Volltreffer ohne Ende
Mit Mentaltraining und technisch hochausgefeilten Sportgewehren arbeiten Sportschützen daran, immer präziser zu treffen. Denn wer mit den heutigen High-Tech-Geräten nicht die Höchstzahl - eine Zehn - trifft, der kann bei internationalen Wettbewerben nicht mithalten.
"Das war eine Zehn. Das sieht man hier. Das sieht man daran, dass ein Punkt noch dahinter ist, und alle roten Punkte sind Zehner und alles andere ist gelb."
Und noch eine Zehn. Monika Karsch trainiert in der Schießhalle der königlich privilegierten Hauptschützengesellschaft Regensburg mit einer Luftpistole. Die Decke ist niedrig, holzvertäfelt, drüben an der Wand die Zielscheiben. Das Ergebnis ist über ein vollelektronisches Meßsystem auf einem Bildschirm am Tisch ablesbar, hinter dem die Schützin steht. Aber wozu lesen, wenn es ohnehin fast immer eine Zehn ist, so auch bei der Militärweltmeisterschaft in Südkorea.
"Wir sind dort hingefahren schon mit der Erwartungshaltung, dass ich dort eine Medaille gewinnen will, und als wir dann das Konkurrenzfeld so gesehen haben, war ich erst mal bisschen überrascht, weil wirklich ganz viele starke Teilnehmer auch dabei waren. Und es war dann ganz spannend, und ich freue mich einfach, dass ich so ein guten Wettkampf dort abgeliefert hab, und dann war das eigentlich relativ sicher mit dem, dass ich da gewonnen hab. Also ich hatte ein bisschen Vorsprung, und es war am Ende eigentlich gar nicht so knapp."
588 Punkte schoss sie, von 600 möglichen. Und da international die Schützen sehr häufig beim Militär sind, konnte man diese Weltmeisterschaft von der Qualität her einer normalen WM fast gleichsetzen. Auch im Teamwettbewerb holte Monika Karsch die Goldmedaille mit der Sportpistole.
"Wir sind mit einer sehr guten deutschen Mannschaft dorthin gefahren, dann war eine sehr gute Mongolin, dann waren die Russen da, China sowieso immer, dann war eine sehr gute Französin da. Die Polen waren mit einem guten Team da. Also, es waren wirklich viele gute namhafte Damen dabei."
Monika Karsch ist mehrfache Deutsche Meisterin und erreicht immer wieder gute Platzierungen bei Europameisterschaften und Weltcups, sowohl mit der Sport- als auch mit der Luftpistole.
Zeit einmal den Unterschied zwischen diesen beiden Waffen darzulegen:
"Der Unterschied zwischen der Luftpistole und der Sportpistole ist, dass man die Luftpistole auf zehn Meter schießt, und die Sportpistole auf 25 Meter. Also die silberne mit dem langen Lauf, das ist die Luftpistole. Da sieht man die Kartusche unten dran, da ist Pressluft drin, und die wird befüllt mit bis zu 200 bar, und über diese Pressluft wird dann quasi dieses Blei-Diabolo dann quasi diese zehn Meter nach vorne geschossen. Und das Bleidiabolo steckt man hier rein, und dann schließt man die und dann geht es los. Bei Luftpistole, da hat man für 40 Schuss 50 Minuten Zeit, man kann sich die Zeit eigentlich selber einteilen. - Das war jetzt auch eine Zehn, und das war auch eine Zehn."
Im Erdgeschoss die Schießstände für die Sportpistole: Die Zielscheiben sind hier hinter einem Stück Rasen in 25 Metern Entfernung angebracht.
"Das ist die Sportpistole. Die sieht wuchtig aus, genau, und der Unterschied ist, dass die einfach viel kürzer und etwas kompakter ist, und dass eben nicht mit Luft die Patrone nach vorne geschossen wird, sondern quasi die Patrone selber quasi das Geschoss ist. Und man hat hier ein Magazin. Das Magazin kann man dann fünf Patronen einladen, und dann führt man das hier unten ein, und dann schließt man den Schlitten, und dann ist die Waffe wieder geladen."
