"Stätte der freien Rede"
Frühjahr 1957 in Berlin: Im Tiergarten gegenüber der Reichstagsruine wächst eine seltsame Form aus der Erde, zwei mächtige aufragende Betonbügel, zwischen denen ein Hängedach gespannt ist.
Aus dem Osten ist sie gut zu sehen, die neue Kongresshalle, denn die in der Nachkriegszeit als Brennholz abgeschlagenen Bäume sind noch nicht nachgewachsen. Sie ist Teil der Internationalen Bauausstellung Interbau 57, mit der West-Berlin die Alternative zum Ostberliner Vorzeigeprojekt Stalinallee demonstrieren will. Westliche, internationale Moderne gegen den stalinistischen Zuckerbäckerstil, der sich von Albert Speers NS-Klassizismus kaum unterschied.
"Die Kongresshalle ist mehr als ein Zeugnis moderner Architektur und kühnen Ingenieurgeistes, nämlich ein Symbol der Freiheit und der Menschenwürde, eine Stätte der freien Rede","
so Ralph Walker von der Benjamin-Franklin-Stiftung, denn die Schwangere Auster, wie sie die Berliner bald nennen, ist ein Geschenk der Amerikaner, mit denen die Westberliner spätestens seit der Luftbrücke unverbrüchliche Freundschaft geschlossen haben. Als die Kongresshalle am 19. September 1957 eröffnet wird, ist sie nicht das erste derartige Geschenk. Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität, das Kulturzentrum Amerika-Haus und die Amerika-Gedenk-Bibliothek sind bereits in Betrieb. Westdeutschland und insbesondere die Berliner hatten Grund zur Dankbarkeit, die gern in pathetische Worte gefasst wurde. Bundespräsident Theodor Heuss bei der Rede zur Schlüsselübergabe:
"Diese Kongresshalle in dieser Stadt, an diesem Ort, ist vorzüglich praktischen Zwecken eines vielgegliederten Gemeinwesens gewidmet. Geweiht aber ist sie als Symbol einer überzeitlichen, überstaatlichen, übernationalen Gesinnung, die dem Werdenden, den Menschen bindende Kraft schenkt.""
All diese Geschenke waren Argumente im Kampf der ideologischen Systeme und sie waren Teil der kulturellen und demokratischen Erziehungspolitik der Westalliierten. Durch die Umerziehung der Bevölkerung, durch die Vermittlung ethischer, kultureller und politischer Werte, durch demokratische Verhältnisse und mündige Bürger, sollte ein Wiederaufkeimen des Faschismus verhindert werden.
Und da die West-Alliierten sich als Freunde erwiesen hatten, ging das Kalkül auf. Der Regierende Bürgermeister Willi Brandt formulierte den Auftrag nochmals, als das Gebäude von der Benjamin-Franklin-Stiftung an den Senat übergeben wurde:
"" Wir wollen versuchen, dem von der Stiftung formulierten Ziel treu zu bleiben. [...] Die Stifter haben Wert darauf gelegt, uns im Besonderen an die Verfolgung kultureller, erzieherischer und wissenschaftlicher Ziele zu erinnern. Sie haben uns aufgetragen, von dieser Stelle aus mit dafür zu wirken, dass die internationale Verständigung wachsen möge, dass sie wachsen möge auf der Basis der freien Rede, des freien Austauschs der Meinungen.""
Besser noch als in seiner Funktion als Kongresshalle kommt der Bau seit der Wende diesem Auftrag nach. Denn wenige Monate vor dem Fall der Mauer wurde das Haus der Kulturen der Welt gegründet und in der wieder aufgebauten Kongresshalle beheimatet. Wieder aufgebaut deshalb, weil die vom New Yorker Architekten Hugh Stubbins entworfene Dachkonstruktion eingestürzt war. Der berühmte italienische Architekt und Ingenieur Pier Luigi Nervi hatte schon zur Bauzeit messerscharf geurteilt:
"Tatsächlich verstößt dieses Bauwerk gegen die naturgegebenen Prinzipien der Statik und Konstruktion, die man nicht ungestraft verletzen darf."
Die Strafe folgte am 21. Mai 1980. Das zu kühne Tragwerk barst und stürzte zu Boden. Nun ließen sich die Berliner nicht lumpen und rekonstruierten ihrerseits das Symbol deutsch-amerikanischer Freundschaft.
Für Kongresse wurde der Bau allerdings nicht mehr gebraucht. Erspart geblieben ist ihm die nach dem Regierungsumzug vorgesehene Funktion als Sitz des Bundesrats. Innerdeutsches Parteiengezänk hätte zwar die Deutschen als Musterschüler des Demokratisierungsprogramms ausgewiesen, doch unter freiem Austausch der Meinungen hatten sich die Stifter doch etwas anderes vorgestellt.
Als internationale Begegnungsstätte Haus der Kulturen der Welt entspricht das kürzlich generalsanierte Gebäude nun genau dem Stifterwunsch, die weltweite interkulturelle Begegnung zu fördern, und das tut es mit Ausstellungen, Konzerten und weiteren kulturellen Veranstaltungen aller Art.
"Die Kongresshalle ist mehr als ein Zeugnis moderner Architektur und kühnen Ingenieurgeistes, nämlich ein Symbol der Freiheit und der Menschenwürde, eine Stätte der freien Rede","
so Ralph Walker von der Benjamin-Franklin-Stiftung, denn die Schwangere Auster, wie sie die Berliner bald nennen, ist ein Geschenk der Amerikaner, mit denen die Westberliner spätestens seit der Luftbrücke unverbrüchliche Freundschaft geschlossen haben. Als die Kongresshalle am 19. September 1957 eröffnet wird, ist sie nicht das erste derartige Geschenk. Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität, das Kulturzentrum Amerika-Haus und die Amerika-Gedenk-Bibliothek sind bereits in Betrieb. Westdeutschland und insbesondere die Berliner hatten Grund zur Dankbarkeit, die gern in pathetische Worte gefasst wurde. Bundespräsident Theodor Heuss bei der Rede zur Schlüsselübergabe:
"Diese Kongresshalle in dieser Stadt, an diesem Ort, ist vorzüglich praktischen Zwecken eines vielgegliederten Gemeinwesens gewidmet. Geweiht aber ist sie als Symbol einer überzeitlichen, überstaatlichen, übernationalen Gesinnung, die dem Werdenden, den Menschen bindende Kraft schenkt.""
All diese Geschenke waren Argumente im Kampf der ideologischen Systeme und sie waren Teil der kulturellen und demokratischen Erziehungspolitik der Westalliierten. Durch die Umerziehung der Bevölkerung, durch die Vermittlung ethischer, kultureller und politischer Werte, durch demokratische Verhältnisse und mündige Bürger, sollte ein Wiederaufkeimen des Faschismus verhindert werden.
Und da die West-Alliierten sich als Freunde erwiesen hatten, ging das Kalkül auf. Der Regierende Bürgermeister Willi Brandt formulierte den Auftrag nochmals, als das Gebäude von der Benjamin-Franklin-Stiftung an den Senat übergeben wurde:
"" Wir wollen versuchen, dem von der Stiftung formulierten Ziel treu zu bleiben. [...] Die Stifter haben Wert darauf gelegt, uns im Besonderen an die Verfolgung kultureller, erzieherischer und wissenschaftlicher Ziele zu erinnern. Sie haben uns aufgetragen, von dieser Stelle aus mit dafür zu wirken, dass die internationale Verständigung wachsen möge, dass sie wachsen möge auf der Basis der freien Rede, des freien Austauschs der Meinungen.""
Besser noch als in seiner Funktion als Kongresshalle kommt der Bau seit der Wende diesem Auftrag nach. Denn wenige Monate vor dem Fall der Mauer wurde das Haus der Kulturen der Welt gegründet und in der wieder aufgebauten Kongresshalle beheimatet. Wieder aufgebaut deshalb, weil die vom New Yorker Architekten Hugh Stubbins entworfene Dachkonstruktion eingestürzt war. Der berühmte italienische Architekt und Ingenieur Pier Luigi Nervi hatte schon zur Bauzeit messerscharf geurteilt:
"Tatsächlich verstößt dieses Bauwerk gegen die naturgegebenen Prinzipien der Statik und Konstruktion, die man nicht ungestraft verletzen darf."
Die Strafe folgte am 21. Mai 1980. Das zu kühne Tragwerk barst und stürzte zu Boden. Nun ließen sich die Berliner nicht lumpen und rekonstruierten ihrerseits das Symbol deutsch-amerikanischer Freundschaft.
Für Kongresse wurde der Bau allerdings nicht mehr gebraucht. Erspart geblieben ist ihm die nach dem Regierungsumzug vorgesehene Funktion als Sitz des Bundesrats. Innerdeutsches Parteiengezänk hätte zwar die Deutschen als Musterschüler des Demokratisierungsprogramms ausgewiesen, doch unter freiem Austausch der Meinungen hatten sich die Stifter doch etwas anderes vorgestellt.
Als internationale Begegnungsstätte Haus der Kulturen der Welt entspricht das kürzlich generalsanierte Gebäude nun genau dem Stifterwunsch, die weltweite interkulturelle Begegnung zu fördern, und das tut es mit Ausstellungen, Konzerten und weiteren kulturellen Veranstaltungen aller Art.