Sozialverbände und Opposition haben bei der Bilanz der "Wohnraumoffensive" nicht mit Kritik an der Bundesregierung gespart. Je mehr Zeit vergehe, desto weiter würden die Verhältnisse zementiert, kritisiert Ricarda Pätzold, sie ist Raumplanerin am Deutschen Institut für Urbanistik. Audio Player
"Wir haben keinen Mangel an gebautem Wohnraum"
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Was hat die 2018 gestartete "Wohnraumoffensive" gebracht? Die Bundesregierung zieht eine erste Bilanz. Sie gehe an den sozialen Problemen auf dem Wohnungsmarkt vorbei, sagt der Soziologe und Stadtforscher Frank Eckardt.
Die Bundesregierung stellt am heutigen Dienstag die Ergebnisse ihrer "Wohnraumoffensive" vor. Gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen wurde 2018 ein Maßnahmenpaket vereinbart, das den Bau von 1,5 Millionen neuer Wohnungen in dieser Legislaturperiode ermöglichen sollte.
Der Soziologe und Stadtforscher Frank Eckardt meint jedoch, diese Maßnahmen gingen an den sozialen Problemen auf dem Wohnungsmarkt vorbei. Die Mietpreisbremse auszubauen, das Wohngeld zu erhöhen, Maßnahmen zum altersgerechten Umbau von Wohnungen und sozialer Wohnungsbau – das sei alles sinnvoll. Andere Teile wie das Baukindergeld und die Sonderabschreibung für den Erwerb von Immobilien seien hingegen "unsinnig und kontraproduktiv" und "sehr teuer".
Weiterhin Förderung der Eigenheim-Idee
Die Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter würden zudem gar nicht berücksichtigt und nur über die Mietpreisbremse aufgenommen. "Letztendlich ist das Konzept eine Fortsetzung der Politik, die wir seit den 1980er-Jahren sehen", sagt Eckardt. Die Idee, dass sich jeder ein Eigenheim leisten können soll, werde hier weiter massiv gefördert.
Das Programm gehe davon aus, dass durch das Bauen alle sozialen Probleme gelöst werden. "Wir haben überhaupt keinen Mangel an gebautem Wohnraum", meint dagegen Eckardt. Das Problem sei, dass "in den Innenstädten der Wohnraum für die unteren Schichten nicht zugänglich ist." Daran habe diese "Wohnraumoffensive" nichts geändert. Proaktives Handeln sei gefragt. "Dass man jetzt zum Beispiel in der Coronakrise einen Fonds auflegt, wie beispielsweise in Frankfurt, um ganz gezielt Immobilien aufzukaufen und sie ökologisch umzubauen, gemeinschaftlich zu nutzen und sozial auszurichten."
Wohnungstausch ermöglichen
Sechs Millionen Menschen in Deutschland lebten in zu kleinen Wohnungen, darunter viele Kinder. Gleichzeitig gebe es in Großstädten eine Präferenz zu Singlehaushalten, "die diesen Wohnraum gar nicht benötigen und auch zum größten Teil gar nicht möchten. Die aber natürlich aus ökonomischen Gründen da nicht ausziehen werden, weil sie dann immer Nachteile erfahren würden."
Eckardt schlägt hier ein gutes Management vor zwischen denjenigen, die zu viel Wohnraum haben und gerne tauschen wollen würden und denen, die zu wenig haben. Solche eigentlich "billigen Lösungen, müsste man mit viel Fantasie und Engagement erst mal auf den Weg bringen."
(cwu)