kleinstadt Bönnigheim überspringt Katharina Bauer 4,55 Meter. Es ist der Beginn einer vielversprechenden Stabhochsprungkarriere.
Drei Jahre später der erste Schock: Eine kardiologische Untersuchung ergibt, dass ihr Herz 18.000 Mal häufiger am Tag schlägt als ein gesundes Herz. Katharina Bauer wird operiert und kämpft sich zurück in die Leistungsspitze.
2018 wird sie mit 4,51 Metern Deutsche Meisterin in der Halle. Dann der nächste Schock: Die Herzrhythmusstörungen melden sich zurück. Die Ärzte machen der Sportlerin unmissverständlich klar: Sie ist hochgradig gefährdet, einen plötzlichen Herztod zu erleiden.

Dieser Moment, als mir das gesagt wurde, habe ich gedacht, das wäre ja wirklich grauenhaft: Mein Leben ist jetzt vorbei.

Leistungssportlerin Katharina Bauer

Die Ärzte raten ihr, sich einen ICD einsetzen zu lassen, einen implantierbaren Cardioverter-Defibrillator, kurz Defi. Die sicherste Methode, Patienten vor akut auftretenden, schnellen und lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen zu schützen, dem sogenannten Kammerflimmern. 

Lebensretter wiegt 130 Gramm

„Mit dem Defi, haben sie auch gesagt: ‚Damit kann man keinen Leistungssport machen, das ist auch gar nicht machbar, das hat auch noch keiner gemacht‘“, erzählt sie. „Aber dadurch, dass sie mich kannten, mussten sie lachen und haben gesagt: ‚Gut, probiere es halt einfach aus.‘“
Auf eigenes Risiko macht Katharina Bauer weiter mit dem Leistungssport. Ihr subkutaner Defibrillator sitzt unter der Haut, unter dem Latissimus-Muskel, dem großen Rückenmuskel, dort, wo er sie beim Stabhochsprung am wenigsten stört und Herz und Gefäße unberührt bleiben.
Ihr 130 Gramm leichter Lebensretter fliegt immer mit. Mittlerweile, sagt Katharina Bauer, spüre sie den Defi gar nicht mehr. Ein Stück Restunsicherheit jedoch bleibe. Davor, dass der Defi einen falschen Alarm auslöst, beispielsweise aufgrund einer defekten Elektrode.
„Ich hatte schon mal einen Fehlschock, ja, das hat mir Angst gemacht. In dem Moment, klar“, erinnert sie sich. „Aber ich habe danach Hypnose gemacht, drei Tage später mit meiner Mutter, und sie hat mir die Angst genommen. Seitdem ist das überhaupt kein Problem mehr für mich.“

"Ich habe heftigst mit mir gerungen"

Nikolaus Hillmann hat seinem Defi einen Namen gegeben: „Otto der Erste ist das, weil ich gehe ja davon aus, noch mehrere zu kriegen, und das ist jetzt sozusagen der Erste“, erzählt er.
Im Oktober 2019 erleidet der Hörfunkjournalist vom RBB zunächst einen Herzinfarkt, noch am selben Tag muss er zwei Mal wegen Kammerflimmerns wiederbelebt werden. Die Ärzte empfehlen ihm einen transvenösen Defibrillator. Dabei wird die Elektrode über eine Armvene im Bereich des Schlüsselbeins in das rechte Herz eingeführt.
Dieser Defi fungiert als Lebensretter bei Rhythmusstörungen, dient aber auch als Schrittmacher, falls das Herz mal zu langsam schlägt – wie bei Nikolaus Hillmann.

Ich habe wirklich drei, vier Monate heftigst mit mir gerungen. Ich dachte nach meinem Herzinfarkt: Ich kriege alles wieder hin, und alles wird wieder gut und fast so wie vorher. Bis ich dann begriffen habe, dass dem nicht so ist, und bis ich dann begriffen habe, dass ich so ein Hilfsmittel brauche, dass das sinnvoller und sicherer ist für mich, habe ich sehr lange gebraucht.

Ich musste mich eben daran gewöhnen, dass das keine Niederlage ist, sondern wirklich eine große Hilfe.

Nikolaus Hillmann, Breitensportler

Natürlich musste er sich an den implantierten Rettungssanitäter erst gewöhnen. Heute nimmt er ihn nur noch beim Duschen wahr: als Beule oben an der Schulter. Nikolaus Hillmann arbeitet als Sportredakteur, treibt selbst gern Sport. Sein Arzt sagt ihm, er könne alles machen, was den Schulterbereich nicht zu sehr beanspruche. Extreme Armbewegungen solle er vermeiden. Der Journalist hält sich dran.
„Wenn ich meinen Sport mache, ich gehe ja Schwimmen, geht eben extremes Kraulen mit voll Durchziehen auf der linken Seite nicht“, erzählt er. „Da muss ich mich schon ein bisschen zurückhalten. Aber auch da kann man sich dran gewöhnen.“

20.000 Defis werden jährlich implantiert

Langsam fängt er auch wieder mit dem Rückenkraulen an, eine Disziplin, die für den Schulterbereich besonders anspruchsvoll ist.
Dennoch bleibt er vorsichtig: „Jedes Mal, bevor ich schwimmen gehe, gehe ich zum Bademeister und sage: ‚Bitte, habe ein Auge auf mich.‘ Weil: Ich habe ja diesen Apparat, kann sein, dass der mal losgeht.“
In Deutschland sind Erkrankungen des Herzens und seiner Gefäße nach wie vor Todesursache Nummer eins. Die moderne Herzmedizin will das ändern, unter anderem mithilfe von Defibrillatoren. Jedes Jahr werden mehr als 20.000 von ihnen implantiert – Tendenz steigend.

Lob für Eriksens Umgang mit Herzproblemen

Nikolaus Hillmann, 59, und Katharina Bauer, 31, sind überzeugt: Sich einen Defi einsetzen zu lassen, ist eine Entscheidung fürs Leben. Und bei aller Risikoabwägung und Vorsicht: auch eine für den Sport. Beide finden es daher richtig, dass der dänische Fußballer Christian Eriksen den Weg zurück in den Profisport gefunden hat.
„Der ist mutig. Ich finde das gut“, sagt Nikolaus Hillmann. „Warum sollte der da irgendwie eingeschränkt sein? Natürlich muss er da ein entsprechendes Polster haben, damit das Gerät nicht beschädigt wird oder das Kabel, und wenn sein Herz in einem guten Zustand ist, und die Ärzte sagen: Das ist okay, das kann er machen, diese Belastungen, die sind ja hoch. Dann soll er das machen.“

Jeder Mensch darf für sich selbst entscheiden, was er tut und wie weit er gehen möchte. Ich kenne es ja selber: Dieses Feuer in einem drin, dass man die Sportart weiter ausüben möchte und diese Leidenschaft dafür, das kann man nicht einfach mal ausbremsen.

Katharina Bauer

Katharina Bauer ist auch immer noch dabei. Im Juni stehen die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Berlin an, im August die European Championships in München.
„Und dann möchte ich mir noch den Traum von Olympia erfüllen. Das wäre 2024 in Paris", sagt sie.

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