Unüberlegte Worte können Angst machen
Eine Geburt ist eine hochsensible Situation. Und die Sprache rund um dieses Ereignis entscheidet mit darüber, wie sich eine Frau dabei fühlt. Unüberlegte Worte können Stress auslösen - oder aber dazu beitragen, Komplikationen zu verhindern.
Sprache kann Bilder schaffen, die Hindernisse groß werden lassen. Manche davon sind sogar fest im medizinischen Sprachgebrauch verankert. Schon anatomische Begriffe wie "Damm" oder "Geburtskanal klingen nach Barrieren, beengt, problematisch und alles andere als "fließend" oder natürlich.
Gute Sprache und positive Bilder
Den Glauben an sich selbst und Begleitung durch gute Sprache und positive Bilder brauchen Frauen jedoch dringend während der Geburt, denn in einer existenziellen Situation wie dieser sind auch Wahrnehmung und Aufmerksamkeit verändert: Weniger rationales, sondern ein sehr bildhaftes Verständnis und hochfokussierte Aufmerksamkeit kennzeichnen diesen Zustand, sagt Psychologin und Hypnotherapeutin Alexandra Kopf. Die Wahrnehmung ist selektiv und für bestimmte Inhalte und Bilder unmittelbar durchlässig. Ein verletzlicher Zustand, der für Geburtsbegleiter Chance und Verantwortung zugleich bedeutet.
Alexandra Kopf: "Ich sage immer, wir können uns gegen Suggestionen nicht wirklich schützen oder gegen Sprache. Wir können die Augen zumachen, wenn wir was nicht sehen wollen, aber wir können nicht die Ohren zuklappen, wenn wir was nicht hören wollen. – Welche Suggestionen werden mitgegeben. Das muss man sich gut überlegen, weil jedes Wort ein Bild produziert, jedes Wort ein Gefühl. – Bewusst oder unbewusst. Aber es brennt sich ein, weil es unglaublich wichtig ist. Dieses klassische 'Oh, der Kopf schon sehr groß' oder 'Sie haben einen Beckenanomalie', so Geschichten, wo sofort Bilder entstehen, wo die Frauen so sagen 'Ich hab grad gleich so einen Riesenkopf vor meinem inneren Auge gesehen.' Alles besorgniserregend."
Kommunikationslücken fördern Komplikationen
Auch Elke Kötter, Hebamme und Abteilungsleiterin der Geburts- und Wochenbettstation der DRK-Klinik in Berlin-Köpenick misst der Kommunikation während der Geburt zentralen Wert bei.
Elke Kötter: "Die Kommunikation mit den Frauen, vor allen Dingen positive Kommunikation. Man kann damit ganz viel bewirken. Zum einen ihnen Zutrauen zu geben, das zu schaffen, und aber auch eine Verbindung zum Kind herzustellen, und ihn vor allen Dingen die Möglichkeit geben, gestärkt aus der Sache rauszugehen. Und das geht mit Worten - vor allen Dingen."
Für den Gynäkologen Sven Hildebrandt, Mitbegründer eines inzwischen 20 Jahre bestehenden Geburtshauses und Professor an der Hochschule Fulda, ist die in überlasteten Kreisssälen durch Nicht-Kommunikation entstehende Leere ein Ausgangspunkt für Komplikationen und medizinische Interventionen.
Sven Hildebrandt: "Und eine Kommunikationslücke, wenn die Frau zum Beispiel allein ist, weil die Hebamme gerade bei einer anderen Geburt ist. Dort plötzlich mit Symptomen konfrontiert wird, die sie nicht einordnen kann, weil sie einfach das tröstende Wort der Hebamme bräuchte. Das ist normal. Mach dir keine Sorgen. Bleib bei dir, komm wieder runter, atme ruhig Wenn dieses Wort dann nicht da ist, dann steigert sich die Frau in eine Angst hinein, sie gerät in Anspannung, Sie wird den Schmerz anders erleben, den Geburtsschmerz anders erleben und das triggert Komplikation an."
Elke Kötter: "Es gibt ja diesen Angst, Spannungs, Schmerz, Kreislauf, kennst Du den? Es geht ja darum, dass man Schmerzen hat und dass die einem Angst machen. Und diese Angst macht Verspannung, macht unseren Körper verspannt, schüttet Adrenalin aus und so weiter.
Sven Hildebrandt: "Diesen problematischen Teufelskreis, der ja wissenschaftlich bestens untersucht ist, der Teufelskreis aus Angst-Schmerz-Verspannungen-Komplikationen oder Angst-Schmerz-Komplikationen, egal wie Sie es sehen. Aber dieser Sinnkreis baut sich bei einer Geburt auf, wenn die Frau in Angst kommt."