Die Wettbewerbe bei der Sportpistole sind zweigeteilt. Beim sogenannten Präzisionsteil haben die Schützen wie bei der Luftpistole fünf Minuten Zeit für fünf Schuss und das sechs Mal hintereinander. Anschließend werden beim Duell wieder jeweils fünf Schuss in das Magazin geladen. Sobald eine Ampel grün zeigt, darf man den Arm hochbewegen und hat drei Sekunden Zeit zu schießen, worauf wiederum sieben Sekunden Zeit bis zum nächsten Schuss bleiben.
Monika Karsch gibt in exakt zehn Sekunden Abstand fünf Schüsse ab, und das Ergebnis sparen wir uns diesmal, weil das geradezu langweilig ist.
"Ich mach so ungefähr zwölf Einheiten in der Woche, und das meiste ist natürlich Schießtraining, dann kommt noch dazu Krafttraining, Ausdauertraining. Zum Beispiel autogenes Training ist eine Möglichkeit, Visualisierung ist eine Möglichkeit, für mich ist zum Beispiel Life-Kinetik ein ganz wichtiger Baustein, den man auch in die Psychologie packen kann. Life-Kinetik, da geht es um Gehirntraining durch Bewegung, und man versucht durch neuartige Bewegungsaufgaben das Gehirn zu schulen und zu aktivieren, dass es dadurch leistungsfähiger wird."
Monika Karsch gibt selbst Kurse in Life-Kinetik.
Und wieder kommt Geld ins Spiel, zumal ja einiges an Werten durch die Pistolenläufe rauscht. Und das erklärt auch die Tatsache, dass die meisten der Leistungsschützen bei der Bundeswehr sind, denn die kommt für einen großen Teil der Kosten auf.
"Ich hab wirklich sehr sehr gute Bedingungen, und ich bin sehr froh, dass ich die Bundeswehr hab und dass ich die Zeit zur Verfügung hab, meine Trainingseinheiten und meine Wettkämpfe zu absolvieren, ich kenne auch ein Leben vor der Bundeswehr, und das war nicht immer so einfach, und eigentlich wird man dann dem Leistungssport nicht gerecht, wenn man noch Vollzeit arbeitet, dann kann man eigentlich dieses Pensum nicht schaffen, zumindest nicht auf Dauer, und meiner Meinung nach nicht, um Weltspitze zu sein oder zu werden."
Monika Karsch wird in Rio de Janeiro nicht nur in ihrer Spezialdisziplin Sportpistole teilnehmen, sondern auch mit der Luftpistole. Lohn für lange Jahre der Konzentration.
"Ich hab begonnen als Elfjährige, und ich komme aus einem kleinen Ort, und ich war dort in allen Vereinen aktiv, unter anderem eben auch im Schützenverein. Ich hab als Schülerin schon fünf Mal die Woche trainiert, und ja, erst später hat sich das, glaube ich, rausgestellt, dass da auch wirklich einiges an Talent dahinter steckt."
Sage und schreibe 15.000 Schützenvereine gibt es in Deutschland. Man nimmt sie in der Öffentlichkeit eigentlich nur bei ihren Festen wahr, wenn die Mitglieder grün-betucht die Straßen entlang paradieren und ihr Königspaar hofieren. Die meisten Vereine sind in Niedersachsen, in den katholisch geprägten Gegenden, und in Bayern, im Osten findet man hingegen nur wenige. Schützenvereine wie im Westen gab es in der DDR nicht. Dort wurde der Schießsport in der staatlichen Organisation "Gesellschaft für Sport und Technik" betrieben.
"Was haben Sie denn jetzt geschossen?"
"Ich hab jetzt zehn Schuss Probe gemacht, und frei eh nicht freistehend, sondern aufgelegt, aber nur mit einer Hand, weil die linke Hand behindert ist."
"Und wie war das Ergebnis jetzt?"
