Staatsminister im Auswärtigen Amt erneuert Reisewarnung für Irak

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), hat dazu aufgerufen, Reisewarnungen seines Ministeriums strikt zu beachten. Man hätte sich viel Kummer und Ärger mit den Geiselnahmen im Irak sparen können, wenn die Warnungen ernst genommen worden wären, sagte Erler im Deutschlandradio Kultur anlässlich der Freilassung zweier Leipziger Ingenieure.
Jörg Degenhardt: Ein Militärschlag ist möglich, eine diplomatische Lösung aber auch. Erst am letzten Sonntag hatte US-Außenministerin Rice Teheran im Streit um sein Atomprogramm auch Maßnahmen ohne die Billigung des UNO-Sicherheitsrats angedroht. Der Iran hat nun seinerseits Deutschland um eine Vermittlerrolle in dem seit Monaten schwelenden Konflikt gebeten, wegen der guten bilateralen Beziehungen, wie es von dort heißt. Der Weltsicherheitsrat kommt heute zu seinen ersten Beratungen über den Iran-Bericht der Internationalen Atomenergieorganisation zusammen. Der Iran, ein Thema, das auch ganz oben stehen dürfte beim zweiten Besuch der Bundeskanzlerin in Washington. Am Telefon begrüße ich Gernot Erler, den Staatsminister im Auswärtigen Amt. Guten Morgen Herr Erler.

Gernot Erler: Guten Morgen.

Degenhardt: Zunächst ein kurzer Blick zurück, Frau Merkel konnte gestern eine gute Nachricht kommentieren, die von den freigelassenen deutschen Geiseln. Bei aller Freude über das friedliche Ende, wie lassen sich ähnliche Dramen in der Zukunft vermeiden?

Erler: Vor allem durch eine strikte Beachtung der Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Ich glaube, in den letzten 13 Wochen hat jeder gemerkt, dass diese sehr wohl begründet und im wahrsten Sinne des Wortes beachtlich sind, und dass uns viel Ärger und viel Kummer in den letzten Monaten, es sind ja insgesamt drei Geiselnahmen ... haben ja stattgefunden, erspart geblieben wäre, wenn das auch so wäre, dass diese Reisewarnungen immer vollständig beachtet werden.

Degenhardt: Aber Unternehmen wollen Geschäfte machen, auch im Irak, sollen die ihre Mitarbeiter nicht mehr dort hinschicken?

Erler: Wir warnen davor das zu tun. Die Unternehmen, die da Erfahrung haben, die machen das vor allen Dingen dann mit Ortskräften und natürlich gibt es auch Möglichkeiten eine Präsenz vor Ort tatsächlich wirksam zu schützen, aber ein Restrisiko bleibt da immer. Deswegen empfehlen wir, keine eigenen Leute, keine eigenen Mitarbeiter in den Irak zu schicken.

Degenhardt: Zu unserem eigentlichen Thema, Deutschland als Vermittler im Atomkonflikt, der irgendwie zu einem Dauerbrenner geworden ist. Ist das ein Ansatz, ich habe das eingangs erwähnt, Herr Erler, ist das ein Ansatz, der weiterhilft oder wollen die Mächtigen in Teheran da eventuell nur die Front des Westens aufbrechen. Was sagen Sie?

Erler: Es ist ein Zeichen dafür, dass die iranische Führung merkt, in welcher prekären Situation sie sich jetzt befindet. Wir sind ja mitten in den Beratungen über eine völkerrechtlich verbindliche Resolution des Sicherheitsrates. Sie haben erwähnt, das kommt heute auf die Tagesordnung, gestern haben die politischen Direktoren dieser sechs Staaten, den fünf permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrats und Deutschland, in Paris getagt, am 9. Mai wollen sich die Außenminister treffen, das heißt, die Hoffnungen des Iran, dass die Gruppe der Länder, die sich damit beschäftigt, vielleicht auseinander geht, dass sie sich nicht einigen können, die ist sehr vage. Und deswegen hat man im Augenblick mal wieder von Trompete auf Schalmei umgestellt. Und wir haben ja eine Reihe von plötzlich zuvorkommenden Angeboten, unter Umständen sogar Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls zum Nichtverbreitungsvertrag, der ständige unvorbereitete Inspektionen der Wiener Atomenergiebehörde zulässt, und eben jetzt auch diese Idee einer deutschen Vermittlung. Ich sehe das im Zusammenhang damit, dass die Nervosität in Teheran steigt, dass es ihnen nicht gelingt, die Weltgemeinschaft auseinander zu dividieren.

