Der Anrobber
Jürgen Teller ist einer der gefragtesten Fotografen, weil er den Menschen auf seinen Bildern so nah kommt, wie vermutlich nur wenige andere. In Locarno spricht er im Rahmenprogramm des Festivals über das Medium Film und die Macht der Bilder.
"Fotografieren ist eine psychologische, physische Anspannung, das wird oft nicht so wahrgenommen, es ist körperlich ziemlich anstrengend. Ich mache sehr viele Fotos, und robbe mich so ran." Das wirke "eher hypnotisierend" auf den Porträtierten. "Ich mache da mehr Fotos und dann entspannt sich alles." Er pirsche sich langsam ran wie ein Tier, erklärt Jürger Teller.
Nackt am Grab - mit Fußball, Bierflasche und Zigarette
Auf die Frage, wie die Menschen ihm so vertrauen, dass sie sich auch ausziehen, antwortet Teller: "Ich kenne die Leute teilweise schon seit zehn oder 20 Jahren, habe mit ihnen viel gearbeitet und bin teilweise mit ihnen befreundet."
Außerdem komme auch noch ein gewisser Charme hinzu und wahrscheinlich seien seine Selbstporträts auch hilfreich, da "die Leute dann sehen, wie weit ich gehe." Am weitesten gegangen sei er, als er sich nackt am Grab seines Vater selbst abgelichtet hat – mit einem Fußball, einer Bierflasche und einer Zigarette.
"Ich wollte meinem Vater näher kommen"
Der Selbstmord seines Vaters sei ein harter Einschlag in das ganze Familienleben gewesen, erklärt Teller. Zunächst habe die Trauer überwogen, später seien dann Überlegungen hinzugekommen, warum ein Mensch sowas macht.
"Ich wollte meinem Vater näher kommen, er war ein schwerer Alkoholiker und ich war mit meiner Mutter immer sehr sportlich ambitioniert, mein Vater spielte fünf Instrumente und war eher musikalisch." Als Teller älter wurde, habe auch er Probleme mit dem Alkohol bekommen und angefangen zu rauchen. Bis Anfang 20 habe er weder getrunken, noch geraucht, das sei alles erst später gekommen. "I wanted to be closer to my dad." Sein Konsum sei aber nie außer Kontrolle geraten - entgegen den Berichten in der Presse.
"Aber man löst sich halt auf, wenn man trinkt, alles wird lustiger, man wird lockerer, ich war dann in dieser Mayer-Klinik vier Mal, glaube ich. Aber am Liebsten ist mir, wenn man überhaupt nichts trinkt, ganz klar, man hat dann bessere Gedanken und das macht eigentlich am meisten Spaß."
"Es gibt ja nicht plötzlich bessere Fotografen"
Auf die Frage, wie es zu seinem Vorhaben in Locarno gekommen ist, erklärt Teller, dass der Chefredakteur von "Das Magazin" ihm Fragen darüber stellen wolle, wo die Fotografie momentan stehe und was es bedeute, wenn jetzt jeder Fotos mache, jeder auf Instagram sei und jeder selbst retuschiere. "Ich lass mich da überraschen und antworte spontan."
Und wie er zur Allgegenwärtigkeit von Fotographien steht? "Bessere Fotos werden nicht gemacht. Es gibt ja nicht plötzlich bessere Fotografen."