Star-Tänzer und Intendant

Von Mirko Schwanitz |
Seit sieben Jahren ist er nun schon in Berlin und hat als Intendant dem Staatsballett wieder so etwas wie Glamour verliehen. Seine eigenen Auftritte sind inzwischen gesellschaftliche Ereignisse. Bevor Vladimir Malakhov nach Berlin kam, tanzte er bereits im berühmten Moskauer Bolschoitheater, an der Metropolitan Opera in New York und am Burgtheater in Wien.
Er kommt direkt von einer Probe n einem legeren lila, schwarz und weiß gestreiften Strickanzug. Noch einmal geht er im Kopf die gerade trainierten Sprünge des Caravaggio durch, der Hauptfigur jener Inszenierung, die zurzeit auf den Kulturseiten der Berliner Zeitungen für kontroverse Diskussionen sorgt.

"Natürlich, das ist eine sehr schwere Figur, vielleicht die schwerste, die ich bisher getanzt habe. Auf Caravaggios Bildern ist Blut, sind abgetrennte Gliedmaßen zu sehen, alles an ihm ist expressiv. Es ist schwer darüber zu sprechen, aber ich will, dass die Zuschauer diesen Caravaggio, diesen genusssüchtigen Exzentriker durch mich, durch meinen Körper erleben."

Der aus dem ukrainischen Krivoi Rog stammende Vladimir Malachov schaut, als wäre er immer noch erstaunt darüber, dass er es vom Ballett-Eleven in einer schmutzigen Metallurgie-Metropole bis zum Intendanten und Star-Tänzer an der Berliner Staatsoper gebracht hat.

"Die Karriere eines Tänzers ist eigentlich sehr kurz. In Moskau sagt man, höchstens 20 Jahre. Aber ich bin jetzt schon viel länger auf der Bühne und dennoch ist die Zeit vergangen wie eine Sternschnuppe."

Sein Blick ändert sich. So als würde er wieder in jener Moskauer Ballettschule stehen, in die ihn seine Mutter 1978 brachte – tausend Kilometer weg von zu Hause. Da war er gerade einmal zehn Jahre alt.

"Dass ich zum Ballett kam, hat sicher mit dem unerfüllten Traum meiner Mutter zu tun, die rhythmische Sportgymnastin war. Und ich erinnere mich noch, wie ich aus diesem Fenster schaute, während ich meine Übungen machte. Ich blickte in den Park und sah die Kinder laufen, lachen und spielen. Ich wollte das auch. Natürlich wusste ich damals nicht, wie meine Zukunft aussehen würde, aber das ich an dieser Stange bleiben musste, wusste ich. Vielleicht stand alles da oben schon irgendwie geschrieben."

Er hat viel ertragen in diesen Jahren. Dass der Lehrer ihm Sandsäcke an die Füße band, um die Gelenke zu stärken, dass er ihm mit einem Stock gegen die Beine schlug, damit er höher sprang. Es habe ihn hart gemacht, sagt er heute lächelnd und zeigt die blauen Flecken an seinem Körper.

"Das gehört einfach zum Ballett. Die blauen Flecken, die Prellungen. Ich ignoriere das. Für mich wäre es eine Tragödie wegen erhöhter Temperatur krank zu machen. Um einen fehlenden Trainingstag auszugleichen, brauchst du zwei, um dich wieder in die frühere Form zu bringen."

Es ist diese Disziplin, die Journalisten dazu bringt, ihn mit einem Nurejew zu vergleichen. Ein Vergleich, den er im übrigen nicht gern hört. Und einer, der ihm viel Neid eingebracht hat.

"Was soll ich sagen. Das ist nun einmal das Künstlerleben. Man kommt auf eine fremde Bühne und die älteren Kollegen sagen: Na du Spund, nun zeig mal was du kannst! So von oben herab. Dann habe ich getanzt und plötzlich standen sie sozusagen mit dem Messer vor mir und achteten nur noch darauf, ob ich einen Fehler mache."

Und so muss er noch heute im Alter von nun bald 41 Jahren immer noch besser sein als all die anderen, die jungen, die ehrgeizigen, die einmal seinen Platz einnehmen wollen. Gleichzeitig muss er ihnen beibringen, was sie brauchen, um ihn, den Star abzulösen. Das braucht nicht selten Härte, die er sich erst antrainieren musste.

"Die ganze Zeit nur kämpfen. Ich muss darauf achten, dass meine Tänzer gut sind. Ich muss loben und schimpfen. Es gibt hier schon ein geflügeltes Wort - es heißt nicht: Die Russen kommen, sondern: Malachov kommt!"

Kaum zu glauben, dass er neben dem Tanz und der Intendanz noch einen dritten Job hat – den eines Designers nämlich. Seit einiger Zeit entwirft Malachov für ein japanisches Modelabel eine eigene Strick-Kollektion für Ballett-Trainingskleidung – bunte farbenfroh gestreifte Pullover und Hosen, Pulswärmer und Strümpfe, die nicht verleugnen können, das Lila zu seinen Lieblingsfarben gehört. Wann aber erholt sich so einer? Und wie?

"In dem ich auf allen Vieren nach Hause krieche. Und mir am Abend die Zeit nehme, mit meinen australischen Hütehunden im Park spazieren zu gehen. Ich liebe die Natur. Und vor allem liebe ich Blumen. Zuhause haben mein Freund und ich vier Balkone. Auf einem wachsen nur Rosen, auf dem zweiten japanische Seerosen, der dritte ist mein Gemüsegarten für Tomaten, Kräuter und anderes gesundes Zeug. Und auf dem vierten blühen seit einigen Tagen 13 Amaryllis-Sorten."