Sprachlose Oscar-Gewinner

Zum ersten Mal seit der ersten Oscar-Verleihung 1929 hat wieder ein Stummfilm die begehrteste Trophäe der Filmindustrie gewonnen, noch zumal einer aus Frankreich. Ansonsten feierte Hollywood sich selbst - asiatische oder lateinamerikanische Filme gingen wieder einmal leer aus.
"And the Osar goes to .... The Artist!"

Und noch dazu eine französische Produktion mit französischen Schauspielern, einem französischen Regisseur und einem französischen Produzenten. Französische Akzente bestimmten folgerichtig die Dankesreden der überwältigten Gewinner. Regisseur Michel Hazanavicius, der für seinen Film schon viele Preise gewonnen hat, vergaß angesichts der Krönung durch einen Oscar die zurecht gelegten Worte:

"Ich bin der glücklichste Regisseur der Welt. Manchmal ist das Leben voller Freude und Glück, einfach wunderbar. Heute ist so ein Tag."

Hauptdarsteller Jean Dujardin schlüpfte noch einmal in die Rolle seines expressiven Helden George Valentine:

"Thank you, oui - I love your country. if George Valentin could speak he would say..."

Es war eine Nacht des Rückblicks auf Filmgeschichte, an dem neben "The Artist" Martin Scorseses 3-D-Nostalgiker "Hugo Cabret" wie der Stummfilm fünf Oscars bekam, allerdings vor allem in sogenannten ‚technischen Kategorien’ wie Filmschnitt, Kamera und visuelle Effekte.

In Film-Einspielungen erzählten Hollywoodstars von ersten prägenden Kinoerlebnissen. Junge Frauen in Variete-Kostümen verteilten altmodische Popcorntüten ans Publikum. Wahre Überraschungen gab es keine. Meryl Streep bekam ihren dritten Oscar und sprach zum Auftakt ihrer Rede sicher vielen aus dem Herzen:

"Als sie meinen Namen genannt haben hatte ich das Gefühl halb Amerika stöhnt, ach nein, warum? Die schon wieder!"

Streeps Margret Thatcher besiegte in der Kategorie der Hauptdarstellerinnen unter anderem Viola Davis Kindermädchen in "The Help". Das Drama über Rassismus im Mississippi der 60er Jahre war für mehrere Oscars nominiert, doch nur Nebendarstellerin Octavia Spencer bekam eine Auszeichnung. Sie war so überwältigt, dass ihr ein Kollege auf die Bühne helfen musste und sie kaum eine Dankesrede über die Lippen brachte.

Abgesehen von diesem Oscar gingen farbige Filmemacher - genauso wie die lateinamerikanischer oder asiatischer Abstammung - wieder einmal leer aus. Genauso wie alle deutschen Hoffnungsträger. US-Kritiker waren zwar von Wim Wenders Pina Bausch Hommage begeistert. Die Akademiemitglieder entschieden sich in der Dokumentations-Kategorie aber für einen Film über ein High-School-Footballteam, das gegen Widerstände Erfolge feiert.

Als bester Nebendarsteller bekam Christopher Plummer einen Oscar für die Rolle eines spät zu seiner Homosexualität stehenden Vaters in ‚The Beginners’. Mit 82 Jahren wurde Plummer damit der älteste Schauspieler, der jemals einen Oscar erhielt. Eine Tatsache, auf die er in seiner Dankesrede augenzwinkernd anspielte.

"Oscar, du bist nur zwei Jahre älter als ich! Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ich muss gestehen: als ich geboren wurde hatte ich eine Oscar-Dankesrede fertig. Zu ihrem Glück ist das so lange her, dass ich sie längst vergessen habe!"

Nur der iranische Regisseur Asghar Farhadi erinnerte an aktuelle Realitäten außerhalb des Theaters. Er bekam für "Nader und Simin - eine Trennung" den Preis für besten fremdsprachigen Film.

"In diesem Moment schauen uns Iraner überall auf der Welt sehr glücklich zu. Weil in dieser Zeit von kriegerischem politischen Tauziehen, von Einschüchterung und Aggression das Land durch die Sprache seiner prächtigen Kultur gesehen wird."

Moderator Billy Crystal führte durch ein Programm, das der Auswahl der nominierten Filme glich: einiges Sehens- und Bewundernswertes, aber wenig, woran man sich noch Jahre später erinnern wird. Hollywood feierte in dieser Nacht seine glorreiche Vergangenheit, in der ein Blick in die Zukunft der Filmindustrie bei manchen Furcht und Verunsicherung auslöst mit den charmanten jungen Franzosen.


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