"Wege zum Ruhm" von 1957 ist Stanley Kubricks erster Film von wirklicher Bedeutung, eine Arbeit, die bereits eine hohe Intensität und Leidenschaft für den Film erkennen lässt.
Der Film war nicht nur filmisch etwas Besonderes, sondern auch ein ganz persönlicher Einschnitt in Kubricks Leben ist damit verbunden. Bei den Dreharbeiten traf er die Frau, die ihn bis zu seinem Tod begleiten sollte. 42 Jahre lang. Aus Christiane Harlan – die in dem Film mitspielt - wurde bereits ein Jahr nach den Dreharbeiten Christiane Kubrick.
Die erste Kamera zum Geburtstag
Als Christiane Harlan 1932 im norddeutschen Braunschweig auf die Welt kommt, lebt der vierjährige Stanley Kubrick im New Yorker Stadtteil Bronx. Im benachbarten Manhattan wurde er als Sohn eines Arztes am 26. Juli 1928 geboren.
Schon früh bringt der Vater seinem Sohn das Schachspielen bei. Zu seinem 13. Geburtstag erhält Stanley vom Vater ein Geschenk, aus dem eine ganz neue Leidenschaft erwächst. Der Jugendliche hält an seinem Geburtstag plötzlich eine professionelle Fotokamera in seinen Händen.
Ein Meisterwerk nach dem anderen
Der erste Spielfilm Kubricks entsteht 1953 unter dem Titel "Fear and Desire". Rund zehn Jahre später wird diese kreative Wucht zu wahren Quantensprüngen in der Filmkunst führen.
Stanley Kubrick schuf einzigartige Meisterwerke, an denen sich bis zu heutigen Tag alle Regisseure messen müssen, die neue Verfilmungen in einem dieser Genre versuchen:"2001: Odyssee im Weltraum", "A Clockwork Orange", "Barry Lyndon", "The Shining", "Full Metal Jacket", "Eyes Wide Shut".
Musik sei im Film wichtiger als Sprache
Die Musik hat in seinen Filmen den gleichen Stellenwert wie das Bild. Tatsächlich ist diese Synthese von Bild und Musik ein besonderes Markenzeichen der Kubrick-Filme.
Die wichtigsten Werkzeuge, mit denen man bei einem Film arbeiten muss, sind meines Erachtens Bild, Musik, Montage und die Gefühle der Schauspieler. Sprache ist sicher wichtig, aber für mich kommt Sie erst an fünfter Stelle. Für mich persönlich bestehen die unvergesslichsten Szenen in den besten Filmen in der Hauptsache aus Bild und Musik.
Stanley Kubrick, 1972
So ist es nicht nur legitim, sondern durchaus auch logisch sich dem Werk des Regisseurs Stanley Kubrick speziell von der musikalischen Seite her zu näher.
Musik als Mittel der Ironie
Um die Wirkung von Filmmusik zu verstärken, wählt Kubrick häufig Musik, die in Kombination mit den Bildern äußerst satirisch-ironisch wirkt. Da wäre beispielsweise Kubricks tiefschwarze Satire. "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" aus dem Jahr 1964.
Schon zu Beginn des Films, passt die süßlich-sanfte Musik scheinbar überhaupt nicht zu den Bildern. Denn man sieht, einen atomar bestückten B-52-Bomber der US-Airforce auf der Leinwand. Ruhig bewegt sich das massenmordtaugliche Kriegsgerät über den Wolken, umsorgt von einem kleineren Flugzeug, das den Bomber - über einen langen Verbindungsschlauch - in der Luft aufgetankt.
Gene Kelly akzeptierte den Film nicht
Dem Film wurde Gewaltverherrlichung unterstellt. Auch der Schauspieler und Sänger Gene Kelly konnte die drastische Art und Weise, wie in "Clockwork Orange" gesellschaftliche Zustände beschrieben werden, nicht akzeptieren: Sein ikonischer Auftritt im Hollywood-Musical "Singin' in the Rain" erfährt hier eine parodistische Umdeutung als Gewaltausbruch.
