Städte- und Gemeindebund: Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe ist "nachvollziehbar"
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hält die Entscheidung des Berliner Senats, die teilprivatisierten Wasserbetriebe zurückzukaufen, für verständlich. Gerade beim Wasser seien die Bürger "ausgesprochen empfindsam".
Nana Brink: Dieser Deal hat das Zeug, bundesweit Furore zu machen: Der Berliner Senat kauft knapp 25 Prozent seiner Anteile an den Wasserbetrieben zurück für 654 Millionen Euro – ja, Sie haben richtig gehört. Und um die Aufregung zu verstehen, muss man die Geschichte des Deals kennen: 1999 wurden die Berliner Wasserbetriebe trotz massiver Kritik teilprivatisiert. Der RWE-Konzern übernahm 25 Prozent, und ebenso viel das französische Unternehmen Veolia.
Und nach den heftigen Debatten um hohe Wasserpreise und hohe vertraglich garantierte Renditen nun also der Rückkauf, der im Trend liegt. Aber macht es denn eigentlich Sinn, privatisierte Unternehmen wieder in kommunale Hand zu bringen? Das will ich jetzt besprechen mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Schönen guten Morgen, Herr Landsberg!
Gerd Landsberg: Ja, guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Ist die Entscheidung des Berliner Senats, den Anteil an den Wasserbetrieben zurückzukaufen, eine gute Idee?
Landsberg: Das kann man im Sinne der Bürger nur hoffen, aber wenn man den Hintergrund sieht, ist für mich diese Entscheidung nachvollziehbar. Die Verträge sind ja zunächst geheim gehalten worden, dann hat es massiven öffentlichen Druck gegeben, und gerade beim Wasser sind die Bürger, das gilt nicht nur für Berlin, ausgesprochen empfindsam, denn Wasser wird als Lebensmittel und weniger als Handelsware empfunden.
Hinzu kommt, dass natürlich viele Bürger gegenüber großen Unternehmen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgesprochen misstrauisch sind und sagen, das wollen wir mitregeln, wir wollen Mitsprache haben. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt, und natürlich die Erwartung, wenn es die Stadt oder die Kommunen selber machen, wird es billiger oder zumindest nicht teurer. Das erfüllt sich nicht immer, aber oftmals, weil natürlich kommunale Unternehmen nicht auf den Gewinn in erster Linie schauen.
Brink: Ja, aber wusste man das nicht alles vorher?
Landsberg: Das wusste man sicherlich vorher, nur man muss sehen, Rekommunalisierung liegt im Trend, Sie haben es anmoderiert. Noch vor zehn Jahren hat jeder gesagt, also privat, die machen das alles besser, und der Grundsatz privat vor Staat, der galt. Jetzt ist es genau umgekehrt, die Leute sagen, das soll doch lieber die Stadt machen, da kenne ich die Leute, das kann ich steuern. Das ist so ein bisschen eben auch eine Trendfrage, hinzu kommt, dass natürlich zum Beispiel durch die Energiewende ja die dezentralen Strukturen gestärkt werden müssen, und da sind natürlich die Stadtwerke auch im Vorteil. Insofern ist das auch eine Strömung, die wir jetzt nicht nur in Berlin erleben, sondern überall. Um zwei Zahlen zu nennen, immerhin hat die Kommunalwirtschaft inzwischen 235.000 Beschäftigte, und es gibt 13.258 Unternehmen überwiegend in kommunaler Hand.
Brink: Aber muss man nicht immer genauer hingucken, ob es wirklich Sinn macht? Bleiben wir doch noch mal am Beispiel Berlin, da ist ja darum geworben worden, dass die Wasserpreise gesenkt werden. Das bedeutet aber gleichzeitig einen Verlust um 250 Millionen Euro bis 2015. Also 215 Millionen Euro weniger nimmt dann Berlin ein, kann man sich das denn eigentlich leisten?
Landsberg: Also das wird man sehen, ob man sich das leisten kann, aber wichtig ist natürlich, bei jeder Entscheidung muss man Vor- und Nachteile abwägen. Natürlich hat auch eine Rekommunalisierung Risiken, sie hat auch Nachteile, das kann einmal die Finanzierung sein, das kann zum anderen auch das Know-how sein. Wie das jetzt in Berlin genau ist, lässt sich natürlich so nicht beurteilen, aber die Risiken muss man selbstverständlich sehen, deswegen sagen wir als Deutscher Städte- und Gemeindebund auch, es ist nicht immer richtig. Es ist manchmal vielleicht auch besser, mit der Privaten zusammen zu operieren, oder mit einer anderen Kommune zu operieren, aber es kann im Einzelfall natürlich auch richtig sein zu sagen, ich nehme das als Staat selbst wieder in die Hand.
