Sprachartistische Avantgardistin

Verwildert wächst die Sprache der Lyrikerin und Autorin Elfriede Czurda: Die Orthografie wird gesprengt, Vokale ausgelassen, Buchstaben verdichten sich zu einer Lawine aus Wortgeröll. In drei Erzählungen schildert die Autorin mit eigenwilliger Sprache Gefühle zwischen Wahn, Verfall, Traum und lichten Momenten.
"Ich fürchte nichts mehr als mich", bekennt das lyrische Ich in einem Gedicht von Elfriede Czurda. Vielleicht sollte die erste Begegnung mit der 1946 in Österreich geborenen Autorin überhaupt durch ein Gedicht geschehen. Das klingt paradox, gilt doch gerade die Lyrik als schwierige literarische Bastion, aber die in ihrem Schreiben der experimentellen Sprachtradition verpflichtete Autorin zeigt im Gedicht, wie sie die Systeme sprachlicher Ordnung in allen Gattungen benutzt, um die Gedankenlosigkeit beim Sprechen anschaulich zu machen. Denn jeder Gedanke enthält laut Czurda auch "Verwilderungen", die beim Hören, Lesen und Sprechen unbewusst gespeichert und gedankenlos wieder verwendet werden. In ihnen treibt die Macht hierarchischer Strukturen einen enormen Wildwuchs. An diesem Punkt setzen ihre sprachkritischen Experimente ein. Lässt man Vokale in einer deutschen Textur einfach verschwinden, ergeben sich plötzlich ganz erstaunliche, nicht nur visuelle Verschiebungen.

Das gilt auch für Czurdas Erzählung "Die lecke Rede" aus dem Band "Krankhafte Lichtung". Wie in einem Sprachspiel kommt es durch das Auslassen von Vokalen nicht nur zu rhythmischen Veränderungen. Es entsteht eine Ironie der sprachlichen Bewegungen - der Titel verweist darauf -, die im Kontrast zum Ernst der Handlung auf den eigentlichen Mitteilungswert des Textes verweist. "Die lecke Rede" handelt von einem Geschlechterkampf auf hohem Niveau, der zwischen Hannah und Hakn ausgetragen wird.

"Hannah hat Kinder, die heißn die Arterien sagn nicht Papa. Hörn aber nur auf ihn. Gehörn ihm auch. Die Eigntums Verhältnisse sind so."

Während die Textur vor angestauter Vokalwut bebt und sich der dramatische Konflikt zuspitzt, entleert sich Hannah schließlich vom Wortgeröll in einer "e"-Lache:

"Würgt Hannah all di. v.rschluckt.n . aus sich h.raus und würgt und kotzt."

Wer das als postexperimentelle Erkenntnisstrategie liest, kommt Czurdas poetologischem Anliegen sehr nahe. In der Geschichte "Weisser Geruch" ist der Atomwaffenabwurf auf Hiroshima ihr Thema. Die elende Verlassenheit eines Brandopfers bildet die Zentralperspektive, von der aus berichtet wird. Angesichts der erlittenen apokalyptischen Vernichtungskraft gehorcht auch der Text keiner Ordnung mehr, der Wille hat sich längst vom Körper getrennt.

"Sie liegt hier als ein von irgendwem irgendwo liegengelassenes Ich das nichts über sich vermag sich nichts fragen kann wer wo warum dieser erbärmliche Zustand ein Herz schlägt ein Puls pocht eine Bauchdecke hebt und senkt sich."

Die Aussagen von Überlebenden, die in Kursivschrift eingeblendet sind, werden mehrfach wiederholt und so zu sprachlichen Ritualen. Diese sollen helfen, dem menschlichen Vergessen entgegen zu arbeiten, das jedes katastrophale Geschehen nach sich zieht.

Rezensiert von Carola Wiemers

Elfriede Czurda: Krankhafte Lichtung. 3 wahnhafte Lieben
Verbrecher Verlag, Berlin 2007, 112 Seiten, 13 Euro