Alex-Darsteller Malcolm McDowell musste erfahren, dass er mit seiner Darstellung des Schlägers nicht nur das Opfer im Film mit Tritten malträtiert hatte. In einem Interview erzählte der Schauspieler, wie er ein Jahr später in Los Angeles auf eine Party eingeladen war. Dort sagte der Gastgeber zu ihm: "Malcolm, ich würde Dich gern mit Gene Kelly bekanntmachen." Er nimmt den jungen Schauspieler mit zum legendären Gene Kelly und fragt freundlich: "Gene, kennen Sie Malcolm McDowell?" Daraufhin dreht sich Gene Kelly um und entfernte sich wortlos.
Kleineres Budget für "Clockwork Orange"
Kubrick konnte bei "Clockwork Orange" nicht mehr so viel Geld ausgeben, wie noch zuvor bei "2001". Der Film musste mit deutlich geringeren Kosten realisiert werden. Jan Harlan sagt: "Also das Budget war, glaub ich, etwa zwei Millionen. Und das haben wir auch eingehalten. Das war ein billiger Film - Clockwork Orange."
Jan Harlan, Schwager von Stanley Kubrick und einer seiner engsten Mitarbeiter© Barbara Löblein
Der Film wurde ein großer Kassenerfolg und spielte die niedrigen Produktionskosten innerhalb kürzester Zeit wieder ein. Die eingesetzte Musik trug ganz wesentlich zum Erfolg des Filmes bei.
Der Einfluss auf Musiker
Als "Clockwork Orange" in den Kinos lief, kreierte Rock-Star David Bowie seine Kunstfigur "Ziggy Stardust". Um diese außerirdische Gestalt herum entstand dann ein Konzeptalbum, das Rock-Geschichte schrieb.
David Bowie 1976 im Ziggy-Stardust-Outfit.© imago stock&people / Peter Mazel
Bei einem Ziggy-Stardust-Konzert in London ließ Bowie am Anfang, in der Pause und auch am Schluss Musik aus "Clockwork Orange" über die Saal-Lautsprecher abspielen. Seine Anregungen für die "Ziggy Stardust"-Bühnenkostüme holte sich Bowie ebenfalls aus "Clockwork Orange".
Die Augenklappe, die Stiefel kupferten wir von Kubricks gewalttätiger Vorlage ab. Dazu suchten wir in London die knalligsten Stoffe für unsere Kostüme und nahmen dadurch der Gewalttätigkeit ihre Ernsthaftigkeit.
David Bowie
Bowie zelebriert seine Horrorshow auf der Bühne in enger Anlehnung an "Clockwork Orange". Auch in anderer Hinsicht waren Kubricks Filme eine Inspirationsquelle für den Popstar.
Entdeckt habe ich Strauss vor 30 Jahren, als ich zum ersten Mal den Kubrick-Film "2001: Odyssee im Weltraum" sah, mit dieser fabelhaften Einleitung, die ja heute wie ein Radiojingle benutzt wird. Ich dachte mir damals: Großartig, das ist sicher einer, der Werbemusik schreibt. War aber dann, wie ich auf dem Soundtrack erkennen konnte, ein Typ namens Richard Strauss.
David Bowie
Förderer von Karrieren
Nicht nur Richard Strauss wurde durch Kubricks 2001 einem weltweit großen Publikum bekannt. Der Film machte auch den aus Rumänien stammenden Komponisten György Ligeti schlagartig berühmt.
Kubrick war so angetan von Ligeti, dass er auch bei späteren Filmen auf die Musik des Komponisten zurückgriff. Zwölf Jahre nach der Weltraum-Odyssee erklingt Ligetis "Lontano" mehrmals in "Shining" - einem Horrorfilm, der genreuntypisch überwiegend im Hellen spielt. Der Kinobesucher blickt bei Ligetis befremdlichen Klängen in menschliche Gesichter, die Furcht und Wahnsinn widerspiegeln.
Die Musik von Ligeti hat nicht nur Kubricks Filme bereichert, umgekehrt haben die Filme auch dafür gesorgt, dass der Komponist eine weltweite Karriere machen konnte.
