Ein Kulturdenkmal zieht um
Eingeschlagene Fenster, Löcher in den Wänden, gestohlene Dachrinnen: der Stabkirche Stiege im Oberharzer Wald droht durch Einbrüche und Vandalismus der Zerfall. Nun soll der denkmalgeschützte Bau versetzt werden.
"Ja, hier haben sie die Scheiben schon eingeschlagen. Wenn Sie draußen gucken, können Sie sehen, dass die mit der Motorsäge eingebrochen sind."
"Wie mit der Motorsäge?"
"Na mit der Motorsäge ein Loch in die Wand der Kirche geschnitten. Ist ja nur Holz. Man kann sie nicht hier stehen lassen."
… die muss weg hier, sagt Anwohner Dieter Eigenwillig aus Stiege. Sonst würde die einzigartige Stabkirche – noch steht sie tief versteckt im Oberharzer Wald – weiter verfallen. Während er das sagt, zeigt der frühere Koch auf die massiven Vandalismusschäden. Fast alle kostbaren Bleiglas-Fensterscheiben sind mutwillig zerstört, weshalb man die Reste jetzt mit groben Blechverschlägen eingerüstet hat. Statt einer zierlich hölzernen Kirchentür gibt es eine robuste und unverwüstliche Metall-Pforte, ähnlich einem Gefängnistor. An einer Holzwand erkennt man – einer Wunde gleich – ein riesiges notdürftig verschlossenes Loch. Das haben vermutlich Diebe reingesägt, weil sie sich anscheinend im Innern der Kirche Schätze erhofften.
"Naja, es ist ja hier nicht zu halten. Oben gibt es kaum noch Wickelblei. Schauen Sie, da gibt es ein Loch, die Dachrinne wurde gestohlen. Hier kann keiner die Kirche bewachen und erhalten …"
… erzählt Bernd Bierwisch, ein stämmiger Mann. Zu DDR-Zeiten Speer- und Hammerwerfer, später Trainer beim Deutschen Leichtathletikverband. Jetzt ist Bierwisch Gründungsmitglied des "Vereins zur Umsetzung und Instandsetzung der Stieger Stabkirche". Dabei geht es um nichts weniger als die Rettung des Denkmals. Denn im Wald könne man die Kirche vor Zerstörungen nicht schützen, sagen die Denkmalfans. Weshalb man nun plant, das Kunstdenkmal Stabkirche Stiege aus dem Wald in das Örtchen Stiege zu versetzen. Experten nennen so etwas "Translozierung". Gemeint ist damit, dass ein Kunstdenkmal an seinem ursprünglichen Ort abgebaut und an neuer Stelle möglichst originalgetreu wieder errichtet wird.
"Wie mit der Motorsäge?"
"Na mit der Motorsäge ein Loch in die Wand der Kirche geschnitten. Ist ja nur Holz. Man kann sie nicht hier stehen lassen."
… die muss weg hier, sagt Anwohner Dieter Eigenwillig aus Stiege. Sonst würde die einzigartige Stabkirche – noch steht sie tief versteckt im Oberharzer Wald – weiter verfallen. Während er das sagt, zeigt der frühere Koch auf die massiven Vandalismusschäden. Fast alle kostbaren Bleiglas-Fensterscheiben sind mutwillig zerstört, weshalb man die Reste jetzt mit groben Blechverschlägen eingerüstet hat. Statt einer zierlich hölzernen Kirchentür gibt es eine robuste und unverwüstliche Metall-Pforte, ähnlich einem Gefängnistor. An einer Holzwand erkennt man – einer Wunde gleich – ein riesiges notdürftig verschlossenes Loch. Das haben vermutlich Diebe reingesägt, weil sie sich anscheinend im Innern der Kirche Schätze erhofften.
"Naja, es ist ja hier nicht zu halten. Oben gibt es kaum noch Wickelblei. Schauen Sie, da gibt es ein Loch, die Dachrinne wurde gestohlen. Hier kann keiner die Kirche bewachen und erhalten …"
… erzählt Bernd Bierwisch, ein stämmiger Mann. Zu DDR-Zeiten Speer- und Hammerwerfer, später Trainer beim Deutschen Leichtathletikverband. Jetzt ist Bierwisch Gründungsmitglied des "Vereins zur Umsetzung und Instandsetzung der Stieger Stabkirche". Dabei geht es um nichts weniger als die Rettung des Denkmals. Denn im Wald könne man die Kirche vor Zerstörungen nicht schützen, sagen die Denkmalfans. Weshalb man nun plant, das Kunstdenkmal Stabkirche Stiege aus dem Wald in das Örtchen Stiege zu versetzen. Experten nennen so etwas "Translozierung". Gemeint ist damit, dass ein Kunstdenkmal an seinem ursprünglichen Ort abgebaut und an neuer Stelle möglichst originalgetreu wieder errichtet wird.