"Ergebnis war jetzt 74. Normal müsste ich jetzt so um die,,, 94, 95, schieße ich sonst. Aber jetzt kann ich ja nur mit einer Hand. Und da liegt das Gewehr frei auf. Das ist natürlich schwieriger."
Ein Mitglied der Schützengemeinschaft Elberfeld 1830 in Wuppertal. Der Mann hat kürzlich einen Herzschrittmacher bekommen und muss sich eines Stabes mit Quergestänge bedienen, auf das er das Gewehr auflegen kann. Man ist zu einem lockeren Schießen zusammengekommen. Erst gibt es Kaffee und Kuchen im Nebenraum, dann geht es an die Luftgewehre in den beiden angrenzenden Räumen. Auch dieser Verein ist mit Monitoren ausgerüstet, die vorne am Tisch die Treffer elektronisch anzeigen, aber dann ist es fast schon vorbei mit der Moderne.
"Sie haben ein bisschen Nachwuchsprobleme oder?"
"Nachwuchs ist bisschen Mangelware, ja. Das ist normal, anscheinend durch die heutige Entwicklung im Internet und allem."
Viele der Schützen, männlich wie weiblich, haben das Rentenalter erreicht. Der Verein hatte, wie viele andere, früher wesentlich mehr Mitglieder. Dabei scheint es nicht schwer, Jugendliche für das Schießen zu interessieren, aber sie zu halten, ist das Problem. Dennoch nimmt der Verein weiterhin an Meisterschaften teil, eine Art Kreisliga.
"Wir gehen hoch bis zur Deutschen Meisterschaft, wenn man sich qualifiziert. Die Rundenwettkämpfe sind dafür da, die Meisterschaften vorzubereiten, also Ligawettkämpfe, um sich auf die Meisterschaften vorzubereiten."
Immerhin brüstet sich der Verein mit Wuppertals modernster Schießanlage und versucht, Nachwuchs mit der kostenlosen Nutzung der Gewehre anzulocken. Wenn es hilft.
Was die Sicherheit angeht, so werden die Waffen entweder zu Hause oder im Vereinsheim in einem Schrank verschlossen, wobei Waffe und Munition getrennt voneinander aufbewahrt werden.
"Das ist der Abzug, in diesem Fall eine ganz besondere Konstruktion, nämlich ein elektronischer Abzug. Das heißt also, jetzt könnte es knallen, es klackt aber es macht nur Klack, man hört dieses feine Geräusch, wenn der Abzug ausgelöst wird."
Ulrich Eichstädt, Pressesprecher eines Waffenherstellers, der vor allem auch durch seine Polizeipistole bekannt geworden ist. An den Wänden des Showrooms hängen aber eher Gewehre auf dem neuesten technischen Stand, mit Schaftkappe und Schaftbacke zum individuell einstellbaren Anlegen und einem Griff mit Memory-Effekt.
"Das hat keinen Rückstoß mehr. Die sind völlig rückstoßfrei heutzutage. Es ist sogar so… also rein physikalisch kommt also durch das Diabolo auch ein Rückstoß zustande. Aber hier drin ist ein kleiner magnetischer Gegenpol sozusagen, ein Ausgleichsgewicht, was im Schuss ausgelöst wird und selbst den minimalen Rückstoß durch das Diabolo ausmerzt."
Die Pressluftkartusche reicht bei manchen Modellen für 400 bis 500 Schuss. Sie erzeugt bis zu 300 bar Luftdruck und wird für jeden einzelnen Schuss angezapft, wodurch man immer die gleichen Druckverhältnisse hat. Sportschützen verwenden Flachkopf-Diabolos aus weichem Blei mit einem Durchmesser von 4,5 Millimeter.
"Das ist der Ladehebel, ich öffne also hier die sogenannte Laderinne, und wir schießen grundsätzlich mit Diabolos, sie werden also hier einzeln reingelegt, und über diesen dünnen Stift, der hinten in den Hohltrichter des Diabolos geht, kann man das sehr gleichmäßig immer an die gleiche Stelle in den Lauf reinschieben."
