Ständig auf der Flucht
Abbas Khider, 1973 in Bagdad geboren, flüchtete aus dem Irak. Als Illegaler reiste er durch sieben europäische Länder, arbeitete als Teppichträger, Müllsortierer und Putzkraft. Unterwegs schrieb er fast täglich Gedichte. Vor acht Jahren landete der Schriftsteller in Deutschland, zuerst in München, dann Berlin. Über seine Irrfahrt schrieb Abbas Khider den Roman "Der falsche Inder", mit dem er zurzeit auf Lesereise ist.
Abbas Khider streicht seine halblangen Haare aus dem Gesicht, zündet sich eine Zigarette an und rührt mit dem Löffel in der Kaffeetasse - es ist der vierte Cappuccino an diesem Morgen. Er hat kaum geschlafen und steht trotzdem unter Adrenalin, sagt der 35-Jährige:
"Ich kann überhaupt nicht schlafen manchmal! Normale Menschen schlafen sechs bis acht Stunden täglich, ich schlafe zwei Stunden. Heute bin ich da und habe später eine Lesung, und ich habe nur eine Stunde geschlafen. Ich bin fix und fertig, aber ich kann nicht aufhören."
Abbas Khider kann nicht aufhören zu schreiben. Die Nächte verbringt er vor dem Computer in seiner Berliner Wohnung. Tagsüber sitzt er in Cafés und überarbeitet die Texte. Abbas Khider hat einen Roman veröffentlicht, den zweiten vollendet, die Idee für den dritten und vierten schon im Kopf. Zwischendurch liest er: Hilde Domin, Rose Ausländer, Franz Kafka.
Abbas Khider wuchs in Bagdad auf. Sein Vater handelte mit Datteln, und wenn der Kaufmann Bestellungen aufgab, kam er ohne Schrift aus. Er war Analphabet, und das einzige Buch im Haus der Eltern war der Koran, erzählt Abbas Khider. Aus Angst vor der Regierung sprach die Familie nicht über Politik. Doch auf der Straße traf der junge Abbas, der schon damals nur Schwarz trug, Menschen, die anders dachten und mutig waren:
"Ich habe in Saddam-City gelebt. Und Saddam-City war ein unglaubliches Viertel in Bagdad. Die Regierung regierte tagsüber, und die Einwohner dieses Viertels regieren in der Nacht. Die Regierung, ob Armee oder Polizei, können nie nachts rein. Und obwohl nur eine Partei in Irak existierte, die Partei von Saddam Hussein, gab es trotzdem in unserem Viertel viele verbotene Parteien. Kommunisten, Demokraten, Islamisten, alles Mögliche. Und mit solchen Menschen habe ich viele Kontakte gehabt."
Mit 16 begann Abbas Khider, verbotene Literatur zu lesen. Aus Liebe zu einer blonden Frau schrieb er sein erstes Gedicht. Er kritzelte es in Geheimschrift auf Packpapier, das er seinem Vater stibitzt hatte. Papier war Luxus im Irak und das geschriebene Wort eine Gefahr:
"Man hatte Angst im Irak. Ein Wort war wirklich ein Grund genug, das Leben im Irak zu verlieren. Deswegen hab ich diese Geheimschrift erfunden, dass die anderen es nicht lesen können. Auch in meiner Familie. Weißt du, wir sind eine große Familie, und wir lebten in einer Drei-Zimmer-Wohnung, wir sind elf Personen. Das heißt jeder von meiner Familie, mein Bruder, meine Schwester, konnte meine Schriften lesen. Das war auch ein Grund, dass ich diese Geheimschrift erfunden habe."
In arabischer Sprache verfasst waren dagegen die Flugblätter, die Abbas Khider gegen die Diktatur von Saddam Hussein verteilte. Er war nicht überrascht, als ihn die irakische Polizei verhaftete, folterte und ins Gefängnis warf.
Als er eineinhalb Jahre später entlassen wurde, flüchtete Abbas Khider aus der Heimat. Ohne Pass und ohne Plan irrte er vier Jahre lang durch Jordanien, Libyen, Tunesien, die Türkei, Griechenland, Italien und Deutschland. Unterwegs jobbte er, verdiente sein Geld als Kellner, Arabischlehrer und Müllsortierer. Auf seiner Odyssee schrieb Abbas Khider Gedichte, über die er sagt, dass sie ihn fast täglich überfallen wie Ohrfeigen. Er veröffentlichte sie unter dem Titel "Chronik einer verlorenen Zeit":
"Es war schwer als Flüchtling zu leben und auch vorher auch als Häftling zu sein. Auf der Flucht war ich fast acht Mal im Gefängnis, in verschiedenen Ländern. Es war wirklich schwer. Und wenn ich wirklich daran denke, Leute wie ich haben ihre Doktorarbeit, sie arbeiten schon, sie haben ihre Familie. Sie haben viel erreicht. Und ich kam nach Deutschland mit 27 Jahren, und bis ich wirklich meine Aufenthaltsberechtigung bekommen habe, war ich fast 28 oder 29. Und da musste ich bei Null anfangen!"
Abbas Khider, der in Bagdad Betriebswissenschaften studiert hatte, besuchte die Münchener Universität für Philosophie und Literatur. Sein Debüt "Der falsche Inder" schrieb er auf Deutsch und erzählt darin die Geschichte seiner Flucht. Khider lacht viel und zeigt dabei eine sympathische Lücke zwischen den Schneidezähnen. Trotz aller Tragik in seiner Biografie, schafft er es, optimistisch zu bleiben. Das Schreiben hilft ihm dabei:
"Wenn ich dann fertig war, fühlte ich mich wirklich befreit von der Vergangenheit. Und dann beginne ich, das, was ich aufgeschrieben habe, mit der Phantasie zu verfeinern, zu verschönern! Plötzlich sind meine Geschichten, die mir wehgetan haben, fremd. Da beginnt so eine neue Mischung zwischen Befreiung, Literatur, seelischer Orgasmus."