Eine Kirche wie aus einem Setzkasten
Gebaut wurde die Kirche einst von der Firma Witte aus Osterwieck, die sich ursprünglich auf Block-Bohlenhäuser spezialisiert hatte. Damit ist die Stabkirche Stiege eine der ersten seriell-industriell hergestellten, also vorgefertigten Kirchen. Eine Kirche quasi wie aus einem Setzkasten, heute würde man sagen: IKEA-Kirche.
Drinnen riecht es intensiv nach harzigem Kiefernholz. An der Decke hängen zwei gusseiserne Leuchter, von den Balken blicken zwölf schaurige Drachenköpfe den Besucher im Kirchenraum an. Regina Bierwisch – Sprecherin der Retter-Initiative - ist zwar Atheistin, aber beim Anblick der Stabkirche Stiege bekomme sie feuchte Augen, erzählt sie.
"Ja, sie strahlt eine unheimliche Wärme aus, keine Kälte, wie sonst eine Kirche. Das ist auch immer, was die Leute überrascht, wenn sie reinkommen. Sie erwarten nicht diese Zugänglichkeit, diese Wärme. Hier ist alles aus Holz, warm und angenehm."
Die Kirche befindet sich auf dem Gelände des einstigen - sehr herrschaftlichen - Lungensanatoriums Albrechtshaus, das heute nur noch eine Ruine ist. Früher war es der Zauberberg vom Harz, wo wohlhabende Tuberkulose-Patienten behandelt wurden. 1905 wurde die Stabkirche in Stiege durch Prinz Albrecht von Preußen - dem damaligen Regenten des Herzogtums Braunschweig – als Klinik-Kirche feierlich geweiht.
In den baulichen Details ist die Stabkirche höchst bemerkenswert, auch wenn sie im engeren Sinn gar keine Stabkirche ist. Weil die Holz-Bohlen nicht aufrecht stehen, sondern – wie es in Blockbauweise üblich ist - horizontal übereinander geschichtet wurden und lediglich durch Holznägel zusammengehalten werden. Besonders charakteristisch sind die weit sichtbaren norwegischen Drachen- und Schlangenmotive an der hölzernen Dachkonstruktion. Zum Vorschein kommt eine verwunschene Mischung aus einer zierlichen Wikingerkirche, einem märchenhaften Hexenhaus und einer Mini-Kathedrale, mitten im Wald.
Drinnen riecht es intensiv nach harzigem Kiefernholz. An der Decke hängen zwei gusseiserne Leuchter, von den Balken blicken zwölf schaurige Drachenköpfe den Besucher im Kirchenraum an. Regina Bierwisch – Sprecherin der Retter-Initiative - ist zwar Atheistin, aber beim Anblick der Stabkirche Stiege bekomme sie feuchte Augen, erzählt sie.
"Ja, sie strahlt eine unheimliche Wärme aus, keine Kälte, wie sonst eine Kirche. Das ist auch immer, was die Leute überrascht, wenn sie reinkommen. Sie erwarten nicht diese Zugänglichkeit, diese Wärme. Hier ist alles aus Holz, warm und angenehm."
Die Kirche befindet sich auf dem Gelände des einstigen - sehr herrschaftlichen - Lungensanatoriums Albrechtshaus, das heute nur noch eine Ruine ist. Früher war es der Zauberberg vom Harz, wo wohlhabende Tuberkulose-Patienten behandelt wurden. 1905 wurde die Stabkirche in Stiege durch Prinz Albrecht von Preußen - dem damaligen Regenten des Herzogtums Braunschweig – als Klinik-Kirche feierlich geweiht.
In den baulichen Details ist die Stabkirche höchst bemerkenswert, auch wenn sie im engeren Sinn gar keine Stabkirche ist. Weil die Holz-Bohlen nicht aufrecht stehen, sondern – wie es in Blockbauweise üblich ist - horizontal übereinander geschichtet wurden und lediglich durch Holznägel zusammengehalten werden. Besonders charakteristisch sind die weit sichtbaren norwegischen Drachen- und Schlangenmotive an der hölzernen Dachkonstruktion. Zum Vorschein kommt eine verwunschene Mischung aus einer zierlichen Wikingerkirche, einem märchenhaften Hexenhaus und einer Mini-Kathedrale, mitten im Wald.
Ein Verein will das Denkmal retten
"Die Kirche inszeniert ein Wunschbild nach Romantik, die sich durch das ganze 19. Jahrhundert zieht, insbesondere in den waldigen Gebirgen Deutschlands. Dort werden Sanatorien in sehr fantasievollen Formen gebaut. Das ist eine Lust nach Verspieltem, nach Romantischem, ein bisschen Mysthischen. Die hält sich ja bis heute in den Mittelgebirgen."
