Ständiges Stop-and-go
Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig hat in Wien sein neuestes Drama "Peggy Picket sieht das Auge Gottes" selbst auf die Bühne gebracht. Im Vergleich mit den Inszenierungen vor Kurzem in Hamburg und Berlin kann seine Version am Burgtheater durchaus punkten.
Der Autor als Regisseur: Am Wiener Burgtheater hat Roland Schimmelpfennig, Vielschreiber und wohl meistgespielter zeitgenössischer deutscher Dramatiker, sein neuestes Drama "Peggy Picket sieht das Auge Gottes" nun selbst in Szene setzen können. Vorausgegangen waren bereits kurz davor Inszenierungen an zwei weiteren großen deutschen Sprechbühnen, dem Thalia Theater in Hamburg (durch Wilfried Minks) und dem Deutschen Theater in Berlin (durch Martin Kusej). Uraufgeführt wurde "Peggy Picket" allerdings in ganz anderem Zusammenhang, als Auftragswerk für ein Theaterfestival in Toronto ("Afrika und der Westen"), bei dem ein afrikanischer, ein amerikanischer und ein deutscher Autor sich zum Thema Aids in Afrika äußern sollten.
Für diesen Anlass, für die "African Trilogy" in Toronto mag der ziemlich schmalbrüstige Plot als europäisches Teilstück auch reichen: Zwei befreundete Arztehepaare feiern nach sechs Jahren ein Wiedersehen. Das eine Paar hatte ein Kind bekommen und zu Hause Karriere gemacht, das andere hatte als Entwicklungshelfer gearbeitet, doch das Engagement für die Not in Afrika erwies sich als fragwürdig, das Adoptivkind dieses Paares scheint in den Kriegswirren verloren gegangen zu sein.
Waren die afrikanischen Erfahrungen umsonst? Die einst befreundeten Paare, deren beider Ehe inzwischen Abnützungserscheinungen aufweist, haben sich nichts mehr zu sagen. "Der Abend war eine Katastrophe".
Diese schnell erzählte Geschichte wälzt Schimmelpfennig in einer bei ihm schon oft bewährten Methode aus, diesmal allerdings weit schlichter als sonst. In Rückblenden, Schnitten, Perspektivenwechsel werden einzelne Konversationssegmente des Treffens mehrere Male wiederholt, und zum Teil neu beleuchtet. Der Dialog: ein ständiges Stop-and-go.
Dass auch die Ärztin in Afrika ein Verhältnis gehabt hatte - "mit einem Kollegen, einem Arzt aus Kanada, aus Montreal oder Melbourne, Robert oder Robby" - hört man vier Mal. Auch die Konsequenz: Möglicherweise haben sich die Europäer in Afrika mit Aids infiziert, aber sie verdrängen es und lassen nicht ihr Blut untersuchen. Bei so viel penetranter Wiederholung kann der Zuschauer die Texte bald selbst soufflieren. (Insbesondere der Rezensent, der alle drei Inszenierungen gesehen hat: Das Rezept für den "Champignon-Parmesan-Salat", zu dem selbst gebackenes Brot gereicht wird, also 12 Mal!).
Im Vergleich mit den vorhergegangenen deutschen Inszenierungen von "Peggy Picket" kann die Wiener Aufführung jedoch durchaus punkten. Gegenüber der melodramatischen bedeutungsschweren Berliner Inszenierung von Martin Kusey hatte zunächst die Hamburger von Wilfried Minks durch Leichtigkeit gefallen, obwohl dennoch als Laserstrahl nichts weniger als das Auge Gottes vom Rang aus auf die Bühne strahlte.
Roland Schimmelpfennig bemüht dagegen keine Metaphysik, aber die Aufführungsdauer ist deutlich länger. Statt 75 Minuten in Hamburg 105 in Wien. Zu tieftraurigem Blick erstarrt gefrieren immer wieder für einige Pausen die Gesichter, ehe das Geplauder wieder seinen Lauf nimmt.
Doch sonderbar: Die Dürftigkeit des Textes stört in der Regie des Autors am wenigsten. Sie entspricht der minimalistischen Konsequenz des Bühnenbildes oder Nichtbühnenbildes von Johannes Schütz. Lediglich eine weiße Wand ist ganz vorne an die Rampe gezogen, davor vier Stühle und einige Wein- und Sektflaschen. Nur an sie können sich die Schauspieler halten, an mehr nicht, sieht man von zwei Zigaretten ab. Die Schauspieler sind ganz auf ihren Körperausdruck angewiesen. Langes Weinen und Lachen, nervöses Zappeln, Verlegenheit werden so extrem ausgestellt.
Und da die beiden Ärztepaare vorzüglich gecastet sind, insbesondere Thilo Nest als deutscher Oberarzt und Caroline Peters als Entwicklungshelferin. Aber auch Christiane Pölnitz als betuliche Arztgattin und ehemalige Krankenschwester und Peter Knaak als tieftrauriger Alkoholiker. Gegenüber dieser ausgestellten Genauigkeit in Wien erinnert man sich, wenn man an die Berliner Inszenierung denkt, an eine Aufführung, die einer belanglosen Ärztesoap ähnelt, die mit den Namen beliebter Schauspieler kokettiert.
