Der "Rummel" ist heute ein verwunschener Ort
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Hier steppte einst der Bär: Der Berliner Spreepark war der einzige Vergnügungspark der DDR. Heute ist er ein "Lost Place", ein verlassener Ort mit Plastik-Dinosauriern, überwucherter Wildwasserbahn und einem Riesenrad als Wahrzeichen.
Blau und Gelb leuchten die Gondeln in der Sonne, manch eine hängt schief, an den meisten nagt der Rost. Das Riesenrad ist das Wahrzeichen des Spreeparks: Schon von weitem zu erkennen – und nicht zu überhören. Damit der Wind es nicht umwirft, ist das Riesenrad beweglich gelagert. Nirgendwo sonst im Park liegen Vergangenheit und Zukunft so eng beieinander wie direkt unter dem 60 Meter hohen Stahlkoloss.
"Das Riesenrad ist die Attraktion, die auch weithin zu sehen ist vom Spreepark, und das soll in jedem Fall wieder in Betrieb genommen werden", sagte bereits vor vier Jahren Berlins damaliger Stadtentwicklungssenator, Andreas Geisel. Es befinde sich in einem Zustand, in dem es wieder in Betrieb genommen werden könne. "Das ist eine der wenigen Setzungen, die wir vornehmen, von denen wir uns aber auch erhoffen, dass sie eine besondere Attraktivität für den Spreepark ausmacht."
Stillstand seit Jahrzehnten
Die Kugellager haben zwar mittlerweile ein paar Tropfen Öl bekommen, aber ansonsten hat sich auf dem Gelände kaum etwas verändert. Seit bald zwei Jahrzehnten herrscht Stillstand. Fahrgeschäfte und Imbissbuden rotten vor sich hin, Plastik-Dinosaurier liegen auf der Erde, ein Schwanenboot treibt regungslos auf dem Wasser.
Der ehemalige Vergnügungspark ist heute ein verwunschener Ort. Die perfekte Location für Fotoshootings und Filmdrehs. Damals, in den 1970er und 1980er Jahren steppte hier regelmäßig der Bär, erinnert sich Jeanette Hix, die als Teenager viel Zeit im "Kulti" verbrachte – im Kulturpark Plänterwald, wie der Rummel offiziell hieß. Sie sagt: "Der Park war so was von voll im Osten, Wahnsinn. Die ganzen Armisten, wie wir immer gesagt haben, aus der gesamten DDR haben hier einen Ausflug her gemacht, und dann sind diese Horden am Bahnhof Plänterwald der S-Bahn entströmt und hier den Dammweg runter, und dieser Weg war immer rappelvoll mit Menschen. Wahnsinn. Jeden Sonnabend war hier Tanz. Das war ooch so das einzige, was es hier gab, hier bei uns so im Osten."
Auch Christopher Flade bestätigt das. Der West-Berliner hat mehrere Bücher über die Geschichte des Spreeparks geschrieben und sagt: "Es gab nichts Vergleichbares." Es habe zwar eine Menge Kulturparks in der DDR gegeben, aber ohne ständigen Rummelplatz. "Dann kam dazu: Es waren zum größten Teil Attraktionen aus dem so genannten nichtsozialistischen Ausland, also Fahrgeschäfte, die man sonst in der DDR gar nicht fahren konnte, und das hat den Park wirklich zu einem sehr besonderen Ort gemacht. Die meisten Leute sprechen wirklich von einem Stück Westen im Osten."
Kein echter Neuanfang nach 1990
1990, gleich nach dem Fall der Mauer, kommen die Westdeutschen und mit ihnen neue Ideen und Vermarktungskonzepte. "Das ist momentan in der DDR einmalig und erstmalig, dass wir ein 180-Grad-Kino haben", sagt die Stimme eines junger Mannes. "Wir haben jetzt hier momentan nur zwei bis drei Filme zur Auswahl, das sind so genannte Action-Szenen, die laufen zwölf Minuten, verschiedene Abschnitte: Achterbahn, irgendwelche Chaosfahrten, Zugfahrten, mit einem Hubschrauber fliegen sie da, das ist momentan für den DDR-Bürger noch ein Erlebnis, man zuckt ooch zusammen."
Es gibt Stuntshows, Wildwasserfahrten, Achterbahnen. Doch all das kann den "Kulti" nicht retten. Die Besucher bleiben weg. 2001 muss der Park schließen. Insolvenz. Seitdem liegt das Gelände brach. 2014 erwirbt Berlin die 23 Hektar. Nun kümmert sich die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin um ein Entwicklungskonzept für das Gelände. Dazu gehören auch regelmäßige Führungen.
Im Dickicht hoher Sträucher sind die Schienen der Parkbahn zu erkennen. Ein Drachenmaul lugt unter dichtem Grün hervor. Die Wildwasserbahn ist überwuchert von Buschwerk. Die Natur hat seit dem Ende des Vergnügungsparks ganze Arbeit geleistet.
Der Chef von Grün Berlin, Christian Schmidt, will ein paar der alten Anlagen und Fahrgeschäfte wieder herrichten lassen, aber nicht um jeden Preis. Wirtschaftlich muss es sein, sagt er. "Es wird kein Disneyland, es wird auch nicht die Wiederbelebung des ehemaligen Spreeparks, so wie man ihn möglicherweise noch aus eigener Anschauung kennt."
Kein Rummel, kein "Kulti", sondern ein Ort für Kunst und Kultur soll entstehen. Mitten im Landschaftsschutzgebiet. Die Chancen stehen gut, dass das Gelände den Charme des Vergänglichen behält. Aber auch, dass das Riesenrad sich bald wieder drehen wird.