Ulrike Wendland ist Sachsen-Anhalts Landeskonservatorin und froh, dass es im Harz engagierte Menschen gibt, die sich jetzt für die Rettung des Kulturdenkmals in Stiege einsetzen. Tieck, Novalis, Chamisso, Eichendorff, deren romantischen Atem kann man in der Stabkirche nacherleben, nachfühlen.
Das gehe zukünftig aber nur noch, sagen die Vereinsmitglieder, wenn man die Kirche von den waldigen Hängen des Harz in das etwa sieben Kilometer entfernte Örtchen Stiege runterbringt, also umsetzt. Denn dort oben könne man sie nicht nutzen, es gebe keinen Strom, kein Wasser, nichts. Im Wald kann die Kirche nicht geschützt werden. Würde man die Kirche heute öffnen, wäre sie morgen komplett kaputt, sagt Regina Bierwisch.
Lange war die größenwahnsinnige Idee im Gespräch, die komplette Kirche per Lasten-Helikopter zu versetzten. Indem man die Kirche vom Fundament löst und im Ganzen an einen Hubschrauber verseilt und anschließend ins Dorf runterfliegt.
"Richtig, das war eine Idee. Weil eine Bundestagsabgeordnete mal hier war und die Bundeswehr mit ins Spiel brachte, dass die das rein technisch lösen könnten. Man müsste dann in die östliche Richtung gehen. Wäre unbewohntes Gebiet, zum Teil aber doch bewohntes Gebiet. Und da gibt es schon die ersten Schwierigkeiten, Genehmigungen zu bekommen. Und der Preis, selbst eine Bundeswehr muss bezahlt werden."
Also musste man sich andere Szenarien überlegen, auch eine Umsetzung der Kirche per Lastwagen oder per Schiene war im Gespräch. Denn in unmittelbarer Nähe verläuft die Harzquerbahn. Ideen, die sich auch zerschlugen.
Ulrike Wendland ist Sachsen-Anhalts Landeskonservatorin und froh, dass es im Harz engagierte Menschen gibt, die sich jetzt für die Rettung des Kulturdenkmals in Stiege einsetzen. Tieck, Novalis, Chamisso, Eichendorff, deren romantischen Atem kann man in der Stabkirche nacherleben, nachfühlen.
Das gehe zukünftig aber nur noch, sagen die Vereinsmitglieder, wenn man die Kirche von den waldigen Hängen des Harz in das etwa sieben Kilometer entfernte Örtchen Stiege runterbringt, also umsetzt. Denn dort oben könne man sie nicht nutzen, es gebe keinen Strom, kein Wasser, nichts. Im Wald kann die Kirche nicht geschützt werden. Würde man die Kirche heute öffnen, wäre sie morgen komplett kaputt, sagt Regina Bierwisch.
Lange war die größenwahnsinnige Idee im Gespräch, die komplette Kirche per Lasten-Helikopter zu versetzten. Indem man die Kirche vom Fundament löst und im Ganzen an einen Hubschrauber verseilt und anschließend ins Dorf runterfliegt.
"Richtig, das war eine Idee. Weil eine Bundestagsabgeordnete mal hier war und die Bundeswehr mit ins Spiel brachte, dass die das rein technisch lösen könnten. Man müsste dann in die östliche Richtung gehen. Wäre unbewohntes Gebiet, zum Teil aber doch bewohntes Gebiet. Und da gibt es schon die ersten Schwierigkeiten, Genehmigungen zu bekommen. Und der Preis, selbst eine Bundeswehr muss bezahlt werden."
Also musste man sich andere Szenarien überlegen, auch eine Umsetzung der Kirche per Lastwagen oder per Schiene war im Gespräch. Denn in unmittelbarer Nähe verläuft die Harzquerbahn. Ideen, die sich auch zerschlugen.
Umsetzung soll bis zu 700.000 Euro kosten
Jetzt will man das Kulturdenkmal Stück für Stück abbauen – also die Kirche Balken für Balken auseinandernehmen - und anderer Stelle, mitten im Dorfzentrum von Stiege wieder aufbauen.
"Ein ordentlicher Rückbau mit Archivierung, mit Kennzeichnung der Balken, dann wieder ordentlicher Aufbau, das scheint der richtige Weg zu sein."
Ein Vorschlag, mit dem auch Sachsen-Anhalts erste Denkmalschützerin, Landeskonservatorin Ulrike Wendland einverstanden ist.
