"Staat hat Ausgabenproblem, kein Einnahmeproblem"
Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, hat Steuersenkungen gefordert. "Wir wollen einfach, dass die Bürgerinnen und Bürger vom Staat wieder fair behandelt werden", sagte Homburger.
Hanns Ostermann: Die Steuern müssen runter! Mantrahaft wiederholt die FDP ihre Forderung, obwohl sie von allen Seiten drastisch formuliert Prügel bezieht. Auch wenn die ursprünglichen Pläne längst abgespeckt wurden, der Spielraum, so die Fachleute, steht schlichtweg nicht zur Verfügung.
Das gilt vor allem dann, wenn die Informationen der "Süddeutschen Zeitung" stimmen. Danach fällt die Steuerschätzung in zwei Wochen längst nicht so gut aus wie erhofft. Der Finanzminister scheint für sich schon die Konsequenzen gezogen zu haben.
Die klamme Haushaltslage in den Kommunen ist wichtiger als Steuersenkungen. Die FDP schäumt, allen voran die Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag, Birgit Homburger. Sie ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Homburger!
Birgit Homburger: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Selbst eingefleischte FDP-Anhänger sind von der Forderung der Steuersenkung abgerückt. Warum sind sie so beratungsresistent?
Homburger: Wir orientieren uns am Machbaren, und das haben uns ja auch in den letzten Tagen viele attestiert. Wir wollen einfach, dass die Bürgerinnen und Bürger vom Staat wieder fair behandelt werden. Und wenn in einer Situation wie dieser Wirtschafts- und Finanzkrise die mittelfristige Finanzplanung des Bundesfinanzministers davon ausgeht, dass wir bis zum Jahr 2013 noch 124 Milliarden Euro Mehreinnahmen haben, dann hat der Staat aus unserer Sicht nicht etwa ein Einnahmenproblem, er hat ein Ausgabenproblem. Deshalb sagen wir, Haushaltskonsolidierung und Entlastung derer, die das erwirtschaften, was wir dann mit den Steuern bezahlen, das muss Hand in Hand gehen.
Ostermann: Aber noch mal: Wo bleibt der ökonomische Sachverstand? Der Staat ist hoch verschuldet, das ist doch unumstritten, die Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch, also brauchen händeringend Geld, und Sie wollen die Steuern in einem Volumen von 16 Milliarden senken. Woher soll das Geld kommen?
Homburger: Wir haben deutlich gemacht, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt der Einsparung im Haushalt. Das heißt, wir haben sehr wohl die Realität im Blick. Nur wir sagen einfach, man muss diese Anstrengungen zur Haushaltssanierung, dazu, dass man sich die Spielräume für Steuersenkungen für die Bürgerinnen und Bürger, für die unteren und mittleren Einkommensgruppen, für die Mitte der Gesellschaft schafft, diese Anstrengungen muss man unternehmen. Und wenn man die gar nicht erst unternimmt, wenn man schon kapituliert, bevor man angefangen hat, dann wird man das Ziel nicht erreichen.
Und wir sagen einfach sehr deutlich: Es kann nicht sein, wenn ein Arbeitnehmer brutto 3100 Euro verdient, dass er dann von jedem Euro, den er zusätzlich verdient, gerade mal 48 Cent behalten darf und 52 Cent abgeben muss. Das ist kein fairer Umgang des Staates mit seinen Bürgern, das ist Abzocke, und das wollen wir ändern.
Wir wollen also die sogenannte kalte Progression, den Mittelstandsbauch beseitigen, und wir sind überzeugt davon, dass das ökonomisch sinnvoll ist und Anreize setzt auch wieder für mehr Steuereinnahmen durch eine entsprechend bessere Möglichkeit auch der Bürgerinnen und Bürger, wieder bestimmte Dinge zu konsumieren.
Ostermann: Frau Homburger, ich frage mich trotzdem: Wo kann gespart werden? Die FDP wollte ja auch mal vor einigen Monaten das Entwicklungsministerium abschaffen, ist von diesen alten Forderungen abgerückt. Also wo konkret würden Sie den Rotstift ansetzen?
Homburger: Wir haben deutlich gemacht, dass alle Subventionen auf den Prüfstand gehören, dass es darüber hinaus eine ganze Reihe von Programmen im Bundeshaushalt gibt, bei denen man sich mal anschauen muss, ob sie tatsächlich so nötig sind. Wir haben eine Vielzahl von Programmen, die nebeneinander herlaufen, die dasselbe Ziel verfolgen. Da kann man sicherlich vieles deutlich effizienter machen.
Wir haben beispielsweise im Rüstungsbereich Möglichkeiten der Einsparung, auch die haben wir aufgezeigt. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wo man einsparen kann, und wir haben diese Möglichkeiten aufgezeigt, und ich glaube, da ist das Potenzial da, um in den Verhandlungen mit der Union dann gemeinsam festzulegen, wo eingespart werden soll.