"Ich kann überhaupt nicht schlafen manchmal! Normale Menschen schlafen sechs bis acht Stunden täglich, ich schlafe zwei Stunden. Heute bin ich da und habe später eine Lesung, und ich habe nur eine Stunde geschlafen. Ich bin fix und fertig, aber ich kann nicht aufhören."
Abbas Khider kann nicht aufhören zu schreiben. Die Nächte verbringt er vor dem Computer in seiner Berliner Wohnung. Tagsüber sitzt er in Cafés und überarbeitet die Texte. Abbas Khider hat einen Roman veröffentlicht, den zweiten vollendet, die Idee für den dritten und vierten schon im Kopf. Zwischendurch liest er: Hilde Domin, Rose Ausländer, Franz Kafka.
Abbas Khider wuchs in Bagdad auf. Sein Vater handelte mit Datteln, und wenn der Kaufmann Bestellungen aufgab, kam er ohne Schrift aus. Er war Analphabet, und das einzige Buch im Haus der Eltern war der Koran, erzählt Abbas Khider. Aus Angst vor der Regierung sprach die Familie nicht über Politik. Doch auf der Straße traf der junge Abbas, der schon damals nur Schwarz trug, Menschen, die anders dachten und mutig waren:
"Ich habe in Saddam-City gelebt. Und Saddam-City war ein unglaubliches Viertel in Bagdad. Die Regierung regierte tagsüber, und die Einwohner dieses Viertels regieren in der Nacht. Die Regierung, ob Armee oder Polizei, können nie nachts rein. Und obwohl nur eine Partei in Irak existierte, die Partei von Saddam Hussein, gab es trotzdem in unserem Viertel viele verbotene Parteien. Kommunisten, Demokraten, Islamisten, alles Mögliche. Und mit solchen Menschen habe ich viele Kontakte gehabt."
Mit 16 begann Abbas Khider, verbotene Literatur zu lesen. Aus Liebe zu einer blonden Frau schrieb er sein erstes Gedicht. Er kritzelte es in Geheimschrift auf Packpapier, das er seinem Vater stibitzt hatte. Papier war Luxus im Irak und das geschriebene Wort eine Gefahr:
"Man hatte Angst im Irak. Ein Wort war wirklich ein Grund genug, das Leben im Irak zu verlieren. Deswegen hab ich diese Geheimschrift erfunden, dass die anderen es nicht lesen können. Auch in meiner Familie. Weißt du, wir sind eine große Familie, und wir lebten in einer Drei-Zimmer-Wohnung, wir sind elf Personen. Das heißt jeder von meiner Familie, mein Bruder, meine Schwester, konnte meine Schriften lesen. Das war auch ein Grund, dass ich diese Geheimschrift erfunden habe."
In arabischer Sprache verfasst waren dagegen die Flugblätter, die Abbas Khider gegen die Diktatur von Saddam Hussein verteilte. Er war nicht überrascht, als ihn die irakische Polizei verhaftete, folterte und ins Gefängnis warf.
Als er eineinhalb Jahre später entlassen wurde, flüchtete Abbas Khider aus der Heimat. Ohne Pass und ohne Plan irrte er vier Jahre lang durch Jordanien, Libyen, Tunesien, die Türkei, Griechenland, Italien und Deutschland. Unterwegs jobbte er, verdiente sein Geld als Kellner, Arabischlehrer und Müllsortierer. Auf seiner Odyssee schrieb Abbas Khider Gedichte, über die er sagt, dass sie ihn fast täglich überfallen wie Ohrfeigen. Er veröffentlichte sie unter dem Titel "Chronik einer verlorenen Zeit":
"Es war schwer als Flüchtling zu leben und auch vorher auch als Häftling zu sein. Auf der Flucht war ich fast acht Mal im Gefängnis, in verschiedenen Ländern. Es war wirklich schwer. Und wenn ich wirklich daran denke, Leute wie ich haben ihre Doktorarbeit, sie arbeiten schon, sie haben ihre Familie. Sie haben viel erreicht. Und ich kam nach Deutschland mit 27 Jahren, und bis ich wirklich meine Aufenthaltsberechtigung bekommen habe, war ich fast 28 oder 29. Und da musste ich bei Null anfangen!"
Abbas Khider, der in Bagdad Betriebswissenschaften studiert hatte, besuchte die Münchener Universität für Philosophie und Literatur. Sein Debüt "Der falsche Inder" schrieb er auf Deutsch und erzählt darin die Geschichte seiner Flucht. Khider lacht viel und zeigt dabei eine sympathische Lücke zwischen den Schneidezähnen. Trotz aller Tragik in seiner Biografie, schafft er es, optimistisch zu bleiben. Das Schreiben hilft ihm dabei:
"Wenn ich dann fertig war, fühlte ich mich wirklich befreit von der Vergangenheit. Und dann beginne ich, das, was ich aufgeschrieben habe, mit der Phantasie zu verfeinern, zu verschönern! Plötzlich sind meine Geschichten, die mir wehgetan haben, fremd. Da beginnt so eine neue Mischung zwischen Befreiung, Literatur, seelischer Orgasmus."