Spurensuche in der Normandie
"Madame Bovary, c'est moi" ("Madame Bovary - das bin ich") soll Flaubert über die Hauptfigur seines Welterfolgs "Madame Bovary" gesagt haben. Für Kurt Drawert ist diese Aussage Grund genug, sich in seinem Essay "Emma.Ein Weg" auf die Suche nach jener Emma Bovary zu begeben. Um herauszufinden, wer diese Emma für den Autor war, ist er ihr an die Orte des Geschehens in die Normandie gefolgt.
Am 29. Januar 1857 eröffnete der Gerichtshof in Paris einen legendären Prozess, dessen Bedeutung in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Auf der Anklagebank saß neben dem Herausgeber der "Revue de Paris", Laurent Pichat, sowie dem Drucker der Zeitschrift auch der französische Romancier Gustave Flaubert (1821-1880).
Flaubert hatte mit dem Titel "Madame Bovary" in der "Revue de Paris" einen Roman veröffentlicht, der inzwischen zur Weltliteratur gehört. Ihm wurde vorgeworfen, mit den körperlichen Leidenschaften und sozialen Grenzüberschreitungen der Emma Bovary gegen "die öffentliche und religiöse Moral und gegen die guten Sitten" verstoßen zu haben.
"Madame Bovary" war Gustave Flauberts erstes großes Werk und sein Erscheinen wird seitdem von einem Satz begleitet, den Flaubert gesagt haben soll: "Madame Bovary, c'est moi" ("Madame Bovary – das bin ich"). Leider gibt es dafür keinen schriftlichen Nachweis und so kreiselt der als Bekenntnis des Autors interpretierte Ausspruch seltsam losgelöst um das literarische Werk und hat vielfach zur Verrätselung der Autorschaft geführt.
Für den 1956 geborenen Lyriker, Romancier und Dramatiker Kurt Drawert ist dieser Satz Grund genug, danach zu suchen, wer jene Emma Bovary überhaupt war und wer sie vor allem für den Autor war:
"Eine Provokation und damit eine Maske, die auf die Maske gesetzt wird, oder ein Bekenntnis, durch das die Maske für den Augenblick verrutscht?"
Sein Essay Emma. Ein Weg, der bei dieser Spurensuche entstand, ist keine Kopfgeburt. Drawert begab sich an die Orte des Geschehens in Frankreich und folgt dem Wegweiser der "Promenade au pays d'Emma Bovary" in der Normandie. Ausgangspunkt war Ry, ein kleiner Ort, den sich Flaubert als Vorlage für seinen Roman ausgesucht hatte und in dem die Geschichte Emmas, wie er schreibt, "ihr tragisches Finale findet".
Das Haus, in dem die Bovarys gewohnt haben sollen, ist heute eine Apotheke und die Apotheke des Monsieur Homais ist nun zu einer öffentlichen Reinigung geworden. Mit den Namen Bovary und Homais steckt der Leser bereits tief in Flauberts Welt, die durch Drawerts Text thematisch und sprachlich reizvoll ausgeleuchtet wird. Beide Namen markieren extreme Positionen, zwischen denen sich sowohl im Roman als auch im Essay ein Spannungsfeld entwickelt.
Homais, der stupide und selbstzufriedene Durchschnittsbourgeois, dessen kalter Pragmatismus gegen die Romantik ins Feld zieht, steht Emmas Idealen gegenüber, die – selbst vom "bourgeoisme" gezeichnet -, aus ihrem engen, rationalen Lebenskerker auszubrechen versucht. Darin verkörpert Emma für Drawert, entgegen anderer Interpretationen, vor allem das romantische Ideal der absoluten Liebe. Denn Flaubert verwies mit seiner literarischen Figur auf den Riss, der seine Person in einen "pfeifchenrauchenden Philister bei der Lektüre der Morgenpost und einen Anarchisten auf dem Papier" spaltete und das Schreiben erbarmungslos regierte.