Brink: Und was soll dann mit einer Rekommunalisierung erreicht werden, ganz konkret?
Landsberg: In erster Linie natürlich eine Steuerung, das heißt, dass letztlich die Stadt entscheidet, wie hoch ist der Wasserpreis, zweitens, dass man nicht auf den Gewinn so sehr schielt, sondern sagt, wir sind gemeinnützig, wir wollen möglichst gute und dauerhafte Versorgung zu akzeptablen Preisen. Dann ist es häufig natürlich auch eine Frage, wo schaffe ich Arbeitsplätze. In dem Moment, wo die Kommune das Unternehmen selber betreibt, findet natürlich die Wertschöpfung vor Ort statt, man kann Arbeitsplätze schaffen, man kann auch entscheiden, wie viele Auszubildende gibt es. Das ist zum Beispiel ein großes präkommunaler Unternehmen, die Ausbildungsquote ist sehr viel höher als bei privaten Unternehmen, und das liegt natürlich an der kommunalen Steuerung. Insofern gibt es schon eine ganze Menge Aspekte.
Brink: Aber man darf ja nicht unberücksichtigt lassen, dass bei der Rekommunalisierung ja auch Teile der Betriebe wieder zurückgekauft werden, das kann man meistens nicht aus der Portokasse machen, sondern man muss Kredite aufnehmen. Können sich denn die finanziell ausgepumpten Gemeinden solche Kredite überhaupt leisten in diesen Tagen?
Landsberg: Das können sie interessanterweise, denn das wissen sie, im Moment ist das Geld natürlich ausgesprochen preiswert, das heißt, die Zinsen sind sehr, sehr niedrig. Und das ist sicherlich auch einer der Gründe, warum solche Rückkäufe stattfinden, oder auch Überlegungen, zum Beispiel Stromnetze zu kaufen, neuerdings überall stattfinden, und die Banken und Sparkassen geben diese Kredite auch gern, weil das Risiko für den Kreditgeber nicht allzu groß ist. Man hat eine Substanz, man hat gesicherte Kunden, man hat eine Struktur, die man kennt, insofern ist das für beide Seiten auch ein interessantes Geschäft.
Brink: Wie kann denn der Bürger aber dann sicher sein, dass, wenn eine Kommune zum Beispiel – bleiben wir jetzt beim Wasser – wieder den Wasserbetrieb zurückkauft, dann auch wirklich die Wasserpreise sinken?
Landsberg: Das kann ein Bürger natürlich nie ganz sicher sein, aber dafür wählt er, dafür diskutiert er mit der Kommunalpolitik, das ist auch eine Entscheidung, die natürlich vor Ort getroffen werden muss. Und es ist Aufgabe der Kommune, das transparent zu machen, also die Preise fallen ja nicht vom Himmel. Da gibt es eine Kalkulation, und wir raten auch unseren Städten und Gemeinden, das offen zu legen, der Bürger kann das schon verstehen, der kann sich auch vergleichen, was kostet denn das Wasser im Nachbarort oder in der Nachbargemeinde. Insofern ist das eine andere Situation, als wenn es praktisch ein Privater im Closed Job macht.
Brink: Wo sehen Sie denn den größten Bedarf an Rekommunalisierung, in welchen Bereichen? Wasser, Strom, Schiene?
Landsberg: Ich sehe den größten Bereich im Bereich der Energieversorgung. Da gibt es ja die sogenannten Konzessionsverträge, das heißt, eine Kommune verpflichtet sich zum Beispiel gegenüber einem Privaten für längere Zeit, das Netz zur Verfügung zu stellen. diese Verträge laufen jetzt teilweise aus, immerhin 2000 solcher Verträge, da wird es sicherlich viele kommunale Unternehmen geben, die sich dafür interessieren.
Dann – ich habe es schon gesagt – Energiewende heißt dezentrale Stromerzeugung, das ist die Chance, auch Bürger mitzunehmen – wir haben zum Beispiel Energiegenossenschaften, wir haben Kooperationen zwischen Stadtwerken, wir haben Kooperationen zwischen Kommunen mit Bürgern, da entsteht sehr viel, und ich glaube, das ist das ganz große Potenzial, das ist ja auch von der großen Politik gewollt, wir wollen eine andere Energieversorgung, und da sind natürlich Stadtwerke, Kommunen, aber auch die Bürger gefordert, und es gibt auch Chancen.