Bei einem dermaßen technisch ausgefeilten Gerät mit einem sogenannten Insight-Out-Matchdiopter, einer hochmodernen Visiereinrichtung, kann das Ziel kaum noch verfehlt werden. Da ist eine Neun gleich Mist.
"Ein Neuner ist ein Scheitern. Beim Luftgewehrschießen ist es heutzutage so, dass nicht mehr ganze Ringe gewertet werden, sondern es wird elektronisch ausgewertet über ein kompliziertes System vorne, was jeden Schuss akustisch vermisst, und über einen Lichtvorhang dann die Trefferlage bestimmt, und es wird in Zehntelringen ausgewertet. Das heißt also der beste Schuss ist keine Zehn mehr, sondern eine 10,9."
Und wer sich durch eine Neun aus der Ruhe bringen lässt, kann eigentlich nach Hause gehen.
"Das wäre dann der so genannte Doppelfehler. Also die Sportwissenschaft definiert die Schwierigkeit einer Sportart durch die Zahl ihrer Freiheitsgrade. Das bedeutet, beim 100-Meter Läufer, ohne den Leichtathleten zu nahe zu treten, gibt es nur begrenzte Fehler. Ich kann den Start verpassen. Ich kann mich vertrampeln. Bei allen Wurfdisziplinen habe ich mehrere Versuche, die schlechtesten fallen weg, oder es wird nur der beste gewertet. Hier ist es so, dass jeder einzelne Wettkampfschuss quasi ein eigener Wettkampf ist. Denn bei der hohen Leistungsdichte heutzutage ist es so, dass jeder, der also mit einer neun oder mit einer acht oder noch schlimmer aus seinem Wettkampf rauskommt, keine Chance mehr hat, in den Endkampf einzugreifen."
Knallharter Wettbewerb. Wer sich dem stellen will, muss jedenfalls für neuere Modelle rund 3.500 Euro auf den Tisch legen, und die Munition ist ja auch nicht umsonst. Für eine Jahresration, etwa fünf- bis zehntausend Diabolos, sind das noch einmal einhundert Euro.
"Man nimmt die drei Finger, die mittleren Finger, und die Finger umschließen die Sehne im ersten Glied, Fingerglied, und vorne mit der linken Hand, oder je nachdem, ob ich Rechts- oder Linkshänder bin, in dem Griffstück, Griffstück muss ganz genau angepasst sein der Hand, und - zieh den jetzt mal nicht, weil der mir nicht gehört."
Reinhard Brandenburg, Trainer der Bogenschützen des TuS Grün Weiß Holten im Nordwesten von Oberhausen. Der Verein konnte bereits 23 Deutsche Meisterschaften einfahren.
"Der Pfeil wird da raufgelegt. Von dem Button hier wird der gesteuert, weil der Pfeil die Bewegung rechts links macht, und auch eine Parabel. Und um dieses Aussteuern oder dieses Ausbrechen des Pfeiles zu verhindern, wird dieser Button benutzt, der hält den ab, im Fenster irgendwo anzuschlagen mit dem Pfeil. Dann geht der ziemlich gerade raus."
Sonntagmorgen. Herrgottsfrühe. Ausgeschlafene Schützen haben sich in einer Turnhalle zur Kreismeisterschaft eingefunden. Jeweils vier von ihnen, Männlein wie Weiblein, stehen 18 Meter vor den Zielscheiben aufgereiht, die an Holzgestellen angebracht sind. Und da die Pfeile anscheinend nicht pfeilgerade fliegen, fragt man sich als Laie, wieso so viele haargenau die Zehn treffen, die circa zwei Zentimeter im Durchmesser umfasst.
"Ja, ist so ein leichter Effekt. Einmal schlängelt der sich, und einmal macht der die Parabel. Die Zieleinrichtung ist hier. Man guckt durch dieses Visier. Und ich versuch das jetzt mal, und ich leg die Hand hier am Kinn an, und schau hier durch, und in der Verlängerung hin das Gold auf der Scheibe, wäre dann der Zielpunkt."
