Sportmedizin

Die Freiburger Universität als Doping-Küche

Doping
Eine Spritze: Athleten aus ganz Deutschland ließen sich in Freiburg behandeln. © picture alliance / dpa / Foto: Patrick Seeger
Von Michael Brandt |
Die Sportmediziner der Universität Freiburg waren einst hoch angesehen. Nach Bekanntwerden der gedopten Telekom-Radfahrer 2007 begann eine schwierige Aufarbeitung, denn die Freiburger Mediziner hatten seit den 60ern Sportler mit Doping-Präparaten versorgt - diese Seilschaften halten bis heute.
Freiburg im Breisgau, Münsterplatz, sechs Uhr abends. Im ganzen Land ist es ein kühler, regnerischer Tag, aber hier sind die Temperaturen angenehm. So angenehm, dass die Außentische der traditionsreichen Weinstube Oberkirch besetzt sind. Wenn man wissen will, was Freiburg so attraktiv macht, kommen die Antworten schnell:
"Der Wein in Freiburg selbst und am Tuniberg, wo wir wohnen, wir lieben Frankreich, wir lieben die Schweiz und wir lieben den Schwarzwald, besser kann man’s nicht haben."
Die Lebensart in Freiburg, ja einfach die wunderschöne Stadt, die lebendige Stadt, die aber nicht zu groß ist, also noch überschaubar, das kulturelle Angebot gefällt mir sehr gut, das Genießerische hier, auch das Rundum, mit dem Wein und den Straußwirtschaften, man hat einen hohen Freizeitwert.
Auf dem Tisch vor den Beiden steht ein Glas Gutedel, von der Sonne verwöhnt, die beliebteste Rebsorte der Südbadener. Auch auf den Bänken vor dem benachbarten Historischen Kaufhaus haben sich Menschen niedergelassen und genießen den Feierabend, das Wetter und den Blick aufs Münster:
"Man lässt sich’s gut gehen, man ist nicht zu kritisch, weder den Anderen gegenüber noch sich selbst. Man weiß im Allgemeinen als Freiburger, wie gutes Leben geht und guckt auch, ob die Anderen das auch so einhalten. Also es gibt so eine, finde ich, für die Stadtgröße relativ große soziale Kontrolle. Und ich empfinde, dass relativ viel auch unterm Teppich bleibt."
Freiburg ist die südlichste Großstadt in Deutschland, die erste mit einem grünen Oberbürgermeister, Freiburg gilt als die Solarhauptstadt, die Universitätsstadt war eine Keimzelle des Widerstands gegen Atomkraftwerke.
Früher das Heiligtum der deutschen Sportmedizin
Aber vielleicht war die beschriebene Mentalität auch ein Grund dafür, dass Freiburg seit acht Jahren Schlagzeilen als Hauptstadt des Dopings in Deutschland macht. Seit 2007 der Masseur des Radsportteams Telekom, Jef D'hont, aus dem Nähkästchen plauderte und aussagte, dass mehrere Radsportteams von Freiburger Ärzten systematisch mit Dopingmitteln versorgt wurden:
"Natürlich habe ich sie gelesen und als Freund des Freiburger SC tut das natürlich besonders weh, dass hier vielleicht auch Fußballer gedopt worden sind. Aber das, was damals gelaufen ist mit den Radrennfahrern, das halte ich schon für mehr als bedenklich. Das hat in meiner Einschätzung der Universität hier eine heftige Delle hinterlassen."
Die Quelle dieser Delle ist gar nicht so weit weg vom Münsterplatz. Zehn Minuten mit dem Fahrrad, von der Altstadt zum Bahnhof unter den Gleisen durch und dann auf das weitläufige Gelände der Universitätsklinik abbiegen. Und wenn man einen Durchgang der Medizinischen Klinik passiert hat, über einen Hof geht, dann eine Treppe heruntersteigt, steht man vor einem flachen Gebäude mit der Aufschrift "Bewegungsmedizin und Sport, Sporttherapie".