Kurt Drawerts Essay Emma. Ein Weg führt und verführt gleichermaßen. Seine territoriale wie gedankliche Spurensuche gibt den Weg frei, um die Bedeutung eigener Schreibanlässe zu diskutieren. Da "Madame Bovary" aber auch eine Art Lexikon der Stilkunde ist und in sich bereits "sämtliche modernen Techniken der literarischen Avantgarde" vereint, geht es ihm auch um das eigene Sprachvermögen.
Kurt Drawert: Emma. Ein Weg. Mit Fotos von Ute Döring. Wien Sonderzahl 2005. 119 Seiten
Flaubert hatte mit dem Titel "Madame Bovary" in der "Revue de Paris" einen Roman veröffentlicht, der inzwischen zur Weltliteratur gehört. Ihm wurde vorgeworfen, mit den körperlichen Leidenschaften und sozialen Grenzüberschreitungen der Emma Bovary gegen "die öffentliche und religiöse Moral und gegen die guten Sitten" verstoßen zu haben.
"Madame Bovary" war Gustave Flauberts erstes großes Werk und sein Erscheinen wird seitdem von einem Satz begleitet, den Flaubert gesagt haben soll: "Madame Bovary, c'est moi" ("Madame Bovary – das bin ich"). Leider gibt es dafür keinen schriftlichen Nachweis und so kreiselt der als Bekenntnis des Autors interpretierte Ausspruch seltsam losgelöst um das literarische Werk und hat vielfach zur Verrätselung der Autorschaft geführt.
Für den 1956 geborenen Lyriker, Romancier und Dramatiker Kurt Drawert ist dieser Satz Grund genug, danach zu suchen, wer jene Emma Bovary überhaupt war und wer sie vor allem für den Autor war:
"Eine Provokation und damit eine Maske, die auf die Maske gesetzt wird, oder ein Bekenntnis, durch das die Maske für den Augenblick verrutscht?"
Sein Essay Emma. Ein Weg, der bei dieser Spurensuche entstand, ist keine Kopfgeburt. Drawert begab sich an die Orte des Geschehens in Frankreich und folgt dem Wegweiser der "Promenade au pays d'Emma Bovary" in der Normandie. Ausgangspunkt war Ry, ein kleiner Ort, den sich Flaubert als Vorlage für seinen Roman ausgesucht hatte und in dem die Geschichte Emmas, wie er schreibt, "ihr tragisches Finale findet".
Das Haus, in dem die Bovarys gewohnt haben sollen, ist heute eine Apotheke und die Apotheke des Monsieur Homais ist nun zu einer öffentlichen Reinigung geworden. Mit den Namen Bovary und Homais steckt der Leser bereits tief in Flauberts Welt, die durch Drawerts Text thematisch und sprachlich reizvoll ausgeleuchtet wird. Beide Namen markieren extreme Positionen, zwischen denen sich sowohl im Roman als auch im Essay ein Spannungsfeld entwickelt.
Homais, der stupide und selbstzufriedene Durchschnittsbourgeois, dessen kalter Pragmatismus gegen die Romantik ins Feld zieht, steht Emmas Idealen gegenüber, die – selbst vom "bourgeoisme" gezeichnet -, aus ihrem engen, rationalen Lebenskerker auszubrechen versucht. Darin verkörpert Emma für Drawert, entgegen anderer Interpretationen, vor allem das romantische Ideal der absoluten Liebe. Denn Flaubert verwies mit seiner literarischen Figur auf den Riss, der seine Person in einen "pfeifchenrauchenden Philister bei der Lektüre der Morgenpost und einen Anarchisten auf dem Papier" spaltete und das Schreiben erbarmungslos regierte.
Kurt Drawerts Essay Emma. Ein Weg führt und verführt gleichermaßen. Seine territoriale wie gedankliche Spurensuche gibt den Weg frei, um die Bedeutung eigener Schreibanlässe zu diskutieren. Da "Madame Bovary" aber auch eine Art Lexikon der Stilkunde ist und in sich bereits "sämtliche modernen Techniken der literarischen Avantgarde" vereint, geht es ihm auch um das eigene Sprachvermögen.
Kurt Drawert: Emma. Ein Weg. Mit Fotos von Ute Döring. Wien Sonderzahl 2005. 119 Seiten