Sprechende Bilder
Das Deckengewölbe des Palazzo Ducale in Mantua regt zu allerlei Spekulationen und Interpretationen an. Was wollen die Camera-Picta-Fresken dem Betrachter sagen? Die dänische Dichterin Inger Christensen wirft mit ihrem Prosawerk einen spannenden Blick auf die Renaissancezeit des 15. Jahrhunderts.
Am 28. September 2006 wird im Schauspiel Frankfurt zum zweiten Mal der Siegfried-Unseld-Preis verliehen. Gestiftet von der gleichnamigen Stiftung ging der Preis erstmals 2004 an den Schriftsteller Peter Handke. Mit der 1935 im dänischen Vejle geborenen Inger Christensen wird nun 2006 eine Dichterin geehrt, die längst über die heimatlichen Grenzen hinaus bekannt ist und als Grande Dame der Poesie gefeiert wird. Denn von der Dänin kann man enorm viel über den "zarten und gewalttätigen Widerborst, der sich Sprache nennt" (Thomas Kling), lernen.
Aus Anlass der Preisverleihung besorgte der Suhrkamp Verlag eine Nachauflage von Inger Christensens Text "Das gemalte Zimmer. Eine Erzählung aus Mantua", die 1976 in Dänemark und 1989 in deutscher Übersetzung erschien. Der Verlag trifft damit eine kluge Entscheidung, da neben der Lyrik gerade diese kleine Prosaarbeit einen poetischen Schlüsseltext in ihrem Werk darstellt.
Mit sprachlicher Eleganz begibt sich Christensen in "Das gemalte Zimmer" auf einen überaus vergnüglichen und ästhetisch reizvollen Spaziergang durch den Palazzo Ducale in Mantua, der aufgrund der Camera-Picta-Fresken des italienischen Renaissancemalers und Kupferstechers Andrea Mantegna zu einem Augenschmaus in der Lombardei geworden ist. Dabei entsteht ein labyrinthisches Triptychon, in dem Bild und Wort, Wirklichkeit und Fiktion ein amüsantes, multimediales Spiel treiben.
Der erste Teil der Erzählung, "Marsilio Andreasis Tagebücher", enthält die Gedanken des Hofsekretärs der seit 1328 regierenden Adelsfamilie Gonzaga, die mit dem größten Fresko an der Nordwand "Audienz am Hof der Gonzaga" verknüpft sind. Im zweiten Teil kommt die Sklavin Farfalla zu Wort, die sich bei der Betrachtung des Deckengewölbes - dem illusionistischen "Himmelsauge" - an die zahlreichen Intrigen der Gonzagas erinnert. Im Schlusskapitel unternimmt der Sohn Mantegnas, der zehn Jahre alte Bernardino, einen Spaziergang in die Bilderwelt des Vaters.
Mit diesen drei Figuren gelingt Christensen ein spannender und äußerst konträrer Blick auf die Renaissancezeit und die Kunstepoche des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Während Marsilio das Schaffen des Malers aus dem Zentrum der Macht heraus mit der Sprache der Mächtigen kritisch betrachtet, weiß die Sklavin Farfalla um die vielen Geheimnisse am Hofe und in der Stadt. Nur das "Geheimnis des Pfaus" im Deckengewölbe des Palazzo Ducale kann auch sie nicht enthüllen.
Bernardino - als Sohn des Künstlers an der Freskenmalerei aktiv beteiligt - teilt hingegen den Blick des Vaters auf die Wirklichkeit und vermag als Einziger diese künstlerische Welt souverän zu durchwandern. Indem er alle Zeit- und Erzählebenen zusammenführt, gibt er sich gewissermaßen als das alter ego der Autorin zu erkennen.
Christensens Erzählung ist damit keineswegs eine schwer verdauliche Kost. Augenzwinkernd reflektiert sie die interpretatorische Willkür des Kritikers im Umgang mit seinem Gegenstand.
Inger Christensen: Das gemalte Zimmer. Eine Erzählung aus Mantua.
Übersetzt von Hanns Grössel
Bibliothek Suhrkamp, 2006
106 Seiten, 9,80 Euro
Aus Anlass der Preisverleihung besorgte der Suhrkamp Verlag eine Nachauflage von Inger Christensens Text "Das gemalte Zimmer. Eine Erzählung aus Mantua", die 1976 in Dänemark und 1989 in deutscher Übersetzung erschien. Der Verlag trifft damit eine kluge Entscheidung, da neben der Lyrik gerade diese kleine Prosaarbeit einen poetischen Schlüsseltext in ihrem Werk darstellt.
Mit sprachlicher Eleganz begibt sich Christensen in "Das gemalte Zimmer" auf einen überaus vergnüglichen und ästhetisch reizvollen Spaziergang durch den Palazzo Ducale in Mantua, der aufgrund der Camera-Picta-Fresken des italienischen Renaissancemalers und Kupferstechers Andrea Mantegna zu einem Augenschmaus in der Lombardei geworden ist. Dabei entsteht ein labyrinthisches Triptychon, in dem Bild und Wort, Wirklichkeit und Fiktion ein amüsantes, multimediales Spiel treiben.
Der erste Teil der Erzählung, "Marsilio Andreasis Tagebücher", enthält die Gedanken des Hofsekretärs der seit 1328 regierenden Adelsfamilie Gonzaga, die mit dem größten Fresko an der Nordwand "Audienz am Hof der Gonzaga" verknüpft sind. Im zweiten Teil kommt die Sklavin Farfalla zu Wort, die sich bei der Betrachtung des Deckengewölbes - dem illusionistischen "Himmelsauge" - an die zahlreichen Intrigen der Gonzagas erinnert. Im Schlusskapitel unternimmt der Sohn Mantegnas, der zehn Jahre alte Bernardino, einen Spaziergang in die Bilderwelt des Vaters.
Mit diesen drei Figuren gelingt Christensen ein spannender und äußerst konträrer Blick auf die Renaissancezeit und die Kunstepoche des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Während Marsilio das Schaffen des Malers aus dem Zentrum der Macht heraus mit der Sprache der Mächtigen kritisch betrachtet, weiß die Sklavin Farfalla um die vielen Geheimnisse am Hofe und in der Stadt. Nur das "Geheimnis des Pfaus" im Deckengewölbe des Palazzo Ducale kann auch sie nicht enthüllen.
Bernardino - als Sohn des Künstlers an der Freskenmalerei aktiv beteiligt - teilt hingegen den Blick des Vaters auf die Wirklichkeit und vermag als Einziger diese künstlerische Welt souverän zu durchwandern. Indem er alle Zeit- und Erzählebenen zusammenführt, gibt er sich gewissermaßen als das alter ego der Autorin zu erkennen.
Christensens Erzählung ist damit keineswegs eine schwer verdauliche Kost. Augenzwinkernd reflektiert sie die interpretatorische Willkür des Kritikers im Umgang mit seinem Gegenstand.
Inger Christensen: Das gemalte Zimmer. Eine Erzählung aus Mantua.
Übersetzt von Hanns Grössel
Bibliothek Suhrkamp, 2006
106 Seiten, 9,80 Euro