Die Arbeitsweise
Kubrick griff oft auf bereits bestehende Musik zurück - wie eben Johann und Richard Strauss, Beethoven, Schubert, Händel oder Ligeti. Die übliche Vorgehensweise für die Musikausstattung eines Filmes interessierte Kubrick nicht
Einen Film zu drehen ist wie der Versuch, auf einem Rummelplatz "Krieg und Frieden" zu schreiben. Aber wenn endlich alles geschafft ist, dann entsteht ein Glücksgefühl von solch einer Intensität, wie es selten im Leben vorkommt.
Stanley Kubrick
So beschreibt Stanley Kubrick das Innenleben eines Regisseurs, die Kernelemente seiner Arbeit deutet er auch an: "Gründlichkeit, Beharrlichkeit, Liebe zum Produkt und die ständige Bereitschaft, Neuland zu betreten."
Filmemacher und Familienmensch
Seit 1968 wohnte und arbeitete Stanley Kubrick dauerhaft in England. 1978 kaufte er ein großes Anwesen in der Nähe von London. Dort fand er - im Kreise seiner Familie und engsten Mitarbeiter - die nötige Ruhe, um neue Filmprojekte zu entwickeln und Dreharbeiten vorzubereiten.
Bereits seit Anfang der 1960er-Jahre entstanden alle Kubrick-Filme fast ausschließlich in England. Sogar sein Vietnam-Film "Full Metal Jacket" wurde komplett in der Nähe von London gedreht.
Kubrick war dafür berühmt, dass er einzelne Szenen extrem häufig wiederholte. 40, 50 oder gar über 100 Einstellungen sollen es teilweise gewesen sein. Seine genaue und zeitintensive Arbeitsweise wurde noch einmal anschaulich nachvollziehbar, als das Deutsche Filmmuseum die Aufgabe übernahm, den umfangreichen Nachlass des Regisseurs zu erschließen. Vier Jahre nach Kubricks Tod schickte das Museum einen erfahrenen Archivar nach London.
Katharina Kubrick (l), Stieftochter von Stanley Kubrick, und ihr Onkel, der Produzent Jan Harlan bei der Ausstellung "Kubricks 2001. 50 Jahre A Space Odysee"© Arne Dedert/ dpa
Das Ziel war eine große Ausstellung über Stanley Kubrick. Der spätere große Erfolg dieser Ausstellung war damals noch nicht abzusehen. Inzwischen wurde die Ausstellung weltweit in rund 20 Städten gezeigt. Weit über eine Million Besucher besichtigten bisher den Kubrick-Nachlass.
Die Arbeit mit den Schauspielern
Bei den Dreharbeiten zu Kubricks Ehedrama "Eyes Wide Shut" im Jahr 1998 spielte Sky du Mont eine lange Szene mit Nicole Kidman. Laut Drehbuch sollte er die Hauptdarstellerin verführen. Doch bevor es dazu kam, war für den Schauspieler zunächst einmal tagelanges Warten angesagt.
Sky du Monts Mutter lebte zu dieser Zeit in London. Er saß in ihrer Wohnung und wartete darauf, an den Set gerufen zu werden. Einen direkten Kontakt zu Kubrick hatte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Dann plötzlich - an einem späten Nachmittag - kam der Anruf von einem Mitarbeiter des Regisseurs: Er werde jetzt abgeholt, Kubrick wolle etwas mit ihm drehen.
Wir fingen an, so kleine Takes zu drehen und zu probieren. Das gefiel ihm dann anscheinend. Er wurde eigentlich zusehends immer netter. Ich habe einen Mann kennengelernt, der mich zutiefst beeindruckt hat.
Sky du Mont
Im folgenden Jahr erreicht den Schauspieler die Nachricht, dass Stanley Kubrick gestorben ist. "Als ich es erfahren habe, weiß ich, dass mir die Tränen in die Augen geschossen sind. Und meine Frau mich ganz merkwürdig angeschaut hat. Und ich gesagt habe: Da ist gerade ein ganz großer, großer Mensch von uns gegangen! Er hat Schauspieler geformt! Er hat aus Schauspielern Talente herausgebracht, die nie jemand gesehen hat. Nicht einmal die Schauspieler selber wahrscheinlich."
(Wiederholung vom 02.03.2019)