Ostermann: Was machen Sie eigentlich, wenn Wolfgang Schäuble – das deutete er in einem Gespräch mit dem "Spiegel" an – wenn Wolfgang Schäuble hart bleibt, das Geld den Kommunen gibt und nicht für Steuersenkungen zur Verfügung stellt?
Homburger: Wolfgang Schäuble entscheidet das ja nicht alleine, und wir haben aus der CDU heraus in den letzten Tagen ja auch sehr viele hochrangige Stimmen gehört, die genau in unsere Richtung gehen, die gesagt haben, der Zeitplan, der Tarifverlauf, auch das Volumen, was die FDP beschrieben hat, geht in die richtige Richtung, und ich finde schon bemerkenswert, dass der Bundesfinanzminister einerseits erklärt, die Pläne der FDP seien nicht finanzierbar, obwohl wir das ja im Koalitionsvertrag genau so gemeinsam festgelegt haben, und zwar auf der Basis von Berechnungen und soliden Zahlen, und auf der anderen Seite lässt er dann über seinen Sprecher in der letzten Woche ausrichten, dass er eigentlich von einem Entlastungsvolumen von 19 Milliarden, also einem höheren Entlastungsvolumen ausgeht. Das passt nicht zusammen, und ich denke, da werden wir mit der Union in den Gesprächen schon zusammenkommen und das auch gemeinsam schaffen.
Ostermann: Ja! Den Termin immer weiter nach hinten schieben, so habe ich gestern Volker Kauder auch im ZDF verstanden. Der legt sich nämlich nicht auf einen bestimmten Zeitraum fest.
Homburger: Wir haben im Koalitionsvertrag stehen, dass wir noch in dieser Legislaturperiode die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen in Deutschland erreichen wollen. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Koalition, und wenn man dieses Ziel erreichen will, dann kann man das auch schaffen. Auch Wolfgang Schäuble hat ja noch mal deutlich gemacht, dass das im Koalitionsvertrag steht.
Deshalb gehe ich fest davon aus, dass er mit uns daran arbeiten wird, eine Lösung zu finden. Wir sind jedenfalls von Seiten der FDP der Meinung, dass man es schaffen kann, die Haushaltskonsolidierung und im Übrigen auch eine entsprechende Neuregelung der Finanzierung der Kommunen und diese Entlastung in Einklang zu bringen. Das war auch die gemeinsame Haltung, so steht es im Koalitionsvertrag, und das wollen wir auch umsetzen.
Ostermann: Birgit Homburger, die Fraktionsvorsitzende der FDP im Deutschen Bundestag. Frau Homburger, danke Ihnen für das Gespräch heute früh.
Homburger: Bitte sehr!
Das gilt vor allem dann, wenn die Informationen der "Süddeutschen Zeitung" stimmen. Danach fällt die Steuerschätzung in zwei Wochen längst nicht so gut aus wie erhofft. Der Finanzminister scheint für sich schon die Konsequenzen gezogen zu haben.
Die klamme Haushaltslage in den Kommunen ist wichtiger als Steuersenkungen. Die FDP schäumt, allen voran die Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag, Birgit Homburger. Sie ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Homburger!
Birgit Homburger: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Selbst eingefleischte FDP-Anhänger sind von der Forderung der Steuersenkung abgerückt. Warum sind sie so beratungsresistent?
Homburger: Wir orientieren uns am Machbaren, und das haben uns ja auch in den letzten Tagen viele attestiert. Wir wollen einfach, dass die Bürgerinnen und Bürger vom Staat wieder fair behandelt werden. Und wenn in einer Situation wie dieser Wirtschafts- und Finanzkrise die mittelfristige Finanzplanung des Bundesfinanzministers davon ausgeht, dass wir bis zum Jahr 2013 noch 124 Milliarden Euro Mehreinnahmen haben, dann hat der Staat aus unserer Sicht nicht etwa ein Einnahmenproblem, er hat ein Ausgabenproblem. Deshalb sagen wir, Haushaltskonsolidierung und Entlastung derer, die das erwirtschaften, was wir dann mit den Steuern bezahlen, das muss Hand in Hand gehen.
Ostermann: Aber noch mal: Wo bleibt der ökonomische Sachverstand? Der Staat ist hoch verschuldet, das ist doch unumstritten, die Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch, also brauchen händeringend Geld, und Sie wollen die Steuern in einem Volumen von 16 Milliarden senken. Woher soll das Geld kommen?
Homburger: Wir haben deutlich gemacht, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt der Einsparung im Haushalt. Das heißt, wir haben sehr wohl die Realität im Blick. Nur wir sagen einfach, man muss diese Anstrengungen zur Haushaltssanierung, dazu, dass man sich die Spielräume für Steuersenkungen für die Bürgerinnen und Bürger, für die unteren und mittleren Einkommensgruppen, für die Mitte der Gesellschaft schafft, diese Anstrengungen muss man unternehmen. Und wenn man die gar nicht erst unternimmt, wenn man schon kapituliert, bevor man angefangen hat, dann wird man das Ziel nicht erreichen.