So ein Sportbogen ist ein technisch anspruchsvolles Gerät, das individuell auf den Schützen eingestellt werden muss. Und was diese schräg nach unten gerichteten Seitenstäbe sollen, erschließt sich auch nicht sofort.
"Das nennt sich das Ausgleichssystem. Das heißt, wenn ich hier schieße, schlägt hier ein Schlag auf, der sich über den ganzen Bogen weiterleitet und bis hier zu diesem Stabisystem, Stabilisationssystem sich austobt. Wird dann fast ganz weggenommen."
Wer die Schützen beobachtet, wie sie völlig routiniert den Bogen ansetzen, kurz zielen, sicher ins Goldene treffen und dann ungerührt wieder abtreten, dem wird zunächst gar nicht bewusst, auf was alles zu achten ist, bevor der Schütze abzieht. Und wie viel Kraft dahinter steckt, wenn der Pfeil angezogen wird!
Sowohl beim Recurver, der uns mit seiner zurückgebogenen Form der Wurfarm- oder Bogenenden soeben eindrücklich vors geistige Auge geführt wurde, als auch beim Compounder, der eher wie eine Sportmaschine wirkt und nicht wie ein bloßer Bogen.
"Das ist ein Compoundbogen, der wird über diese Kabel und Sehnen, dass sind Kabel, das eine Sehne, über diese Umlenkrollen wird der gezogen, man zieht so mit, je nachdem wie der Bogen eingestellt ist, circa 50 Pfund - und hält nachher noch so 20 Pfund auf die Finger."
Und dann endlich geht der Pfeil ab, mit 300 Stundenkilometer. Mit dem Auge kaum nachzuvollziehen. Man sieht nur plötzlich den Pfeil in der Scheibe stecken. Im goldenen Kreis natürlich.
"Also, wenn Sie vorne den Pfeil sofort rausziehen, den anpacken würden, würden sie sich die Hände verbrennen. Ich darf den hier mal anfassen von dem Kollegen, den hab ich gefragt. Also die hat hier so ein Eisen, das hakt man hier ein und zieht damit den Bogen raus. Nämlich, den kann man nicht 50 Pfund auf die Finger rausziehen. Das geht nicht, dann hätte man so eine Hornhaut, die würd nachher abreißen, und dann hätte man die Finger blutig."
Das Visier ist vorne am Compoundbogen angebracht und mit einer Lupe versehen. Eine bis zu achtfache Vergrößerung sorgt dafür, dass das Ziel klar vor Augen steht.
"Hier wird zum Beispiel hier der Pfeil aufgelegt, durch dieses Fenster, und hier wird vorne durch dieses Scoop nennt sich das, da ist eine Zielanzeige drin mit einer Leuchtverstärkung kann man hier sehen, und die schießen viel genauer noch als die Recurver. Da sind die Weltrekorde 600 Ringe möglich und sind auch 600 geschossen. Carlo schießt zum Beispiel, sein Weltrekord steht auf 596. Den hat er als Jugendlicher, 17 Jahre alt, geschossen."
Besagter Carlo steht drüben cool im Rückraum. Gestern hat er sich einige Fehlschüsse geleistet, aber wenn es drauf ankommt, nähert er sich oft der 600er Marke. Er hat bereits mehrere Weltrekorde aufgestellt. Zwei Mal 30 Schuss hat man im Wettkampf, die goldene Mitte ergibt eine Zehn. Carlo Schmitz ist ein kräftiger junger Mann, der schon vor zwei Jahren bei den Jugendweltmeisterschaften in der Halle Silber holte. Wie kommt er als noch nicht ganz Erwachsener zu solch einer Ausgeglichenheit?
"Gelassenheit und mentale Fitness auf jeden Fall. Und wichtig ist auch die Ruhe zu bewahren, jeden Schuss so gleichmäßig wie möglich zu machen. Und das ist die Kunst. Und dabei noch einen klaren Kopf zu bewahren."
Wohl wisssend, dass der Schütze bei wenigen Fehlschüssen bereits aus dem Rennen ist.
Viele verbinden Bogenschießen mit Zen-Buddhismus oder glauben, eine Portion Esoterik gehöre dazu. Aber Sportschützen ticken wohl anders. Sie versuchen konzentriert zu bleiben. Ansonsten hat jeder seine eigenen Methoden.
"Ich zum Beispiel atme beim Schuss gar nicht, ist natürlich Risiko, weil wenn man jetzt zu lange steht und zu lange für den Schuss braucht, wird die Luft knapp und dann fängt man auch an zu zittern, also man muss da seinen Rhythmus finden, und wenn das nicht geht, ist klar, gibt es verschiedene Atemtechniken, die dann jeder für sich selber dann finden muss, um da klar zu kommen."
Drei Pfeile müssen Indoor innerhalb von zwei Minuten geschossen werden. Im Freien beträgt die Entfernung bei großen Turnieren 70 Meter, dann werden in der Regel 72 Pfeile in zwei Durchgängen aufgelegt. Das verlangt Standfestigkeit.
"Natürlich nicht die Beine direkt nebeneinander, sondern bisschen auseinander, dass man auch das Gewicht auf die Beine gut verlagert und einen guten Stand hat, dass man auch sicher zielen kann und nicht so viel wackelt."
Carlo Schmitz mischt mittlerweile bei den Erwachsenen mit. Bei der Hallenweltmeisterschaft in Ankara gewann er mit dem Nationalteam die Goldmedaille, im Einzel belegte er Platz 17, womit er nicht so zufrieden war. Nun ist Rio de Janeiro das Ziel, die Olympischen Spiele.
"Vor allem muss man sich qualifizieren, indem man die Gegner international ausschaltet und die relativ hohen Plätze belegt, um erst einmal einen Quotenplatz zu bekommen. Wenn man den hat, ist es aber auch noch nicht sicher, dass man national gesetzt wird. Das heißt man muss sich dann noch national qualifizieren, und vielleicht andere Deutsche, die gut sind und dann den Platz in Anspruch nehmen können, den Platz dann selber noch verteidigen."
Ob Carlo Schmitz an den Olympischen Spielen teilnimmt, wird sich erst bei den Weltmeisterschaften Ende Juli in Kopenhagen entscheiden.
Trainer Brandenburg kümmert sich in der Wettkampfpause mit einem Kollegen um die Pfeile, die noch in den Scheiben stecken.
"Ziehst du mal die Pfeile? Es ist aufwendig zu ziehen, von der Kraft her. Und es sollte keiner hinter den Pfeil gehen. Sie haben ja grade gesehen, der zieht, der Pfeil wird mit dem Arm noch viel länger, und ist zu befürchten, dass das ins Auge geht. Und deshalb werden auch die Matten drei Meter von der Scheibe zurückgelegt, nämlich, wenn da einer sich bückt, und die Pfeile, so ein Stück stehen die vor, Cut im Auge. Ich hab das mal bei der Deutschen selbst erlebt, dass sich ein Schütze in der vorletzten Passe so einen Pfeil in die Braue gerammt hat, der musste sofort zum Arzt, für den war die Deutsche Meisterschaft leider gelaufen."
Über Geld muss man immer reden: Ein Wettkampfbogen scheint mit Preisen zwischen 500 und 700 Euro noch erschwinglich, aber die Pfeile kommen ja auch noch hinzu.
"Der Aluminiumpfeil ist der billigste Pfeil, kostet so sieben, acht Euro, zehn Euro, Carbon um die 20 Euro, und Carbon-Aluminium, das der teuerste, der kann bis zu 55 Euro kosten. Also 27, 28 Euro wäre da so die Preislage."