Noch bis vor wenigen Jahren, und möglicherweise bis heute war hier ein Heiligtum der deutschen Sportmedizin. Athleten aus ganz Deutschland ließen sich hier behandeln.
Hier wurde aber auch Doping-Geschichte geschrieben. Hier praktizierten die Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich, die wenige Tage nach den Enthüllungen von Jef D’hont zugeben mussten, dass sie das Radsport-Team Telekom systematisch mit Erythropoetin, kurz Epo versorgt hatten.
Und damit hatte auch die Universität Freiburg ein Problem. Die eben noch hoch gelobte und international anerkannte Sportmedizin nun plötzlich eine Doping-Küche? Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer über die Situation, vor der Stadt und Universität standen:
"Die Erkenntnisse, die 2007 ans Tageslicht gedrungen sind, waren so was wie ein Weckruf, dass die Zeit des Wegschauens und des Bagatellisierens vorbei ist. Und deswegen war es richtig und auch notwendig, dass man sich einer systematischeren Bearbeitung dieses Kapitels hingibt und dafür auch Ressourcen und Zeit einsetzt, um zu begreifen: Was ist da passiert und was sind die Ursachen? Und dann vielleicht auch entsprechende Konsequenzen ziehen zu können, wie man’s in Zukunft besser machen will."
Aufklärung der Geschehnisse
Die Universität Freiburg richtete in kurzem zeitlichem Abstand gleich zwei Kommissionen zur Aufklärung der Geschehnisse ein. Die erste, die sogenannte kleine Kommission, forschte unter der Leitung des früheren Sozialrichters Hans-Joachim Schäfer und legte dann 2009 einen Abschlussbericht zum Doping beim Team Telekom vor, der die Aussagen von D'hont über weite Strecken bestätigte.
Wenige Monate später wurde die zweite Kommission, die sogenannte Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin ins Leben gerufen, die bis heute arbeitet. Gerhard Treutlein, Heidelberger Dopingforscher und Kommissionsmitglied, beschreibt den Auftrag dieser Kommission so:
"Die Richtung von unserer Kommission, von der Evaluierungskommission, geht in eine andere Richtung. Dass da nicht nur Einzeltäter am Werk waren, sondern dass die in ein System eingebettet waren. Ein System, das sich im Lauf der Zeit entwickelt hat. Und je mehr Erfolge mit Leistungssportlern die entsprechenden Mediziner nachweisen konnten, desto mehr wurden sie dann auch über das System begünstigt."
Zu Beginn führte die Evaluierungskommission ein wenig ein Schattendasein, denn sie wurde ebenfalls von Schäfer geleitet, der sein Hauptaugenmerk aber zunächst auf die Arbeit der kleinen Kommission richtete und später erkrankte. 2009 jedenfalls berief Hans-Jochen Schiewer, der neue Rektor der Freiburger Universität, die Kriminologin und Mafia-Expertin Letizia Paoli zur neuen Kommissionsvorsitzenden:
"Aufklären, also wir wollen aufklären, wir wollen einfach verstehen, was Schiefes passiert ist in der Freiburger Sportmedizin und eben dann auch aus diesen Erfahrungen Empfehlungen entwickeln, die nicht nur für Freiburg wichtig sein können, sondern für ganz Deutschland. Über ihre Arbeit ist viel Systematik in die ganze Arbeit reingekommen. Und sie ist auch an manchen Stellen auf Ideen für Recherchen gekommen, wo wir als Nicht-Kriminologen nie und nimmer drauf gekommen wären."
Anfänge in den 60er- und 70er-Jahren
So Gerhard Treutlein. Bei der Arbeit zeigte sich jedenfalls schnell, dass die Wurzeln des Dopings in Freiburg bis in die 60er- und 70er-Jahre zurückreichten, die Zeit, als der damals führende deutsche Sportmediziner Herbert Reindell zwei junge, ehrgeizige Assistenten an seinen Lehrstuhl holte: Joseph Keul und Armin Klümper. Keul wurde 1977 Reindells Nachfolger als Chef der Sportmedizinischen Abteilung. Was das Thema Doping angeht, war er eine widersprüchliche Figur. Einerseits sagte er im ZDF-Sportstudio im Jahr 1977 Sätze wie diesen:
"Ich will nur zu dem Doping-Problem allgemein sagen: Man sollte doch die Dinge in wirklichen Relationen sehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand heute Doping nimmt, das belegen die Befunde von Dr. Donike aus München, das belegen die Befunde von Montreal, liegen unter ein Promille."