Dennoch: Als Schultext für den Gemeinschaftsunterricht, als Vorlage für Paartherapie, als Stück für Amateurbühnen, als Off-Produktion afrikanischer Theatergruppen mag "Peggy Picket" ein nützliches Drama darstellen, die großen deutschen Sprechtheater sind damit jedoch unterfordert.
Peggy Picket sieht das Auge Gottes
von Roland Schimmelpfennig
Regie: Roland Schimmelpfennig
Burgtheater Wien
Für diesen Anlass, für die "African Trilogy" in Toronto mag der ziemlich schmalbrüstige Plot als europäisches Teilstück auch reichen: Zwei befreundete Arztehepaare feiern nach sechs Jahren ein Wiedersehen. Das eine Paar hatte ein Kind bekommen und zu Hause Karriere gemacht, das andere hatte als Entwicklungshelfer gearbeitet, doch das Engagement für die Not in Afrika erwies sich als fragwürdig, das Adoptivkind dieses Paares scheint in den Kriegswirren verloren gegangen zu sein.
Waren die afrikanischen Erfahrungen umsonst? Die einst befreundeten Paare, deren beider Ehe inzwischen Abnützungserscheinungen aufweist, haben sich nichts mehr zu sagen. "Der Abend war eine Katastrophe".
Diese schnell erzählte Geschichte wälzt Schimmelpfennig in einer bei ihm schon oft bewährten Methode aus, diesmal allerdings weit schlichter als sonst. In Rückblenden, Schnitten, Perspektivenwechsel werden einzelne Konversationssegmente des Treffens mehrere Male wiederholt, und zum Teil neu beleuchtet. Der Dialog: ein ständiges Stop-and-go.
Dass auch die Ärztin in Afrika ein Verhältnis gehabt hatte - "mit einem Kollegen, einem Arzt aus Kanada, aus Montreal oder Melbourne, Robert oder Robby" - hört man vier Mal. Auch die Konsequenz: Möglicherweise haben sich die Europäer in Afrika mit Aids infiziert, aber sie verdrängen es und lassen nicht ihr Blut untersuchen. Bei so viel penetranter Wiederholung kann der Zuschauer die Texte bald selbst soufflieren. (Insbesondere der Rezensent, der alle drei Inszenierungen gesehen hat: Das Rezept für den "Champignon-Parmesan-Salat", zu dem selbst gebackenes Brot gereicht wird, also 12 Mal!).
Im Vergleich mit den vorhergegangenen deutschen Inszenierungen von "Peggy Picket" kann die Wiener Aufführung jedoch durchaus punkten. Gegenüber der melodramatischen bedeutungsschweren Berliner Inszenierung von Martin Kusey hatte zunächst die Hamburger von Wilfried Minks durch Leichtigkeit gefallen, obwohl dennoch als Laserstrahl nichts weniger als das Auge Gottes vom Rang aus auf die Bühne strahlte.
Roland Schimmelpfennig bemüht dagegen keine Metaphysik, aber die Aufführungsdauer ist deutlich länger. Statt 75 Minuten in Hamburg 105 in Wien. Zu tieftraurigem Blick erstarrt gefrieren immer wieder für einige Pausen die Gesichter, ehe das Geplauder wieder seinen Lauf nimmt.
Doch sonderbar: Die Dürftigkeit des Textes stört in der Regie des Autors am wenigsten. Sie entspricht der minimalistischen Konsequenz des Bühnenbildes oder Nichtbühnenbildes von Johannes Schütz. Lediglich eine weiße Wand ist ganz vorne an die Rampe gezogen, davor vier Stühle und einige Wein- und Sektflaschen. Nur an sie können sich die Schauspieler halten, an mehr nicht, sieht man von zwei Zigaretten ab. Die Schauspieler sind ganz auf ihren Körperausdruck angewiesen. Langes Weinen und Lachen, nervöses Zappeln, Verlegenheit werden so extrem ausgestellt.
Und da die beiden Ärztepaare vorzüglich gecastet sind, insbesondere Thilo Nest als deutscher Oberarzt und Caroline Peters als Entwicklungshelferin. Aber auch Christiane Pölnitz als betuliche Arztgattin und ehemalige Krankenschwester und Peter Knaak als tieftrauriger Alkoholiker. Gegenüber dieser ausgestellten Genauigkeit in Wien erinnert man sich, wenn man an die Berliner Inszenierung denkt, an eine Aufführung, die einer belanglosen Ärztesoap ähnelt, die mit den Namen beliebter Schauspieler kokettiert.
Dennoch: Als Schultext für den Gemeinschaftsunterricht, als Vorlage für Paartherapie, als Stück für Amateurbühnen, als Off-Produktion afrikanischer Theatergruppen mag "Peggy Picket" ein nützliches Drama darstellen, die großen deutschen Sprechtheater sind damit jedoch unterfordert.
Peggy Picket sieht das Auge Gottes
von Roland Schimmelpfennig
Regie: Roland Schimmelpfennig
Burgtheater Wien