Degenhardt: Verstehe ich das so, dass Deutschland letztendlich doch nicht mehr tun kann als zum Beispiel Paris oder London?

Erler: Was haben wir denn die letzten zweieinhalb Jahre gemacht? Das war ja ein Versuch zu vermitteln, nachdem der Iran, ich sage es mal salopp, dabei erwischt wurde, dass er 18 Jahre lang an seinen Verpflichtungen zur Transparenz und Information vorbei, bestimmte problematische Programme, Technikbeschaffung und so weiter betrieben hat im Bereich der Atomenergienutuzung und eigentlich sozusagen an dem Pranger stand und da haben ja Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen Vermittlungsversuch gemacht, haben Verhandlungen geführt mit dem Iran, am Anfang ja auch durchaus erfolgreich, die dann allerdings letztlich durch das Nein aus Teheran gescheitert sind. Also Deutschland war Teil eines großen europäischen Vermittlungsversuches, dazu sind wir auch weiter bereit, aber wir lassen uns natürlich hier nicht, das kann jedenfalls niemand empfehlen, von Großbritannien und Frankreich in dieser Phase jetzt abspalten.

Degenhardt: Nach den Worten des US-Außenstaatssekretärs Burns könnte der Weltsicherheitsrat schon in wenigen Monaten Sanktionen verhängen. Um was für Sanktionen würde es sich dabei handeln?

Erler: Also diese Prognose ist sicherlich etwas gewagt, denn wir haben bisher ein striktes Nein von Russland und China als zwei Veto-Mächten im Sicherheitsrat. Und das ist ja gerade jetzt die Arbeit, die läuft, dass man jetzt versuchen muss, einen konsenzfähigen Resolutionstext zu bekommen, der möglichst nach Kapitel 7 der UNO-Charta, das heiß sozusagen, die strengste Resolution ist, die die Uno verhängen kann, aber gleichzeitig eben einen konkreten Hinweis auf Sanktionen oder gar eine Auslösung dieses so genannten Sanktionsautomatismus vermeidet. Das ist im Augenblick das Thema. Und insofern ist es eigentlich eher ein Ausdruck von dem, was sich die Vereinigten Staaten wünschen, wenn jetzt von Sanktionen geredet wird, weil ja jedermann weiß, dass im Augenblick mit Russland, mit China eine UN-Entschließung in Sachen Sanktionen gar nicht möglich ist.

Degenhardt: Können Sie sich eigentlich einen Alleingang der Vereinigten Staaten am Sicherheitsrat vorbei vorstellen?

Erler: Was wir im Augeblick hören, und das wird sicherlich auch Gegenstand des Gespräches der Bundeskanzlerin in Washington sein, ist, dass die amerikanischen politischen Führer über, auch Frau Rice, Herr Bush, über eine "coalition of the willing" - ein Begriff, der in problematischer Weise an den Irak-Krieg erinnert - nachdenken. Allerdings zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen den Iran und da stellen sie sich vor, dass eine Reihe von Ländern das vielleicht auf einer freiwilligen Basis, ohne dabei den Sicherheitsrat einzuschalten und die Vereinten Nationen zu fragen, machen. Das ist die Richtung, in die die amerikanischen Überlegungen im Augenblick gehen.

Degenhardt: Der Atomstreit mit dem Iran, eine unendliche Geschichte, Schlusskapitel ungewiss. Ich bedanke mich für das Gespräch am Telefon von Deutschlandradio Kultur war der Staatsminister im Auswärtigen Amt, war Gernot Erler.