Andererseits steht im Abschlussbericht der Telekom-Kommission über seine Position zum Doping:
"Die Grundeinstellung von Professor Keul in seiner Funktion als Leiter der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin vermittelt nicht den Eindruck einer stringenten Bekämpfung von Dopingaktivitäten. Darüber hinaus hat die damals fehlende Kontrolle der Abläufe in der Abteilung die Dopingaktivitäten von Professor Schmid und Dr. Heinrich ermöglicht und begünstigt."
Keul hatte zudem mehrfach erklärt, dass er geringe Dosen von Anabolika für ungefährlich halte und hatte eingeräumt, dass er Sportler, die selbst viel zu hoch dosiert hätten, entsprechend beraten habe. Ein etwas anderes Bild zeichnet die Aussage des früheren Hammerwerfers Edwin Klein, der vor einigen Jahren berichtet hatte:
"Ich habe die Erfahrung gemacht in der Art, dass ich in der sportmedizinischen Untersuchung vor den Olympischen Spielen 1972 in meinem Arztbericht von Professor Dr. Keul vermerkt bekommen habe: Gegen die Einnahme von Anabolika (20-50 mg) ist ärztlicherseits nichts einzuwenden."
Zwielichtige Person Armin Klümper
Noch schillernder ist die Rolle des zweiten Reindell-Schülers Armin Klümper. Er praktizierte zunächst auch in der Sportmedizin, dann wechselte er aber in das sogenannte Sporttraumatologische Zentrum im Freiburger Stadtteil Mooswald.
Die Klinik, wo Armin Klümper bis in die 90er-Jahre arbeitete, liegt etwas außerhalb im Wald, gut und unauffällig zu erreichen auch für prominente Sportler. Und die gingen beim ihm spätestens seit den 80er-Jahren ein und aus. Während Keul eher der kühle Wissenschaftler war, war Klümper der Kumpel der Athleten und daher, so Dopingforscher Gerhard Treutlein:
"Er war spätestens in den 80er-Jahren der relevante Sportmediziner."

Der Sportmediziner Armin Klümper 1997
Der Freiburger Sportmediziner Armin Klümper verläßt am 21.4.1997 das Amtsgericht Freiburg. © picture alliance / dpa
Und an dieser Stelle beginnt eine Reihe von Merkwürdigkeiten, die die Arbeit der Evaluierungskommission nachhaltig behinderten. Denn nach dem ursprünglichen Arbeitsauftrag der Kommission sollte die Person Armin Klümper außen vor bleiben. Die Kommission sollte sich mit seiner Rolle gar nicht beschäftigen. Mit der fadenscheinigen Begründung: Er gehörte nicht zur sportmedizinischen Fakultät. Aber dass Armin Klümper eine Schlüsselrolle spielt, wenn es um Doping in Freiburg geht, liegt auf der Hand. Er behandelte Sportler und die besseren Kreise von Freiburg mit den sogenannten Klümper-Cocktails, einer wilden Mischung aus Medikamenten und Naturheilmitteln, über die Gerhard Treutlein sagt:
"Er hat die Patienten mehr oder weniger als Versuchskaninchen benutzt. Und wenn etwas funktioniert hat, hat er weiter gemacht, wenn’s nicht funktioniert hat, hat er’s bleiben lassen. So kann man eigentlich mit Patienten nicht umgehen. Weder mit Leistungssportlern, noch mit den allgemeinen Patienten. Er hat gleichzeitig behauptet, dass er sehr gründlich auf wissenschaftlicher Basis arbeitet. Nur, in der Art und Weise, wie er Medikamente verwendet hat, kann man von der wissenschaftlichen Basis gar nichts mehr erkennen."