"Also, es sollte immer die letzte Möglichkeit sein. An sich gehört natürlich ein Denkmal an den Ort, wofür es erstellt worden ist. Aber es gibt in der Tat, ab und zu Situationen, da kann das Denkmal nicht an der Stelle bleiben. Und wenn sich dann andere Optionen auftun, es zu versetzen. Um es an einem neuen Ort, zu einer neue Nutzung, aber zu einer neuen Wahrnehmung zu bringen, dann ist das eine Lösung. Sie wird trotzdem immer eine Ausnahme bleiben. Allein schon wegen der hohen Kosten und des hohen Aufwandes, was das bedeutet."
500.000 bis 700.000 Euro sind im Gespräch, was die Umsetzung letztlich kosten soll. Das hätten erste Machbarkeitsstudien ergeben, so die frühere Lehrerin Regina Bierwisch vom Verein Stabkirche Stiege.
Dieser Tage will der bisherige Eigentümer – die Berliner Immobilienfirma Adler Real Estate – dem Verein die Kirche für einen symbolischen Euro überlassen. Wenn das dann notariell unter Dach und Fach ist, will man sofort loslegen: Förderanträge schreiben, Gelder einsammeln. Damit es auch was wird, mit der Wiedereröffnung des Kulturdenkmals Stabkirche Stiege.
"Wir haben im Vertrag, im Übergabevertrag stehen, dass wir Zeit haben bis 2024. Wir hoffen nicht, dass wir so lange brauchen. Wir starten sofort, wenn wir den Vertrag unterzeichnet haben, mit einem Planungsbüro, weil wir alle die Leitungsarbeit nicht übernehmen können. So dass man eineinhalb, zwei Jahre Planungsvorbereitung braucht. Um dann vielleicht in zwei Jahren mit der Umsetzung beginnen kann."
Nach der Umsetzung will man aus dem Kulturdenkmal Stabkirche Stiege eine offene Kultur- und Begegnungsstätte machen. Aber auch eine kirchliche Nutzung soll möglich sein. Aber was dem Verein viel wichtiger ist: Man will ein Denkmal vor dem Verfall retten. Und das ist preisverdächtig: Denn in einer Region, wo keine schwerreichen Mäzene zuhause sind, ist das wirklich eine echte Herkulesaufgabe.
"Ein ordentlicher Rückbau mit Archivierung, mit Kennzeichnung der Balken, dann wieder ordentlicher Aufbau, das scheint der richtige Weg zu sein."
Ein Vorschlag, mit dem auch Sachsen-Anhalts erste Denkmalschützerin, Landeskonservatorin Ulrike Wendland einverstanden ist.
"Also, es sollte immer die letzte Möglichkeit sein. An sich gehört natürlich ein Denkmal an den Ort, wofür es erstellt worden ist. Aber es gibt in der Tat, ab und zu Situationen, da kann das Denkmal nicht an der Stelle bleiben. Und wenn sich dann andere Optionen auftun, es zu versetzen. Um es an einem neuen Ort, zu einer neue Nutzung, aber zu einer neuen Wahrnehmung zu bringen, dann ist das eine Lösung. Sie wird trotzdem immer eine Ausnahme bleiben. Allein schon wegen der hohen Kosten und des hohen Aufwandes, was das bedeutet."
500.000 bis 700.000 Euro sind im Gespräch, was die Umsetzung letztlich kosten soll. Das hätten erste Machbarkeitsstudien ergeben, so die frühere Lehrerin Regina Bierwisch vom Verein Stabkirche Stiege.
Dieser Tage will der bisherige Eigentümer – die Berliner Immobilienfirma Adler Real Estate – dem Verein die Kirche für einen symbolischen Euro überlassen. Wenn das dann notariell unter Dach und Fach ist, will man sofort loslegen: Förderanträge schreiben, Gelder einsammeln. Damit es auch was wird, mit der Wiedereröffnung des Kulturdenkmals Stabkirche Stiege.
"Wir haben im Vertrag, im Übergabevertrag stehen, dass wir Zeit haben bis 2024. Wir hoffen nicht, dass wir so lange brauchen. Wir starten sofort, wenn wir den Vertrag unterzeichnet haben, mit einem Planungsbüro, weil wir alle die Leitungsarbeit nicht übernehmen können. So dass man eineinhalb, zwei Jahre Planungsvorbereitung braucht. Um dann vielleicht in zwei Jahren mit der Umsetzung beginnen kann."
Nach der Umsetzung will man aus dem Kulturdenkmal Stabkirche Stiege eine offene Kultur- und Begegnungsstätte machen. Aber auch eine kirchliche Nutzung soll möglich sein. Aber was dem Verein viel wichtiger ist: Man will ein Denkmal vor dem Verfall retten. Und das ist preisverdächtig: Denn in einer Region, wo keine schwerreichen Mäzene zuhause sind, ist das wirklich eine echte Herkulesaufgabe.
*Aus redaktionellen Gründen wurde an einer Stelle eine Änderung vorgenommen.