Sprachlabor Liebe
Frank Schulz wurde 1957 in Hagen bei Stade geboren. Nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann studierte er Germanistik und Psychologie in Hamburg, wo er heute lebt. Schulz debütierte 1991 mit dem Roman "Kolks blonde Bräute", der sich – bis 2006 – zur sogenannten Hagener Trilogie ausweitete, abgeschlossen mit "Das Ouzo-Orakel". Schulz' Bücher trugen ihm den Ruf eines "Kultautors" ein und wurden u.a. mit dem Hubert-Fichte-Preis und dem Irmgard-Heilmann-Preis ausgezeichnet.
Manche Sorgen sind unbegründet. Als der Hamburger Frank Schulz 2006 nach 15 Jahren mit dem Roman "Das Ouzo-Orakel" seine "Hagener Trilogie" vollendete, schien es auch für seine zahlreichen Anhänger nicht ausgemacht, ob es dem Autor gelingen würde, seinen ungewöhnlichen norddeutschen "Heimatromanen" (mit griechischen Exkursen) Adäquates folgen zu lassen. Mit den 22 Erzählungen und Geschichten, die er nun – im neu gegründeten Verlag Galiani – unter dem hoffnungsvoll stimmenden Titel "Mehr Liebe" vorlegt, zeigt er indes eindrücklich, dass es ein Leben nach der Hagener Trilogie geben wird, dass Schulz bereit ist, zu neuen Ufern aufzubrechen – ohne die bewährten Anlaufstellen seiner Einbildungskraft ganz aufzugeben.
"Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen", lautet das schillernde Motto des Bandes, das Schulz bei der zu Unrecht vergessenen österreichischen Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach gefunden hat und das einen vorzüglichen Rahmen für die folgenden Texte abgibt. Denn um Liebe, um Sehnsucht und ums Enttäuschtwerden geht es allenthalben – in einer Prosa, die verschiedene Formen erprobt und von der klassischen Short-Story bis zur wiederbelebten Kalendergeschichte reicht.
Wie kaum ein Zweiter unter den deutschsprachigen Gegenwartsautoren gelingt es Schulz dabei, Umgangssprache zu integrieren und Gefühlsregungen nachzuzeichnen, selbst wenn diese an der Oberfläche des Alltags kaum wahrzunehmen sind. Empathie mit den oft glücklos agierenden Figuren stellt sich alsbald ein, wenn sie, wie Katja, in Griechenland auf den vermeintlichen Traummann ihres Lebens treffen und diesem hinterherjagen, mit unbefriedigendem Ende, wie es sich versteht. Oder wenn sie wie das alte Dörchen in den Sachen ihres Mannes ein Zündholzbriefchen entdecken, das auf ein zweifelhaftes Hamburger Etablissement verweist und Anlass zu einer Expedition ins Unvertraute gibt.
Immer wieder taucht Frank Schulz in die Sphären der Pubertät und der aus Popmusik und Fußball bestehenden Alltagskultur hinein – in "Sehnsuchtsglühen" oder "Sieben Pferde" – und schildert ohne falsche Sentimentalität, was das mühsame Erwachsenwerden und das vergebliche Hoffen auf Liebesglück für heikle Angelegenheiten sind.
Und manchmal, in der "Trilogie der Gewalt", wechselt Schulz die Tonlage bewusst – ganz so, als wolle er in diesen eruptiven Exzessen die düstere Folie dessen abbilden, was die Akteure der anderen Geschichten beim Bäcker, am Strand oder im Partykeller erleben.
Sprachlich verfügt Schulz über viele Register, vor allem wenn es darum geht, alltägliche Dialoge in ihrer (norddeutschen) Bündigkeit wiederzugeben. Ausladender geht es zu, wenn Frank Schulz Naturbilder malt und sich als Meister der kraftvollen Metapher erweist. Dann erstrecken sich Meeresbuchten in "blau schimmerndem, metallischem Silber, geprägt von einer gewaltigen Raute aus flimmerndem Blattgoldschuppen, umfasst von den versteinerten Armen eines ertrunkenen archaischen Giganten", und dann spätestens weiß man, warum dieser Frank Schulz in keine literarische Schublade passt, zum Glück.
Besprochen von Rainer Moritz
Frank Schulz: Mehr Liebe. Heikle Geschichten
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2010
295 Seiten, 19,95 Euro)
"Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen", lautet das schillernde Motto des Bandes, das Schulz bei der zu Unrecht vergessenen österreichischen Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach gefunden hat und das einen vorzüglichen Rahmen für die folgenden Texte abgibt. Denn um Liebe, um Sehnsucht und ums Enttäuschtwerden geht es allenthalben – in einer Prosa, die verschiedene Formen erprobt und von der klassischen Short-Story bis zur wiederbelebten Kalendergeschichte reicht.
Wie kaum ein Zweiter unter den deutschsprachigen Gegenwartsautoren gelingt es Schulz dabei, Umgangssprache zu integrieren und Gefühlsregungen nachzuzeichnen, selbst wenn diese an der Oberfläche des Alltags kaum wahrzunehmen sind. Empathie mit den oft glücklos agierenden Figuren stellt sich alsbald ein, wenn sie, wie Katja, in Griechenland auf den vermeintlichen Traummann ihres Lebens treffen und diesem hinterherjagen, mit unbefriedigendem Ende, wie es sich versteht. Oder wenn sie wie das alte Dörchen in den Sachen ihres Mannes ein Zündholzbriefchen entdecken, das auf ein zweifelhaftes Hamburger Etablissement verweist und Anlass zu einer Expedition ins Unvertraute gibt.
Immer wieder taucht Frank Schulz in die Sphären der Pubertät und der aus Popmusik und Fußball bestehenden Alltagskultur hinein – in "Sehnsuchtsglühen" oder "Sieben Pferde" – und schildert ohne falsche Sentimentalität, was das mühsame Erwachsenwerden und das vergebliche Hoffen auf Liebesglück für heikle Angelegenheiten sind.
Und manchmal, in der "Trilogie der Gewalt", wechselt Schulz die Tonlage bewusst – ganz so, als wolle er in diesen eruptiven Exzessen die düstere Folie dessen abbilden, was die Akteure der anderen Geschichten beim Bäcker, am Strand oder im Partykeller erleben.
Sprachlich verfügt Schulz über viele Register, vor allem wenn es darum geht, alltägliche Dialoge in ihrer (norddeutschen) Bündigkeit wiederzugeben. Ausladender geht es zu, wenn Frank Schulz Naturbilder malt und sich als Meister der kraftvollen Metapher erweist. Dann erstrecken sich Meeresbuchten in "blau schimmerndem, metallischem Silber, geprägt von einer gewaltigen Raute aus flimmerndem Blattgoldschuppen, umfasst von den versteinerten Armen eines ertrunkenen archaischen Giganten", und dann spätestens weiß man, warum dieser Frank Schulz in keine literarische Schublade passt, zum Glück.
Besprochen von Rainer Moritz
Frank Schulz: Mehr Liebe. Heikle Geschichten
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2010
295 Seiten, 19,95 Euro)