Was Berlin und Istanbul verbindet
Der Berliner Bezirk Kreuzberg gilt traditionell als links. Auch im Istanbuler Bezirk Kadiköy fanden in der Geschichte der Stadt große linke Demonstrationen statt. Beide verbindet eine Städtepartnerschaft und ein entsprechend reger Austausch.
Samstagabend in Berlin-Kreuzberg. Aziza A. singt auf der 20-jährigen Jubiläumsfeier der Städtepartnerschaft von Kreuzberg mit Stettin und Kadıköy-Istanbul. Eine bewusste Wahl; denn Aziza A. lebt in Berlin und Istanbul und verkörpert damit diese Partnerschaft.
Die gemeinsamen Projekte und Begegnungen organisiert im Auftrag des Bezirksamtes Kreuzberg der "Städtepartnerschaftsverein Kadıköy". Die Vorsitzende ist Christiane Zieger:
"Er ist ein Brückenbauer. Er versucht, Menschen aus Kadıköy und Menschen aus Friedrichshain-Kreuzberg zusammenzubringen – über Projekte, über Reisen, über Bildungsreisen, die Besuche. Das ist unsere Aufgabe."
Zwei Jahre nach der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft im Rathaus Kreuzberg wurde 1998 der Verein gegründet. Für die aktuelle Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Hermann von den Grünen, bedeutet das aber keine Auslagerung der Arbeit aus dem Bezirksamt. Denn der Verein nimmt die Aufgaben offiziell wahr und wird vom Bezirk finanziert, so Hermann.
"Wenn man mit den Leuten spricht, die in den Vereinen sind, die sind so voller Herzensblut. Die leben das tatsächlich. Das ist ein Mehrwert. Außerdem muss ich sagen, ich bin keine Freundin davon, dass alles der Staat regeln muss. Mein Gesellschaftsbild ist doch größer den Ansatz der Partizipationen. Und das sind wunderbare Beispiele dafür, dass Verwaltung, Politik, gesellschaftliches Engagement wunderbar miteinander gehen."
Begegnung von Menschen
Städtepartnerschaft – das bedeutet in erster Linie Begegnung von Menschen. Die meisten Projekte der beiden Bezirke sind kultureller und sozialer Natur. Auf Bildungsreisen besuchen Kreuzberger in Kadıköy Kindergärten, Frauen-, Sozial- und Bildungsprojekte.
Aus den Begegnungen entstehen auch gemeinsame Vorhaben. So zum Beispiel eine Fotoausstellung von Menschen aus beiden Bezirken, die Berlin und Istanbul nicht touristisch, sondern als Metropolen mit großen Umbrüchen festgehalten haben. Dass die Partnerschaft nicht nur auf dem Papier besteht, zeigte sich eindrucksvoll 1999. Ein großes Erdbeben bei Istanbul tötete tausende Menschen. Kreuzberg beteiligte sich mit großer Unterstützung bei der Erdbebenhilfe. Aber auch im Bildungsbereich gibt es nachhaltigen Austausch, sagt Monika Hermann.
"Wir haben zum Beispiel einen Ausbildungsgang, wo auch Auslandssemester angedacht sind. Und unsere Türkischsprachigen haben den großen Vorteil, dass sie tatsächlich in der Verwaltung in Kadıköy eine Zeitlang ihre Ausbildung machen können. Das sind sehr gute Beziehungen letztendlich."
Trotz der regelmäßigen Kontakte seit 20 Jahren würde man in Kadıköy nicht viele Menschen treffen, die von einer Partnerschaft mit Kreuzberg etwas gehört haben. Der Bürgermeister Aykurt Nuhoğlu von der Republikanischen Volkspartei, CHP, bleibt aber optimistisch.
"Im Moment laufen keine großen Aktivitäten. Je mehr Projekte laufen, umso bekannter wird die Partnerschaft werden. Seit 20 Jahren finden zwar Begegnungen statt. Aber sie haben nicht dazu geführt, dass die Bezirkspartnerschaften besonders bekannt wurden. Wenn wir die Projekte weiter ausbauen, wird sich das in Zukunft verbessern."
"Auch politisch im Austausch"
Daran würden die aktuellen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei nichts ändern, ist sich Nuhoğlu von der größten türkischen Oppositionspartei sicher.
"Auf zwischenstaatlicher Ebene kann es schon mal Spannungen geben. Die Regierungen müssen sie aber lösen. Es darf ja keinen Hass zwischen Staaten geben. Ein Streit auf Regierungsebene darf keinen Einfluss auf die bezirkliche Partnerschaft haben. Auch Städte haben heutzutage ihre eigene Identität, die sie schützen müssen. So müssen auch Staaten auf Freundschaft setzen und im Dialog bleiben."
Seit dem Putschversuch Mitte Juli beobachtet die Kreuzberger Bürgermeisterin Hermann massive Konflikte innerhalb der türkeistämmigen Gemeinschaft. Besonders ein Erdoğan-naher Dachverband trete verbal sehr aggressiv auf, andere versuchten sie für sich zu vereinnahmen.
Hermann sei aber die Bürgermeisterin aller Menschen im Bezirk und lasse sich auf die Vereinnahmungsversuche nicht ein. Die Bezirkspartnerschaft dürfe nicht unter der aktuellen politischen Situation in der Türkei leiden. Sie sei eine Art Außenpolitik des Bezirkes,…
"… weil wir uns schon auch so verstehen, dass es eine Vertretung für Menschen türkischer Herkunft in Kreuzberg ist, dass man sich tatsächlich auch politisch in Austausch begibt. Und es ist auch eine Anerkennung und ein Respekt für die Menschen, die hier leben."