Dass Klümper in den 80er- und 90er-Jahren bereitwillig Anabolika und andere Doping-Präparate verteilte, ist aber auch durch eine andere Quelle gesichert. Denn der Professor stand Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre zweimal vor Gericht – und zwar wegen Betrugs. Nach entsprechenden Anzeigen hatte die Freiburger Staatsanwaltschaft gegen Klümper ermittelt, Anklage erhoben und zwei Verurteilungen erreicht.
Die Anklagebehörde residiert in engen Fluren zwischen Freiburger Altstadt und Universitätsviertel – und Oberstaatsanwalt Michael Mächtel berichtet, dass es damals umfangreiche Wirtschafts-Strafverfahren waren:
"Es war jeweils der Vorwurf, dass ärztliche Leistungen nicht korrekt abgerechnet worden sein sollen. Im einen: Lieferung von Medikamenten und im anderen, zweiten Wirtschaftsverfahren in den 1990er-Jahren ging es um Abrechnungsbetrug, der dem Professor Klümper vorgeworfen wurde zum Nachteil der Universität."
Wegen Doping allerdings konnte damals nicht ermittelt werden, denn es war schlicht nicht strafbar. Allerdings erkannte die Evaluierungskommission schnell, dass die Prozessakten über die Verfahren für die Kommission von großer Bedeutung sein könnten und bat bei der Staatsanwaltschaft um Akteneinsicht. Die Antwort war allerdings kurz und knapp: Die Akten existieren nicht mehr.
"Wir sind, als die erste Anfrage der Kommission hier einging, davon ausgegangen, weil die Fristen abgelaufen waren, dass die Akten nicht mehr in unserem Besitz sind, sondern dass sie bereits an das Landesarchiv übergeben seien.
Verschwundene und gebunkerte Akten
Bedeutende Akten werden üblicherweise nach einer bestimmten Lagerzeit routinemäßig an das Archiv abgegeben. Aber es stellte sich heraus: Im Landesarchiv waren sie nicht. Und so war das für eine deutsche Behörde wundersame Fazit nach der Anfrage im Jahr 2012: Gut 60 Aktenordner sind schlicht verschwunden. Und es war einem Zufall zu verdanken, dass sie 2 1/2 Jahre später doch wieder auftauchten. Ende 2014 besuchte ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit Hermann Rees von der Freiburger Außenstelle des Landesarchivs ein Außenlager der Staatsanwaltschaft:
"Wir sind durchgelaufen, haben uns das angeguckt, einfach um noch mal 'ne Mengenvorstellung zu bekommen, und da waren dann eben unter anderem – neben zahlreichen anderen größeren Verfahren – auch diese beiden Verfahrensakten gegen Armin Klümper und andere wegen Betrug."
Zufall oder nicht? Merkwürdig in jedem Fall.
Jedenfalls waren die Akten wieder da – und ein paar Wochen später dann auch im Landesarchiv, wo die Mitglieder der Evaluierungskommission sie durcharbeiten konnten. Derzeit liegen sie in einem abgetrennten Raum neben dem Lesesaal des Archivs. Eine fausthohe Hauptakte und 60 Ordner mit ergänzendem Material:
"Die eigentlichen Prozessakten, also hier ist dieses ganze prozessuale, gerichtliche Verfahren abgebildet, Anklageschrift, Zeugenvernehmungen, Protokolle von irgendwelchen Gerichtsverhandlungen, Urteil und so weiter. Und es wird immer Bezug genommen auf bestimmte Dinge in den Anlagen, zum Beispiel diese Zeugenaussage findest du hier in Band 7b der Anlage zum Beispiel."
