Stadtforscherin Tatjana Schneider

Einsatz für klimagerechte, soziale Städte

33:59 Minuten
Ein Foto zeigt die Stadtforscherin Tatjana Schneider im Profil.
„Ich denke, wir müssen uns auf sehr, sehr viele Veränderungen einstellen", sagt Tatjana Schneider über die Städte der Zukunft. © Sebastian Dorbrietz
Moderation: Katrin Heise |
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Gemüseanbau auf Häuserdächern, mehr Einzelhandel und kleine Fabriken im Stadtinneren: Die Architektin und Hochschulprofessorin Tatjana Schneider setzt sich für eine Stadtplanung ein, die sozialer und klimagerecht ist.
Arbeit und Leben sollten in der künftigen Stadt wieder enger miteinander verbunden sein. Das wünscht sich Tatjana Schneider. Die studierte Architektin hat mir ihrer Familie zwanzig Jahre in Großbritannien gelebt, bevor sie 2018 nach Deutschland zurückkehrte. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Stadt der Zukunft. „Ich denke, wir müssen uns auf sehr, sehr viele Veränderungen einstellen.“
Künftige Städte müssten Klima angepasst sein und sollten deshalb nicht nur grüner, sondern auch dichter sein, sprich „viel mehr Menschen auf weniger Raum.“ In den 50er-Jahren habe ein Mensch in Deutschland nur 15 Quadratmeter in Anspruch genommen; mittlerweile seien wir bei 50 Quadratmetern. „Unsere Gesellschaft vereinsamt zunehmend.“ So seien beispielsweise in Berlin 54 Prozent aller Wohnungen inzwischen Einzimmerwohnungen.

Räumliches und Soziales miteinander verbinden

Tatjana Schneider fordert „Städte der kürzeren Wege“: Der Einzelhandel solle wieder in die Wohnquartiere ziehen, ebenso die Arbeit, beispielsweise in Form von kleineren Fabriken in Stadtgebieten, „denn die sind häufig nicht mehr so laut." Vorstellbar seien auch Dachfarmen „also Flachdächer, die genutzt werden können, um auch Landwirtschaft wieder in die die Stadt zu holen.“ Ihr Credo: „Ich versuche das Räumliche und das Soziale zusammen zu denken.“ Deshalb brauche es „eine neue Mischung“, denn die befördere Interaktionen und bringe die Stadt nach vorne, indem „wir uns anders über den Weg laufen.“

Häuserbau unterliegt vielen Einflüssen

Aufgewachsen ist Tatjana Schneider in eher dörflicher Umgebung, circa 50 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt. Als Jugendliche schockiert sie das Waldsterben im Schwarzwald und sie beobachtet interessiert die Hausbesetzerszene in Frankfurt. Politisch aktiv wird sie nicht, aber sie hat den Wunsch, etwas zu verändern. In Kaiserslautern beginnt sie deshalb ein Studium der Architektur. „Ich hatte sehr schnell das Gefühl, dass ich als eine Architektin ausgebildet werde, die tatsächlich nur schöne Kleider schneidert – also schöne Häuser baut, schöne Hüllen entwirft.“  

Ganz andere Impulse bekommt sie, als sie ihr Studium 1998 im schottischen Glasgow fortsetzt. An der dortigen Hochschule versteht man Architektur „auch als Spaß, als Prozess, als etwas, dass mit den Menschen auch mitgehen muss und sich auch dynamisch verhalten muss.“  Sie erkennt: Architektur hat auch viel mit politischen und finanziellen Entscheidungsprozessen zu tun.

Wir sind alle Experten des Stadtraums

„Ich sehe mich wirklich eher als Teil der Gesellschaft und nicht als Expertin, die über Dingen drüber sitzt." Gerade, wenn wir über Stadt reden würden, seien wir alle Expertinnen und Experten unserer Lebensräume. Diese Expertise werde durch die Stadtplanung häufig nicht wirklich ernst genommen. Sie sei aber „ein ganz wichtiges Element“ für die künftige „Transformation von Städten“. Da sie immer wieder nach einem größeren Hebel gesucht habe, um Ideen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung umsetzen zu können, kandidiert Tatjana Schneider 2021 als Parteilose auf dem Ticket der Grünen als Oberbürgermeisterin in Braunschweig. Als Zugezogene bekommt sie auf Anhieb 22,8 Prozent der Stimmen.
Derzeit konzentriert sie sich wieder mehr auf ihre Arbeit als Professorin. Seit September 2018 leitet sie das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt und die Sammlung für Architektur und Ingenieurbau der Technischen Universität Braunschweig. Auch die Arbeit mit den Studenten sei „vom Einmischen geprägt,“ beispielsweise durch die Gründung des Instituts für örtliche Angelegenheiten, das sich mit Fragen von Leerständen und Wohnungsnot in Braunschweig beschäftigt. „Ich bin vielleicht als Forscherin auch fast eine Sammlerin von guten Beispielen und interessanten Umsetzungen.“
(cg)

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