Brink: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Herr Landsberg, schönen Dank für das Gespräch!
Landsberg: Bitteschön, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Und nach den heftigen Debatten um hohe Wasserpreise und hohe vertraglich garantierte Renditen nun also der Rückkauf, der im Trend liegt. Aber macht es denn eigentlich Sinn, privatisierte Unternehmen wieder in kommunale Hand zu bringen? Das will ich jetzt besprechen mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Schönen guten Morgen, Herr Landsberg!
Gerd Landsberg: Ja, guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Ist die Entscheidung des Berliner Senats, den Anteil an den Wasserbetrieben zurückzukaufen, eine gute Idee?
Landsberg: Das kann man im Sinne der Bürger nur hoffen, aber wenn man den Hintergrund sieht, ist für mich diese Entscheidung nachvollziehbar. Die Verträge sind ja zunächst geheim gehalten worden, dann hat es massiven öffentlichen Druck gegeben, und gerade beim Wasser sind die Bürger, das gilt nicht nur für Berlin, ausgesprochen empfindsam, denn Wasser wird als Lebensmittel und weniger als Handelsware empfunden.
Hinzu kommt, dass natürlich viele Bürger gegenüber großen Unternehmen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgesprochen misstrauisch sind und sagen, das wollen wir mitregeln, wir wollen Mitsprache haben. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt, und natürlich die Erwartung, wenn es die Stadt oder die Kommunen selber machen, wird es billiger oder zumindest nicht teurer. Das erfüllt sich nicht immer, aber oftmals, weil natürlich kommunale Unternehmen nicht auf den Gewinn in erster Linie schauen.
Brink: Ja, aber wusste man das nicht alles vorher?
Landsberg: Das wusste man sicherlich vorher, nur man muss sehen, Rekommunalisierung liegt im Trend, Sie haben es anmoderiert. Noch vor zehn Jahren hat jeder gesagt, also privat, die machen das alles besser, und der Grundsatz privat vor Staat, der galt. Jetzt ist es genau umgekehrt, die Leute sagen, das soll doch lieber die Stadt machen, da kenne ich die Leute, das kann ich steuern. Das ist so ein bisschen eben auch eine Trendfrage, hinzu kommt, dass natürlich zum Beispiel durch die Energiewende ja die dezentralen Strukturen gestärkt werden müssen, und da sind natürlich die Stadtwerke auch im Vorteil. Insofern ist das auch eine Strömung, die wir jetzt nicht nur in Berlin erleben, sondern überall. Um zwei Zahlen zu nennen, immerhin hat die Kommunalwirtschaft inzwischen 235.000 Beschäftigte, und es gibt 13.258 Unternehmen überwiegend in kommunaler Hand.
Brink: Aber muss man nicht immer genauer hingucken, ob es wirklich Sinn macht? Bleiben wir doch noch mal am Beispiel Berlin, da ist ja darum geworben worden, dass die Wasserpreise gesenkt werden. Das bedeutet aber gleichzeitig einen Verlust um 250 Millionen Euro bis 2015. Also 215 Millionen Euro weniger nimmt dann Berlin ein, kann man sich das denn eigentlich leisten?
Landsberg: Also das wird man sehen, ob man sich das leisten kann, aber wichtig ist natürlich, bei jeder Entscheidung muss man Vor- und Nachteile abwägen. Natürlich hat auch eine Rekommunalisierung Risiken, sie hat auch Nachteile, das kann einmal die Finanzierung sein, das kann zum anderen auch das Know-how sein. Wie das jetzt in Berlin genau ist, lässt sich natürlich so nicht beurteilen, aber die Risiken muss man selbstverständlich sehen, deswegen sagen wir als Deutscher Städte- und Gemeindebund auch, es ist nicht immer richtig. Es ist manchmal vielleicht auch besser, mit der Privaten zusammen zu operieren, oder mit einer anderen Kommune zu operieren, aber es kann im Einzelfall natürlich auch richtig sein zu sagen, ich nehme das als Staat selbst wieder in die Hand.
Brink: Und was soll dann mit einer Rekommunalisierung erreicht werden, ganz konkret?