Die Verbände schätzen die Zahl ihrer Mitglieder auf stolze 40.000. Auf olympischer Ebene gilt Bogenschießen jedoch als bedrohte Disziplin, bei der manche zweifeln, ob sie sich auf Dauer halten wird. Schade eigentlich.
"Wir stehen hier auf dem Schießstand, und wir schießen jetzt Skeet, ist eine olympische Disziplin, und beim Skeetschießen ist es halt so, dass es ein Hochhaus gibt, ein Niederhaus gibt, und auf dem Schießstand gibt es dann acht verschiedene Positionen, von denen man dann die Wurfscheiben beschießt."
Christine Wenzel, viermalige Weltmeisterin auf der Anlage ihres Heimatvereins SSC Schale, das ist ein Nest nördlich von Osnabrück. Links steht vor einem Erdwall auf grünem Rasen das sogenannte Hochhaus, ein hölzerner Kasten, aus dem die Wurfmaschine rot gefärbte Tontauben abfeuert, in drei Metern Höhe. Gegenüber das Niederhaus. In der Mitte des Platzes sind Mikrofone installiert, über die die Schützen die Tontauben abrufen. Man schießt jeweils Serien von 25 Tontauben.
"Ich richte mich auf meiner Position aus, suche meinen Haltepunkt, nehme meine Fußstellung ein, so diese ganze Körperhaltungsgeschichte, und wenn ich dann fertig bin, rufe ich meine Wurfscheibe ab."
Christine Wenzel nutzt das Turnier um sich fit zu halten, für die Olympischen Spiele, für die es beim Skeetschießen der Damen nur einen Quotenplatz gibt. Den hat sie dann auch errungen.
Beim Tontaubenschießen ist mehr die schnelle Reaktion gefragt, wenn die Scheibe aus der Wurfmaschine fliegt und sie mit dem Gewehr "abgefangen" werden muss, mit einem Blattschuss aus der Bewegung heraus. Und die Dublette stellt noch einmal eine besondere Schwierigkeit dar.
"Aus dem Hochhaus kommt eine Scheibe, und aus dem Niederhaus kommt auch eine Scheibe, also so gleichzeitig. Die kreuzen sich dann quasi in der Mitte, und dann beschießt man erst die Hochhaus-, je nachdem, wo man halt steht, erst die Hochhaus- und dann schwenkt man um auf die Niederhausscheibe. Das geht dann ruckzuck, ja."
Die andere Olympische Disziplin ist das Trapschießen. Katrin Wieslhuber, die im Skeetschießen bei den Junioren Europameisterin und Vizeweltmeisterin wurde, erklärt die Unterschiede.
"Bei Skeet laufen wir ja diesen Halbkreis ab, bei Trap steht man vorne ein bisschen versetzt von der Bunkerkante, und bei Trap fliegen die ja aus dem Bunker raus, die fliegen nach links, rechts oder gerade weg, und man weiß nicht, in welche Richtung die fliegen."
Für Katrin Wieslhuber kommt Rio de Janeiro noch zu früh. Sie hat kürzlich vom thüringischen Suhl zum Olympiastützpunkt nach Schale gewechselt, um mit Christine Wenzel zu trainieren. Der Bundestrainer hält sie in ihrem Alter für schon unglaublich abgezockt.
"Die Trapper stellen sich hin und setzen die Waffe gleich in die Schulter ein, und machen die Backe drauf und schießen dann erst. Und wir nehmen die Waffe erst, wenn wir abgerufen haben und die Scheibe kommt, nehmen wir die Waffe erst hoch, und die Trapper machen das schon vorher."
Bei beiden Disziplinen sind die Waffen im Grunde genommen Jagdgewehre. Und die Munition ist schlicht und einfach Schrot, der in einer Garbe die Tontaube erlegt.
Gleichwie, mit und auf was Sportschützen schießen, ob mit dem Bogen, der Pistole oder dem Gewehr, ihnen sei Respekt gezollt ob ihrer Fähigkeit, sich auf den Punkt genau zu konzentrieren - und der Punkt, das ist die Zehn.