Die Akten waren für die Mitglieder der Evaluierungskommission eine Goldgrube. Seitenweise waren hier Lieferungen von Anabolika an Sportler und an Sportvereine dokumentiert, unter anderem an den Fußballverein VfB Stuttgart. Dessen Präsident war damals übrigens Gerhard Mayer-Vorfelder, der sich ein paar Jahre zuvor in seiner Eigenschaft als baden-württembergischer Kultusminister aktiv dafür eingesetzt hatte, dass Klümper seine Professur bekam. Lieferungen auch an den Bund Deutscher Radfahrer und viele andere – harte Tatsachen, dass hier schon seit den 80er-Jahren gedopt wurde.
Ebenfalls mit Akten hat die nächste Merkwürdigkeit zu tun. Es geht um die Akten der kleinen Kommission zu Joseph Keul, die 2009, als Letizia Paoli sie ansehen wollte, auch nicht auffindbar waren. Gerhard Treutlein:
"Und da hieß es am Anfang, es seien keine Akten von Keul mehr vorhanden. So und 2011, als wir dann erreicht hatten, dass Klümper zu dem Auftrag dazugehört, hieß es plötzlich, ja es seien doch noch Akten von Keul vorhanden. Das heißt, eine höhere Beamtin im Rektorat hatte diese Akten fünf Jahre lang in ihrer Garage gebunkert."
Eine Mitarbeiterin der kleinen Kommission hatte kistenweise Akten in ihre Garage transportiert, angeblich weil sie nicht sicher war, ob die Evaluierungskommission das Recht hat, sie zu sehen, tatsächlich ziemlich merkwürdig – wieder einmal. Der Versuch, Klümper bei der Untersuchung außen vor zu halten, und gleich zwei jahrelang verschwundene Aktenpakte, die plötzlich wieder auftauchten – Gerhard Treutlein fragt:
"Warum sind wir solange angelogen worden, einmal bezüglich des Arbeitsauftrages der Kommission und zum anderen bezüglich der Existenz dieser Akten?"
Und die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer stellt fest:
"Also für manche Dinge habe ich schlicht keine Erklärung und ich stehe vor den Ereignissen selbst staunend."
Zurück auf den Freiburger Münsterplatz, wo in der Zwischenzeit das eine oder andere Glas Gutedel geleert wurde. Schön sei das alles nicht, sagen die Menschen hier, aber irgendwie verständlich schon. Es sei eben so, wenn unangenehme Dinge passieren.
"Dort, wo die Leute was zu verlieren haben, rücken sie zusammen. Und wenn hier dieses schöne Image von Freiburg, der grünen Stadt, der Radfahrstadt, und alles was hier an positiven Lebensmomenten da ist, einen Kratzer bekommt, dann rücken die Leute zusammen, tun sie. Passt zu meiner Teppichtheorie, dass relativ viel untendrunter bleibt, solange es unangenehm ist und niemand dran rührt, fühlt man sich nicht unbedingt zuständig, den Teppich zu heben und drunter zu gucken."
Eine Erklärung, warum die Mitglieder der Evaluierungskommission immer wieder den Eindruck hatten, dass sie gegen eine unsichtbare Mauer anrennen. Die zweite Erklärung ergibt sich für Gerhard Treutlein, der selbst zunächst Sportler, dann Trainer und dann Professor für Sportpädagogik war, aus dem Wesen des Sports selbst:
"Wer etwas gemacht hat, hat im Normalfall alles Interesse daran, dass da niemand wirklich etwas mitkriegt. Die Reihen schließen sich. Und Sport ist ein Kameradenland. Und im Kameradenland hält man zusammen und sagt auch nicht Böses, selbst wenn man mitkriegt, dass ein Kamerad Schweinereien gemacht hat."
Das gilt für die aktiven Sportler, aber offenbar gilt es mindestens genauso für die Sportfunktionäre. Und hier sind im Zusammenhang mit dem Doping in Freiburg bislang zwei Namen gefallen: Ex-VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder aus Stuttgart und der Präsident des Badischen Sportbunds, Gundolf Fleischer.
