Staatsbesuche, Kulturaustausch und Sportwettkämpfe

Von Oliver Heilwagen |
Die Ausstellung "Ferne Gefährten" in den Reiss-Engelhorn-Museen zeichnet den wechselhaften Verlauf des deutsch-japanischen Verhältnisses nach. Seit 150 Jahren unterhalten die Länder offizielle Beziehungen. Die Schau bildet den Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten.
Als sich Japan nach 250 Jahren völliger Isolation Mitte des 19. Jahrhunderts wieder der übrigen Welt öffnete, kamen die Deutschen spät zum Zuge. 1861 hatten die meisten westlichen Mächte schon für sie günstige Handelsverträge ausgehandelt. Doch das Abkommen, das der preußische Gesandte Friedrich von Eulenburg am 24. Januar im heutigen Tokyo unterzeichnete, war der Auftakt zu einer engen Partnerschaft beider Länder.

Sie hatten viel gemeinsam: Beide Kaiserreiche waren rohstoffarm und ohne Kolonien. Beide setzten auf Bildung, Industrialisierung und militärische Stärke, um einen "Platz an der Sonne" zu erobern. Dabei sah Japan im Deutschen Reich ein Vorbild für rasche Modernisierung, erklärt Alfried Wieczorek, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen.

"Es ist in der Tat so, dass die Japaner wesentlich mehr Augenmerk darauf haben, was in Deutschland passiert, und sie sich gerade in diesen frühen Zeiten des 19. Jahrhunderts, aber auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv mit der Entwicklung in Deutschland beschäftigt haben. Viele der Systeme in Japan fußen darauf. Das japanische Eisenbahnsystem ist, wenn Sie wollen, im Grunde so eine Entwicklung: Da hat man sich das deutsche der Kaiserzeit zueigen gemacht, aber heute noch funktioniert das japanische Eisenbahnsystem exzellent. Das heißt: Hier ist das deutsche Vorbild in Japan noch an vielen Stellen sehr intensiv vorhanden, wird auch gelebt, und es ist auch bekannt, dass das ein Vorbild war, während wir diese Position schon längst wieder verlassen und seltener nach Japan geguckt haben."

Diese "Goldenen Jahre" intensiven Austausches bis 1890 stellt die Schau ausführlich vor: Viele "Japanesen", wie erste Berichte sie nannten, studierten Medizin oder Naturwissenschaften an deutschen Universitäten. Deutsche Juristen halfen Tokyo bei der Ausformulierung der Verfassung und eines bürgerlichen Gesetzbuches. Auf der anderen Seite grassierte in Deutschland wie in ganz Europa der "Japonismus": Japanische Kunst und Kultur – oder was man dafür hielt – waren sehr populär. Zwar kämpfte Tokyo im Ersten Weltkrieg gegen das Reich, doch in der Zwischenkriegszeit kehrte man bald zur Zusammenarbeit zurück - bis zur Waffenbrüderschaft als Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg. Das düsterste Kapitel der beiderseitigen Beziehungen wird in der Ausstellung sachlich, aber recht knapp abgehandelt. Warum, erläutert Kurator Peter Pantzer:

"Dass beide Länder da Schiffbruch erlitten haben, ist nun einmal historische Tatsache, wobei interessanterweise der Blick in Japan auf diese Zeit ein etwas distanzierterer ist, weil es in Japan nicht dieses menschenverachtende Regime gegeben hat. Es hat in Japan sehr wohl eine aggressiv-imperialistische Politik den Nachbarländern gegenüber gegeben, aber nicht gegenüber der Bevölkerung, die hier in Deutschland so hatte leiden müssen wie zum Beispiel die jüdische Bevölkerung.

Denn es sind aus Europa – aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden – etliche Zehntausende von jüdischen Flüchtlingen nach China geflüchtet, und die kamen dort dann quasi unter japanische Herrschaft. Und da mussten sich die Japaner Gedanken machen, wie sie jetzt mit der jüdischen Bevölkerung umgehen. Japan ging nicht auf die Wünsche des NS-Regimes ein. Das haben die Japaner abgelehnt. Es gab keinerlei Judenverfolgung in Fernost; im Gegenteil."

So wird Sugihara Chiune gewürdigt: Als Konsul in Litauen rettete der japanische "Oskar Schindler" Tausenden von Juden mit Transit-Visa das Leben. Dagegen bleiben die Massaker japanischer Truppen in China und Korea unerwähnt. Es ist eben keine Ausstellung über Japan, wie der Kurator betont, sondern über deutsch-japanische Beziehungen – sie hebt das Positive hervor: Demokratisierung nach 1945, Kooperation in Forschung und Technik, Staatsbesuche, Kulturaustausch und Sport-Erfolge.

Am Ende steht eine Multimedia-Installation zum Reaktor-Unglück von Fukushima – dass es den deutschen Ausstieg aus der Atomkraft beschleunigt hat, wird kaum erwähnt – ebenso wenig ähnliche Probleme wie Überalterung und hohe Staatsverschuldung, vor denen beide Länder heute stehen. Ihre allmähliche Entfremdung bedauert Ruprecht Vondran, Präsident des Verbandes Deutsch-Japanischer Gesellschaften: Japans Jugend wisse wenig über Deutschland, weil sie selten ins Ausland gehe.

"Junge Japaner klagen darüber, dass sie – wenn sie sich für ein Studium in Deutschland entscheiden – keinerlei Vorteile haben, eher kritisch angesehen werden, ob sie nicht vielleicht zu viel an Diskussionslust aus Deutschland importieren, ob sie noch in die japanische Harmoniegesellschaft passen, ob all das, was sie im Ausland lernen, der japanischen Identität nicht eher abträglich ist."

Derzeit wird darüber verhandelt, ob diese offiziöse Ausstellung 2012 nach Japan wandern soll. Zur japanischen Harmoniegesellschaft würde sie jedenfalls gut passen.


Service:
Die Ausstellung "Ferne Gefährten. 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen" ist noch bis 12. Februar 2011 in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen.