Stärken und Schwächen im Reich der hohen Politik
Christophe Blain zeichnet mit solcher Präzision und einem derart feinen Gespür für komische Situationen, dass ein gestochen scharfes Bild der Politikerkaste im Allgemeinen entsteht: Eitelkeiten, Etikette, Hierarchie und so manche Selbstüberschätzung.
Es ist ein bisschen so, als würde ein Karikaturist sich Joschka Fischer in seiner Zeit als Außenminister vornehmen - und damit eine in die Hunderttausende gehende Auflage erzielen. In Frankreich schaffte der Zeichner Christophe Blain genau das: Sein Comic-Band aus den Kulissen des Quai d'Orsay, wie das Pariser Außenministerium nach seiner Adresse genannt wird, machte Blain über Nacht zum gefeierten Star-Zeichner. Zwar ist in Frankreich das Genre "Comic" als literarische Gattung sehr viel anerkannter als bei uns. Dennoch ist die Popularität dieses Buches bemerkenswert: Blain hat offensichtlich einen Nerv getroffen.
Eigentlich zeichnet der 1970 im Großraum Paris geborene Christophe Blain vor allem Abenteuer- und Piraten-Geschichten. Erst als er zufällig einem ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter des Außenministeriums begegnete, entstand die Idee, gemeinsam mit ihm einen Comic zu schreiben beziehungsweise zu zeichnen. Abel Lanzac ist das Pseudonym dieses Ex-Diplomaten, der im inneren Zirkel um Dominique de Villepin verkehrte.
De Villepin, mit charakteristisch großer Nase ausgestattet - ein Geschenk für jeden Karikaturisten! - war Außenminister unter Staatspräsident Jacques Chirac von 2002 bis 2004, danach bis 2007 Innen- und Premierminister. Es waren die Jahre nach den Anschlägen des 11. September, als Frankreich seine Position gegen die USA in der Frage des Irak-Krieg durchzusetzen versuchte: Das ist der Hintergrund dieses üppigen Karikaturen-Bands.
Für deutsche Leser sind die ganzen Interna eher zweitrangig. Die vielen Bezüge zur französischen Politik sind auch nicht immer nachvollziehbar. Wer wer ist und welche Affären er hat - das ist hierzulande unerheblich. Aber Christophe Blain zeichnet mit solcher Präzision und einem derart feinen Gespür für komische Situationen, dass ein von der konkreten französischen Situation unabhängiges, gestochen scharfes Bild der Politikerkaste im Allgemeinen entsteht: die Eitelkeiten eines Ministers, die hierarchischen Windungen des Außenamts, die Etikette im so auf Formen bedachten Diplomatenwesen.
Vor allem aber auch die Selbstüberschätzung eines politischen Alphatiers wie De Villepin, der in den palastartigen Salons am Quai d'Orsay wie ein Sonnenkönig regiert; sein Schwanken zwischen Hybris und Ängstlichkeit, mal cholerisch, mal manisch, mal lächerlich. Christophe Blain trifft sowohl die physiognomischen Eigenheiten seiner Figuren - darunter die gesamte politische Weltelite - als auch ihren Charakter unheimlich genau. Dieser Comic ist weit mehr als eine Polit-Satire: eine wunderbar pointenreiche Studie über menschliche Stärken und Schwächen im Reich der hohen Politik.
Besprochen von Dirk Fuhrig
Christophe Blain/Abel Lanzac: "Quai d'Orsay - Hinter den Kulissen der Macht"
Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock
Reprodukt Verlag, Berlin 2012
200 Seiten, 36 Euro
Eigentlich zeichnet der 1970 im Großraum Paris geborene Christophe Blain vor allem Abenteuer- und Piraten-Geschichten. Erst als er zufällig einem ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter des Außenministeriums begegnete, entstand die Idee, gemeinsam mit ihm einen Comic zu schreiben beziehungsweise zu zeichnen. Abel Lanzac ist das Pseudonym dieses Ex-Diplomaten, der im inneren Zirkel um Dominique de Villepin verkehrte.
De Villepin, mit charakteristisch großer Nase ausgestattet - ein Geschenk für jeden Karikaturisten! - war Außenminister unter Staatspräsident Jacques Chirac von 2002 bis 2004, danach bis 2007 Innen- und Premierminister. Es waren die Jahre nach den Anschlägen des 11. September, als Frankreich seine Position gegen die USA in der Frage des Irak-Krieg durchzusetzen versuchte: Das ist der Hintergrund dieses üppigen Karikaturen-Bands.
Für deutsche Leser sind die ganzen Interna eher zweitrangig. Die vielen Bezüge zur französischen Politik sind auch nicht immer nachvollziehbar. Wer wer ist und welche Affären er hat - das ist hierzulande unerheblich. Aber Christophe Blain zeichnet mit solcher Präzision und einem derart feinen Gespür für komische Situationen, dass ein von der konkreten französischen Situation unabhängiges, gestochen scharfes Bild der Politikerkaste im Allgemeinen entsteht: die Eitelkeiten eines Ministers, die hierarchischen Windungen des Außenamts, die Etikette im so auf Formen bedachten Diplomatenwesen.
Vor allem aber auch die Selbstüberschätzung eines politischen Alphatiers wie De Villepin, der in den palastartigen Salons am Quai d'Orsay wie ein Sonnenkönig regiert; sein Schwanken zwischen Hybris und Ängstlichkeit, mal cholerisch, mal manisch, mal lächerlich. Christophe Blain trifft sowohl die physiognomischen Eigenheiten seiner Figuren - darunter die gesamte politische Weltelite - als auch ihren Charakter unheimlich genau. Dieser Comic ist weit mehr als eine Polit-Satire: eine wunderbar pointenreiche Studie über menschliche Stärken und Schwächen im Reich der hohen Politik.
Besprochen von Dirk Fuhrig
Christophe Blain/Abel Lanzac: "Quai d'Orsay - Hinter den Kulissen der Macht"
Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock
Reprodukt Verlag, Berlin 2012
200 Seiten, 36 Euro