Neubaugebiete verstärken den "Donut-Effekt"
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Statt vorhandene Bausubstanz in den Städten besser auszunutzen, werden zu viele Neubaugebiete ausgewiesen, kritisiert die Architektin Barbara Ettinger-Brinckmann. Dabei ließe sich der Traum vom Einfamilienhaus auch nachhaltiger verwirklichen.
Einen "Donut-Effekt" in der Stadtentwicklung beklagt die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann anlässlich der Architektur-Biennale in Venedig. "Innen hohl und draußen wird es immer fetter."
Es sei häufig einfacher, Neubaugebiete außerhalb der Städte auszuweisen, weil der bürokratische Aufwand geringer sei. Dabei sei es aus Sicht der Architekten und Stadtplaner das Gebot der Stunde, die Innenstädte weiter zu entwickeln, statt immer wieder neue Baugebiete auszuweisen.
Die Neubaugebiete hätten nicht nur den Nachteil, dass immer mehr Fläche verbraucht werde, sagt das Präsidiumsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. "Wir brauchen dafür auch immer die entsprechende Infrastruktur, das heißt immer wieder neue Straßen und immer wieder neue Kanäle."
Dabei könne der bestehende Baubestand der Städte besser genutzt werden. Kreative Architekten könnten zeigen, dass sich auch dort neue Wohnformen in diesen alten Häusern integrieren ließen, sagt Ettinger-Brinckmann.
Mehr Vielfalt in die Quartiere
Das Problem der Neubaugebiete sei auch, dass es monostrukturierte Gebiete seien. "Wo wir hinkommen wollen, ist wieder zu gemischt genutzten Städten, gemischt genutzten Quartieren, die durch Vielfalt geprägt sind." Das bedeute auch, Wohnen, Arbeit und Einkaufen zu verbinden. So könne eine "Stadt der kurzen Wege" erreicht werden, damit man nicht für jeden Weg ein Auto benötige.
Der Traum vom Einfamilienhaus
Ein Aus für den Traum vom Einfamilienhaus müsse das nicht bedeuten, sagt die Architektin. "Wir haben ja die Einfamilienhäuser, wir wollen sie nicht abreißen." Es gehe eher darum, auch in solchen Neubaugebieten neue Zentren zu schaffen. Sie störe, dass es dort oft an architektonischer Qualität fehle. "Von Baukultur ist da relativ wenig zu spüren." Das liege auch daran, dass sie kaum von Architekten geplant würden.
Das Einfamilienhaus sei in Deutschland die beliebteste Wohnform, vor allen in einer bestimmten Lebensphase, so Ettinger-Brinckmann. Deshalb sollte man in den existierenden Ortskernen versuchen, sie dort unterzubringen, aber auch intakte, lebendige Quartiere herstellen. "Das ist nicht nur unter Klimaaspekten sinnvoll, sondern es ist eben auch für das soziale Miteinander sinnvoll und unter ökonomischen Aspekten."
(gem)