Landsberg: In erster Linie natürlich eine Steuerung, das heißt, dass letztlich die Stadt entscheidet, wie hoch ist der Wasserpreis, zweitens, dass man nicht auf den Gewinn so sehr schielt, sondern sagt, wir sind gemeinnützig, wir wollen möglichst gute und dauerhafte Versorgung zu akzeptablen Preisen. Dann ist es häufig natürlich auch eine Frage, wo schaffe ich Arbeitsplätze. In dem Moment, wo die Kommune das Unternehmen selber betreibt, findet natürlich die Wertschöpfung vor Ort statt, man kann Arbeitsplätze schaffen, man kann auch entscheiden, wie viele Auszubildende gibt es. Das ist zum Beispiel ein großes präkommunaler Unternehmen, die Ausbildungsquote ist sehr viel höher als bei privaten Unternehmen, und das liegt natürlich an der kommunalen Steuerung. Insofern gibt es schon eine ganze Menge Aspekte.
Brink: Aber man darf ja nicht unberücksichtigt lassen, dass bei der Rekommunalisierung ja auch Teile der Betriebe wieder zurückgekauft werden, das kann man meistens nicht aus der Portokasse machen, sondern man muss Kredite aufnehmen. Können sich denn die finanziell ausgepumpten Gemeinden solche Kredite überhaupt leisten in diesen Tagen?
Landsberg: Das können sie interessanterweise, denn das wissen sie, im Moment ist das Geld natürlich ausgesprochen preiswert, das heißt, die Zinsen sind sehr, sehr niedrig. Und das ist sicherlich auch einer der Gründe, warum solche Rückkäufe stattfinden, oder auch Überlegungen, zum Beispiel Stromnetze zu kaufen, neuerdings überall stattfinden, und die Banken und Sparkassen geben diese Kredite auch gern, weil das Risiko für den Kreditgeber nicht allzu groß ist. Man hat eine Substanz, man hat gesicherte Kunden, man hat eine Struktur, die man kennt, insofern ist das für beide Seiten auch ein interessantes Geschäft.
Brink: Wie kann denn der Bürger aber dann sicher sein, dass, wenn eine Kommune zum Beispiel – bleiben wir jetzt beim Wasser – wieder den Wasserbetrieb zurückkauft, dann auch wirklich die Wasserpreise sinken?
Landsberg: Das kann ein Bürger natürlich nie ganz sicher sein, aber dafür wählt er, dafür diskutiert er mit der Kommunalpolitik, das ist auch eine Entscheidung, die natürlich vor Ort getroffen werden muss. Und es ist Aufgabe der Kommune, das transparent zu machen, also die Preise fallen ja nicht vom Himmel. Da gibt es eine Kalkulation, und wir raten auch unseren Städten und Gemeinden, das offen zu legen, der Bürger kann das schon verstehen, der kann sich auch vergleichen, was kostet denn das Wasser im Nachbarort oder in der Nachbargemeinde. Insofern ist das eine andere Situation, als wenn es praktisch ein Privater im Closed Job macht.
Brink: Wo sehen Sie denn den größten Bedarf an Rekommunalisierung, in welchen Bereichen? Wasser, Strom, Schiene?
Landsberg: Ich sehe den größten Bereich im Bereich der Energieversorgung. Da gibt es ja die sogenannten Konzessionsverträge, das heißt, eine Kommune verpflichtet sich zum Beispiel gegenüber einem Privaten für längere Zeit, das Netz zur Verfügung zu stellen. diese Verträge laufen jetzt teilweise aus, immerhin 2000 solcher Verträge, da wird es sicherlich viele kommunale Unternehmen geben, die sich dafür interessieren.
Dann – ich habe es schon gesagt – Energiewende heißt dezentrale Stromerzeugung, das ist die Chance, auch Bürger mitzunehmen – wir haben zum Beispiel Energiegenossenschaften, wir haben Kooperationen zwischen Stadtwerken, wir haben Kooperationen zwischen Kommunen mit Bürgern, da entsteht sehr viel, und ich glaube, das ist das ganz große Potenzial, das ist ja auch von der großen Politik gewollt, wir wollen eine andere Energieversorgung, und da sind natürlich Stadtwerke, Kommunen, aber auch die Bürger gefordert, und es gibt auch Chancen.
Brink: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg. Herr Landsberg, schönen Dank für das Gespräch!
Landsberg: Bitteschön, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.