Und wir sagen einfach sehr deutlich: Es kann nicht sein, wenn ein Arbeitnehmer brutto 3100 Euro verdient, dass er dann von jedem Euro, den er zusätzlich verdient, gerade mal 48 Cent behalten darf und 52 Cent abgeben muss. Das ist kein fairer Umgang des Staates mit seinen Bürgern, das ist Abzocke, und das wollen wir ändern.
Wir wollen also die sogenannte kalte Progression, den Mittelstandsbauch beseitigen, und wir sind überzeugt davon, dass das ökonomisch sinnvoll ist und Anreize setzt auch wieder für mehr Steuereinnahmen durch eine entsprechend bessere Möglichkeit auch der Bürgerinnen und Bürger, wieder bestimmte Dinge zu konsumieren.
Ostermann: Frau Homburger, ich frage mich trotzdem: Wo kann gespart werden? Die FDP wollte ja auch mal vor einigen Monaten das Entwicklungsministerium abschaffen, ist von diesen alten Forderungen abgerückt. Also wo konkret würden Sie den Rotstift ansetzen?
Homburger: Wir haben deutlich gemacht, dass alle Subventionen auf den Prüfstand gehören, dass es darüber hinaus eine ganze Reihe von Programmen im Bundeshaushalt gibt, bei denen man sich mal anschauen muss, ob sie tatsächlich so nötig sind. Wir haben eine Vielzahl von Programmen, die nebeneinander herlaufen, die dasselbe Ziel verfolgen. Da kann man sicherlich vieles deutlich effizienter machen.
Wir haben beispielsweise im Rüstungsbereich Möglichkeiten der Einsparung, auch die haben wir aufgezeigt. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wo man einsparen kann, und wir haben diese Möglichkeiten aufgezeigt, und ich glaube, da ist das Potenzial da, um in den Verhandlungen mit der Union dann gemeinsam festzulegen, wo eingespart werden soll.
Ostermann: Was machen Sie eigentlich, wenn Wolfgang Schäuble – das deutete er in einem Gespräch mit dem "Spiegel" an – wenn Wolfgang Schäuble hart bleibt, das Geld den Kommunen gibt und nicht für Steuersenkungen zur Verfügung stellt?
Homburger: Wolfgang Schäuble entscheidet das ja nicht alleine, und wir haben aus der CDU heraus in den letzten Tagen ja auch sehr viele hochrangige Stimmen gehört, die genau in unsere Richtung gehen, die gesagt haben, der Zeitplan, der Tarifverlauf, auch das Volumen, was die FDP beschrieben hat, geht in die richtige Richtung, und ich finde schon bemerkenswert, dass der Bundesfinanzminister einerseits erklärt, die Pläne der FDP seien nicht finanzierbar, obwohl wir das ja im Koalitionsvertrag genau so gemeinsam festgelegt haben, und zwar auf der Basis von Berechnungen und soliden Zahlen, und auf der anderen Seite lässt er dann über seinen Sprecher in der letzten Woche ausrichten, dass er eigentlich von einem Entlastungsvolumen von 19 Milliarden, also einem höheren Entlastungsvolumen ausgeht. Das passt nicht zusammen, und ich denke, da werden wir mit der Union in den Gesprächen schon zusammenkommen und das auch gemeinsam schaffen.
Ostermann: Ja! Den Termin immer weiter nach hinten schieben, so habe ich gestern Volker Kauder auch im ZDF verstanden. Der legt sich nämlich nicht auf einen bestimmten Zeitraum fest.
Homburger: Wir haben im Koalitionsvertrag stehen, dass wir noch in dieser Legislaturperiode die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen in Deutschland erreichen wollen. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Koalition, und wenn man dieses Ziel erreichen will, dann kann man das auch schaffen. Auch Wolfgang Schäuble hat ja noch mal deutlich gemacht, dass das im Koalitionsvertrag steht.
Deshalb gehe ich fest davon aus, dass er mit uns daran arbeiten wird, eine Lösung zu finden. Wir sind jedenfalls von Seiten der FDP der Meinung, dass man es schaffen kann, die Haushaltskonsolidierung und im Übrigen auch eine entsprechende Neuregelung der Finanzierung der Kommunen und diese Entlastung in Einklang zu bringen. Das war auch die gemeinsame Haltung, so steht es im Koalitionsvertrag, und das wollen wir auch umsetzen.
Ostermann: Birgit Homburger, die Fraktionsvorsitzende der FDP im Deutschen Bundestag. Frau Homburger, danke Ihnen für das Gespräch heute früh.
Homburger: Bitte sehr!