Sprengung des Sendemastes Britz

"Nun ist das alles vorbei"

Sendemast Britz
Sendemast Britz © Deutschlandradio / Christian Kruppa
Von Kemal Hür |
Ein Stück altes Berlin ist verschwunden: Am Samstag wurde der alte Sendemast in Britz gesprengt. Bei den Zuschauern wurden viele Erinnerungen wach.
Nur 12 Sekunden dauert es nach dem Knall. Und er ist Geschichte: Der Sendemast knickt einmal im unteren Drittel ein und stürzt in ein Feld. Der Abteilungsleiter der Programmverbreitung des Deutschlandradios Kultur, Reinhardt Deuscher, schaut etwas traurig.
"Damit ist auch das letzte Relikt der Mittelwellenrundfunkgeschichte in Berlin zu Ende gegangen, was damals 1923 begann im Volkshaus – die ersten Mittelwellensendungen. Ja, das muss man so erstmal zur Kenntnis nehmen. Aber wenn es die Technik nicht gegeben hätte, gäbe es jetzt nicht die moderneren digitalterrestrischen Verbreitungsmöglichkeiten. Und da freuen wir uns drauf, da noch mehr aufzubauen."
Ein technologisches Wunder
Deuscher steht auf dem Dach einer Gartenlaube neben vielen Fotografen und Kameraleuten. Die Laube gehört Detlef Redlin. Der 67-jährige Mann mit grauem Haar und Bart verbringt seine Wochenenden seit Mitte der 70er Jahre in seiner Laube. Für ihn war der Sendemast ein technologisches Wunder, erzählt er. Wenn seine Frau und er gekocht haben, brauchten sie kein Radiogerät.
"Wenn die gesprochen haben, der Sender war so stark gewesen, dass wenn wir den Herd eingeschaltet haben, da kam sogar Musik oder Sprache vom Sender raus. Man hat’s nicht richtig verstanden, aber man hat gewusst, dass das der RIAS ist. Der hat ja eine bestimmte Melodie gehabt, der RIAS. Und da hat man das gehört. Und nun ist das ja alles vorbei."
Radio aus der Herdplatte wird es nicht mehr geben. 54 Jahre stand der Mast mit seinen 160 Metern im Berliner Ortsteil Britz im südlichen Neukölln. Ursprünglich wurde er errichtet, um Programme auf der Mittelwelle zu verbreiten. Später wurden an der Spitze aber auch Antennen für die UKW-Frequenzen montiert. Die UKW-Verbreitung erfolgt seit 2012 über den Fernsehturm am Alexanderplatz. Und die Mittelwelle wurde vor zwei Jahren komplett eingestellt. Damit wird der Mast nicht mehr gebraucht, sagt Reinhardt Deuscher.
Abmontieren wäre zu teuer gewesen
"Die Beibehaltung oder Instandsetzung ist sehr aufwendig. Und der Mast hat für uns keine Funktion mehr. Auf der einen Seite ist es ein Arbeitsmittel, auf der anderen Seite ist es ein historisches Teil in der Rundfunkgeschichte. Und das sind doch ökonomische Gründe, die dazu führen, dass wir den Mast jetzt abreißen oder demontieren."
Auch für die Sprengung sprachen ökonomische Gründe. Ein Abmontieren wäre zu teuer gewesen. Etwa fünfzig Berliner schauen sich die Sprengung an, machen Fotos und Videos. Mit dem nun umgelegten Mast verbinden sie vor allem Erinnerungen an den RIAS in Westberlin. Familie Sievert saß sonntags immer gemeinsam vor dem Radio. Und dann durfte auch niemand anrufen, sagt Jürgen Sievert.
"Die große Sendung war immer sonntags mit ehemals Hans Rosenthal, der das ja auch ins Leben gerufen hat, dieses Sonntagsrätsel. Wir haben die zu zweit oder zu dritt gehört, haben dann auch geraten, gewälzt. Und das ist schon interessant, was man dazu lernt teilweise."
Die Sprengung hat viele Erinnerungen wachgerufen. Dieser Knall wird seit heute dazugehören.
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