Sprachforscher über die Sportjournalisten der Fußball-WM

"Das sind PR-Heinis"

11:54 Minuten
Mexiko feiert den 1:0-Sieg gegen Deutschland im Luschniki-Stadion in Moskau am 17. Juni 2018.
Mexiko feiert den 1:0-Sieg gegen Deutschland. "Seit der Niederlage gegen Mexiko werden wir mit nichts anderem behelligt als irgendwelchem Augurenquark, der da breitgetreten wird." © imago sportfotodienst
Jürgen Roth im Gespräch mit Vera Linß und Martin Böttcher |
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Es gebe so etwas wie Sport-Journalismus im Fernsehen nicht mehr, kritisiert der Schriftsteller Jürgen Roth die aktuelle Fußballberichterstattung. Sein Urteil ist auf vielen Ebenen niederschmetternd.
Professioneller Journalismus scheint sich, wenn es um Fußball geht, komplett verabschiedet zu haben. Sowohl was die Inhalte angeht, aber auch mit Blick auf die sprachliche Qualität, sagt der Schriftsteller Jürgen Roth. Er beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit der Sprache rund um den Fußball und hat darüber mehrere Bücher geschrieben. Das jüngste trägt den Titel "Nie mehr Fußball!". Es ist in großen Teilen eine Abrechnung mit dem Medienbetrieb.

"Pseudojugendliche Berufsschnoddrigkeit"

Roth kritisiert vor allem die übertriebene Länge der Sportberichterstattung. "Seit der Niederlage gegen Mexiko werden wir mit nichts anderem behelligt als irgendwelchem Augurenquark, der da breitgetreten wird. 'Wer wird denn jetzt nun spielen und wie geht es denn der Mannschaft und hat es interne Konflikte gegeben?'"

Man spreche über Dinge, die nicht zu bereden seien und das in einem viel zu flapsigen Stil, einer "dezidiert pseudojugendlichen Berufsschnoddrigkeit". "Das ist ein leeres Reden geschuldet einem Totalformat, das meint, man könne zwischen zwei Spielen nicht auch mal eine halbe Stunde irgendetwas Vernünftiges senden." Dass dabei weder ZDF noch ARD auf die von der FIFA gelieferten Spielaufbereitung Einfluss hätten, sei ein Skandal, findet Roth.

Mehr PR als Journalismus

Die allermeisten Sportjournalisten seien keine Berichterstatter mehr, sondern Verkäufer. "Das sind PR-Heinis und sonst gar nichts. Die müssen eine Sache natürlich interessant und glanzvoll und hoch aufregend darstellen, für die unglaublich viel Gelder gezahlt worden sind und deswegen kann man von Sport-Journalismus im strengen Sinne nicht mehr sprechen."

Der Sprachforscher missbilligt zudem das "Wir", mit dem sich die Sportjournalisten mit der deutschen Nationalmannschaft gerne gemein machen: "Die Mannschaft wird mit einem repräsentativen Symbolismus aufgeladen und wir Zuschauer werden fast genötigt an dieser Kollektiv-Imagination teilzuhaben."

Tendenz zum Nationalismus

Das habe mit dem Spiel und Sport überhaupt nichts zu tun, auch wenn in anderen Ländern wie Brasilien, England oder Island anders damit umgegangen werde. Zudem trage dieses "Wir" eine Tendenz zum Nationalismus in sich. Die 2006 neu aufgeflammte Begeisterung im Dienste der Nationalmannschaft sei inzwischen umgekippt: "Da sehen wir die negativ-nationalistischen Konnotation, die dieses "Wir" notgedrungen in sich trägt, zumal angesichts dieser unseligen Debatte über Özil, Gündogan und Erdogan."
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