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Karten zeichnen - von Hand!

Kartograph Rolf Böhm zeichnet an einer Karte nach Vorlage
Kartograph Rolf Böhm zeichnet an einer Karte nach Vorlage © Bastian Brandau
Von Bastian Brandau |
Im Zeitalter digitaler Karten und Navigationsgeräte wirkt Rolf Böhms Leidenschaft geradezu anachronistisch: Er gestaltet seine Wanderkarten nach wie vor per Hand – und er hat nicht vor, das zu ändern. Bastian Brandau hat den Kartographen alter Schule in seiner Kartenwerkstatt besucht.
"So, den können wir schon nehmen, 0,25, das sind die dünnen Höhenlinien. Linienstärken…"
An seinem Schreibtisch sucht Rolf Böhm unter seinen Tuschestiften den mit der richtigen Stärke. Braun, 0,25 Millimeter. Böhm, leicht verwuscheltes Haar und runde Brille, überträgt Höhenlinien auf eine entstehende Landkarte per Hand.
Rolf Böhm: "So, na, wird langsam ein Bild draus. Da muss man sehen, wenn die zu dünn werden, zu weit auseinanderlaufen, die Höhenlinien, da kommt noch was anderes rein. Also, es muss ein Bild geben. Hier sieht man die Felsen, das ist so ein oberer Horizont. Hier geht eine Treppe runter, hier geht so ein Pfad."
Feine, einzelne Striche, angeordnet in ungleichmäßig verlaufenden Formen: Es sind die zerklüfteten Felsen des Elbsandsteingebirges aus der Vogelperspektive. Gewässer, Täler, Hügel und Siedlungen: In Handarbeit entsteht hier im Maßstab 1 zu 2000 eine Wanderkarte eines Gebietes der böhmischen Schweiz, das bei Google Earth nur eine grüne Masse mit ein paar Wegen ist.
Böhm: "Das ist ein Kartentitel, an dem ich gerade zeichne, Na Tokáni, Balzhütte. Aber da sitze ich noch ein Jahr dran, das dauert eine Weile."

Bierhumpen als Symbol für Gaststätten

Sorgfalt, Ruhe und Ausdauer, ohne diese Eigenschaften läuft nichts bei Rolf Böhm. Seine handgestalteten Wanderkarten für die sächsische Schweiz sind überregional bekannt, 24 davon hat er im Angebot. Böhm wandert die Strecken vorher ab und gestaltet die Karten dann im Atelier in seinem Haus in Bad Schandau: Wo ist ein neuer Weg entstanden, wo ein alter verschwunden? Welches Café hat vielleicht einen anderen Namen?
Es sind die Details, die Böhms Karten besonders machen: Der Bierhumpen als Symbol für eine Gaststätte, die handschriftlichen Namen von Bächen, Orten oder Sehenswürdigkeiten. Und das Männchen, das auf fast jeder Karte versteckt ist, als Gruß an seine inzwischen erwachsenen Kinder.
Wer dem studierten Kartographen in seiner Werkstatt über die Schulter geschaut hat, erkennt auf den fertigen Karten die tausenden feinen handgezeichneten Striche, die dort Felsen und Höhenzüge ergeben.
Rolf Böhm in seiner Werkstatt
Rolf Böhm in seiner Werkstatt© Bastian Brandau
Böhm: "Ich bin ein etwas Über-das-übliche-Maß-hinaus-Gestalter. Und in meinen Vorstellungen im Kopf ist fertig, wie eine Karte ist. Ich habe immer noch auf die supergute Kartografie-Software gewartet. Das geht ja jetzt schon seit 30 Jahren so, dass man sagt, Karten macht man mit dem Computer. Und am Anfang habe ich mir das angeguckt und gesagt, nee, das bringst du eigentlich besser mit der Hand. Dann wurden die Programme ein bisschen besser und mir waren sie aber immer noch nicht gut genug. Und dann kam irgendwie eine Phase, da habe ich dann gemerkt, nach dem händischen Stil ist durchaus noch eine Nachfrage."
Und die ist Rolf Böhm durchaus bereit, weiter zu befriedigen. Er, der schon als Kind die Welt kartographierte und der einen besonderen geographischen Orientierungssinn zu haben scheint. Und es ist ja nicht so, dass er was gegen Computer hätte. Jahrelang hat er als Programmierer gearbeitet, betreibt eine Website und kann einschlägige Programme durchaus bedienen.

Die Karte hat Visualisierungsfunktion

Böhm glaubt aber auch in Zeiten von Navis weiter an die Bedeutung von Landkarten an sich:
"Mit der Mobilität, die das Navi ermöglicht, ist natürlich verbunden, dass ich in meinem Hinterkopf, in meinem Kleinhirn auch von der Landschaft eine Vorstellung haben will. Und die liefert nach wie vor die gute alte Karte. Also die Karte hat eine Visualisierungsfunktion - das schöne Bild. Diese Funktion ist geblieben. Als Informationsspeicher brauche ich die Karte nicht mehr."
Informationen sammeln und filtern und so als Landkarte interpretieren – ein Stück weit sei das auch eine philosophische Aufgabe, sagt Böhm. Die Sächsische Schweiz mit ihren zerklüfteten Landschaften und dem Elbsandsteingebirge bietet einem Kartographen dabei ein praktisch unendliches Betätigungsfeld. Und so wird er auch in Zukunft Karten gestalten, in denen eben mehr steckt als nur geoinformatische Daten.
Böhm: "Das ist auch so ein bisschen eine schwarze Kunst. Was hat sich Casper David Friedrich gedacht, als er erstmals so eine Landschaf gemalt hat. Er hat gesagt: 'Der Maler male nicht nur, was er vor sich sehe, sondern auch, was er in sich sehe. Und wenn er nichts in sich sehe, dann unterlasse er das Malen.' Und beim Computer kann man sagen: Ja, das vor sich sehen, das hat er drauf. Aber so ein Computer ist eine ziemlich seelenlose Geschichte, der sieht nichts in sich und das merkt man dann manchmal auch den graphischen Blättern an, die daraus kommen."

In unserer Sommerreihe "Stadt Land Karte" widmen wir uns der Bedeutung der Kartographie heutzutage.

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