Kaiserschnitt kann aus Angstsituation folgen
Und dann folgt vielleicht eine Interventionsspirale. In diesem Sinn kann ein Kaiserschnitt auch die Folge eines Problems sein, das erst aus einer Angstsituation erwachsen ist. Das PDA, Wehentropf und Komplikationen erst nach sich zieht, obwohl dies durch ständige positiv-bestärkende Anwesenheit, Zuwendung und Sprache sogar verhindert werden könnte. – Das Problem dahinter reicht weit über Sprache hinaus, es ist ein strukturelles…
Elke Kötter: "Und dann hat man Angst vor der nächsten Wehe. Die kommt und die tut viel mehr weh, weil man wahnsinnig verspannt ist. Und dann kommt wieder der Schmerz. Und das ist ein Kreislauf. Wir können ihn nur an der Angst kappen. Wir können durch positives Zutrauen durch Du schaffst das Du kannst das. Wir gehen diesen Marathon gemeinsam« Nur so kann man das schaffen. Anders geht es nicht."
Einspieler: "Sie hat gesagt: Melden Sie sich, wenn die Schmerzen stärker werden. – Sie werden also auf jeden Fall stärker werden. Ich muss darauf achten. Wann soll ich mich melden? Jetzt? Später? Wie viel kann ich aushalten? Ich muss mich darauf konzentrieren…"
Alexandra Kopf: "Das sind schon negative Suggestionen eigentlich in Richtung Schmerzen oder und man könnte zum Beispiel sagen: Ja gehen Sie weiter. Bleiben sie gut bei sich. Ich schau regelmäßig nach ihnen. Sie sind gut im Prozess… Je nachdem, was man natürlich wahrnimmt, ohne dass man irgendwelche Lügen erzählt oder jemanden was erzählt, was man selber nicht glaubt. Das ist ja eine Haltung."
Alexandra Kopf: "Das sind schon negative Suggestionen eigentlich in Richtung Schmerzen oder und man könnte zum Beispiel sagen: Ja gehen Sie weiter. Bleiben sie gut bei sich. Ich schau regelmäßig nach ihnen. Sie sind gut im Prozess… Je nachdem, was man natürlich wahrnimmt, ohne dass man irgendwelche Lügen erzählt oder jemanden was erzählt, was man selber nicht glaubt. Das ist ja eine Haltung."
Einspieler: "Wenn Ihr Kreislauf einknickt, sagen Sie Bescheid!" sagt sie. "Ja…ich… So ist das… Mir ist schwindelig."
"Selbsterfüllende Prophezeihungen"
Autorin: "Die Sprache ist ein Instrument, ein machtvolles, das selbsterfüllende Prophezeihungen auslösen und zerstörerische Bilder setzen kann. Aber sie kann auch positive Kräfte freisetzen, bestärken, Berge versetzen helfen. Was man wohl wünschen kann, sind Geburtsbegleitende, die diese Kunst der Sprache sensibel zu verwenden wissen. Manchmal kann das auch bedeuten, weniger zu sprechen", sagt Alexandra Kopf.
Einspieler: "Die Herztöne sind schlecht... Das Kind muss raus... Saugglocke... Kaiserschnitt"
Alexandra Kopf: "Und wenn man nur einmal ein gutes Wort sagt. Es gibt so ein schönes Gedicht: Sagt einer ein gutes Wort, gehen wir in warme Länder fort. So ist meine Faszination für diese Kraft der Sprache in positiver Weise. Das ist ein wunderbares Feld und letztendlich, was ich immer für die Frauen wünsche. Dass sie hinterher sagen können: Es nichts passiert, was ich nicht wollte oder mitbestimmen konnte. Dass sie bei sich sind."
Sven Hildebrandt: "Wir sind dabei und wir erleben diese Sternstunde, diese Sternstunde der Menschheit erleben wir jetzt gerade mit. Und verstehen sie, wenn sie solche Sätze bei der Geburt irgendwie der Frau sagen. Es ist großartig gleich ist ein Kind da. Und dieses Kind wird den Menschen beglücken und es wird wunderbar sein, dass dieses Kind gibt nicht nur für dich sondern für viele viele Menschen. Und es ist einfach wunderbar, was jetzt gerade passiert. Wenn wir die Frauen immer wieder auf diese Ebene der Geburt zurück holen und damit erreichen, dass sie weg kommt vom Schmerz, wegkommen von der Sorge, wegkommen von der Angst, und wegkommen von der Komplikation. Dann werden wir hormonelle Systeme triggern, die ganz wesentlich für das Gelingen der Geburt ist."