"Ich weiß, dass bei der letzten Jahreshauptversammlung vom Verein Olympiastützpunkt vor ein paar Monaten Fleischer behauptet hat, man könnte ja Klümper und Keul bis heute nichts vorwerfen, da sei ja bis heute nichts nachgewiesen. Und das ist natürlich ein Unfug ohne Ende. Entweder sein Gedächtnis ist so schlecht geworden oder er hat halt alles Interesse daran, bis heute die Dinge unter den Tisch zu kehren, soweit das irgendwie möglich ist."
So Gerhard Treutlein. Und Zufall oder nicht, sowohl Mayer-Vorfelder wie auch Fleischer sind CDU-Politiker und haben jahrelang entscheidend in der Landespolitik mitgemischt. Mayer-Vorfelder war zuerst Kultus-, dann Finanzminister. Fleischer war Staatssekretär und Landtagsabgeordneter, bis er 2010 nach einer Affäre um die Vergabe von Lizenzen zum Kiesabbau zurücktreten musste.
Unstimmigkeiten über Kommissionsergebnisse
Auch in Stuttgart ist man jedenfalls sehr gespannt auf die Ergebnisse der Evaluierungskommission, die noch in diesem Jahr vorgelegt werden sollen.
Allerdings gab es genau um diesen Abgabetermin des Kommissionsberichts in den vergangenen Monaten heftigen Streit. Auf der einen Seite warf Kommissionschefin Paoli der Universität vor, ihr Informationen vorzuenthalten und wichtige Fragen nicht zu beantworten und drohte damit, die bereits vorliegenden Ergebnisse nur dann zu veröffentlichen, wenn alle ihre Forderungen erfüllt würden. Auf der anderen Seite wollte die Universität nach mehr als fünf Jahren Kommissionsarbeit unter Letizia Paoli endlich Ergebnisse sehen. Schließlich gab es eine Krisensitzung im Stuttgarter Wissenschaftsministerium, bei der zumindest die höchsten Wogen geglättet wurden. Letizia Paoli danach:
"Ja, es gab in der Tat in der Vergangenheit Probleme, und die Kooperation war sicher nicht reibungslos. Das Gespräch heute war offen, aber auch sehr konstruktiv. Und wir freuen uns sehr, dass wir weiter zusammenarbeiten können, wollen. Und dass wir eben ein gemeinsames Ziel haben, nämlich aufklären."
Außerdem einigten sich die Beteiligten auf einen Zeitplan, nach dem die Arbeit im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden sollte. Allerdings stellte sich heraus, dass es auch innerhalb der Kommission sehr unterschiedliche Vorstellungen gab, was bis dahin noch passieren sollte. Der Sportwissenschaftler Andreas Singler, Autor der maßgeblichen Gutachten über Keul und Klümper, drängte auf Veröffentlichung, warf Paoli öffentlich Verschleppung vor und preschte schließlich vor, indem er die Befunde über die Lieferung von Dopingmitteln an die Fußballvereine VfB Stuttgart und SC Freiburg öffentlich machte. Die Folge war, dass er aus der Kommission ausgeschlossen wurde. Wenig später legte dann auch der Münchner Jurist Heinz Schöch sein Kommissionsamt nieder und warf Paoli im März vor, die Kommission chaotisch geführt zu haben.
Seitdem allerdings ist es ruhig geworden, und es heißt, dass die Kommission nun tatsächlich auf der Zielgeraden sei und die Arbeit in diesem Jahr abgeschlossen werde. Ministerin Bauer:
"Mit Optimismus möchte ich mich zurückhalten. Ich möchte aber die Hoffnung formulieren, die Hoffnung und die Erwartung auch ein Stück weit, dass alle, die an diesem schwierigen Thema arbeiten, das Ziel nicht aus dem Auge verlieren. Das Ziel ist, aufzuklären, was man aufklären kann. Und ich habe in der Tat den Eindruck, dass konzentriert zur Zeit daran gearbeitet wird, Ergebnisse vorlegen zu können."
Wie es heißt, werden es am Ende etwas über 1000 Seiten Gutachten sein, die voraussichtlich ein einmalig detailliertes Bild über das Doping in Freiburg zeichnen werden.
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