Starke Frauen

Von Cora Stephan |
Jetzt ist es also raus: Die ZDF-Moderatorin Maybritt Illner und der Telekomchef René Obermann sind ein Paar. Wussten Sie schon? Geht Sie nichts an? Und überhaupt sei das eine Meldung für die Klatschspalten? Irrtum. Das gehört ganz vorne in den Politikteil der Zeitung und ganz oben in die Wirtschaftsnachrichten. Die beiden sind ja nicht irgendjemand und um irgendetwas so banales wie die Liebe, gutes Aussehen oder verlassene Ehepartner geht es schon mal gar nicht. Privatleben ist hier Nebensache.
Und was immer die beiden selber glauben mögen: In Wirklichkeit handelt es sich um eine strategische Allianz. Um eine hochkarätige Verbindung von Meinungs- und Wirtschaftsmacht. Und die kann es in sich haben – denken wir mal an die Journalistin Doris Köpf, die Gerhard Schröders Herz gewann, als der noch am Tor zum Kanzleramt rüttelte. Wenig später war er drin.

Erfolgreiche Frauen und mächtige Männer sind ein Modell mit Zukunft. Wer als Mann Macht hat oder sie haben will, schmücke sich heute nicht mehr mit reichen Erbinnen oder adligen Stammbaumverwalterinnen, die zu Hause repräsentieren, das patriarchalische Modell ist megaout. Sein persönliches Kapital mehre er vielmehr mit umtriebigen Multiplikatorinnen, denen alle Türen offenstehen. Journalistinnen eben, der große Hype auf dem Heiratsmarkt.
Was für eine Empfehlung für unseren schillernden Berufsstand. Aber Verlass ist darauf natürlich nicht. Die Illners und Christiansens der Republik sind Frontfrauen, hinter denen ganze Heerscharen müder Zuarbeiter stehen, die vom Glanz wenig sehen. Macht wäre was anderes.

Doch das Lied soll hier gar nicht angestimmt werden, das spaßverderberische Lied von den Ausnahmefrauen, während wir anderen bienenfleißig im Abseits stehen. Nein, selbst schuld, wenn unsereins seine Chance nicht ergreift. Denn mittlerweile lohnt es sich, eine Frau zu sein und man muss es schon sehr dumm anstellen, um vom anhaltenden Trend nicht zu profitieren. Ein paar Männer haben das längst begriffen: wer keine erfolgreiche Frau sein kann, heiratet sich eben eine.

Der gute Ruf der Frauen ist ungebrochen, und das seit mittlerweile mehr als 20 Jahren. Mit der Frauenquote im Bundestag ging das los, die Grünen haben damit angefangen, und dort träumte bald so mancher Mann von Geschlechtsumwandlung nach Bedarf, etwa wenn die Partei sich bei der Kandidatenkür wieder einmal nicht nach Qualität, sondern nach Geschlecht zu entscheiden hatte.

Doch das Thema ist durch. Mittlerweile wagt kaum einer noch Zweifel an der These, dass Frauen einfach das bessere Geschlecht sind. Klüger, friedlicher, freundlicher. Stark und schön und immer auf der richtigen Seite. Fit und hip auch mit Runzeln, Übergewicht und grauen Haaren, die in den USA angeblich gerade schwer in Mode gekommen sind. Ja, wir sind einfach unübertroffen.

Dass schon Mädchen in der Schule und beim Studium besser abschneiden als die Jungs, ist bekannt, dass sie in der Kriminalitätsstatistik als Totschlägerinnen und Mörderinnen keine signifikante Rolle spielen, auch. Und nun retten sie, dank unserer Kanzlerin, auch noch die Welt.

Mein Gott, sind wir klasse. Mein Gott, ist das langweilig. Das Frauenbild hat sich ins Positive verkehrt und bleibt doch ein Klischee. Man merkt es, das kann man im "Spiegel" dieser Woche schön nachlesen, an vielen frisch veröffentlichten Biografien, die uns Frauen Identifikationsfiguren nahebringen wollen, an denen wir unser Selbstbewusstsein stählen können, weshalb über negative Charakterzüge hinweggekuschelt wird. Alle, ob Malerin, Muse oder Dichterin, waren klug, kultiviert, selbstbewusst, kurz: tugendhaft bis zum Abwinken. Die schrilleren Damen schenkt man sich, vor allem jene, deren Ansichten und kämpferische Intelligenz nicht ins frauenaffine Weltbild passen. Frau eckt nicht an.

Leider. Wir lassen uns lieber schön lügen, von all den Programmdirektoren, Buchproduzenten, Marketingchefs und Meinungsagenten. Warum sie das tun? Ganz einfach: wegen einer kleinen zahlenmäßigen Überlegenheit, die manchmal auch eine ziemlich große ist. Für den Buchmarkt ist die Sache klar: Da 70 Prozent der Buchkäufer weiblichen Geschlechts sind, wirbt man um sie mit "frauenaffin" genannten Inhalten. Für die Politiker gilt ähnliches: dass sie sich nicht zwischen Krippengeld und Herdprämie entscheiden können, liegt an der Angst, auch nur einen Teil der Frauen zu verprellen. Ähnliches gilt für Wirtschaftsunternehmer, die keinen qualifizierten Führungsnachwuchs finden und deshalb heute und insbesondere künftig Frauen brauchen. Ganz zu schwiegen von Lebensmittelanbietern, die um die Marktmacht der Frauen schon lange wissen.

Schön, so umworben zu sein. Nur glauben sollte man das ganze Gedöns nicht. Es waren selten nur gute Zeiten, in denen Frauen als Heilige galten.

Gut, dass wenigstens unsere Kanzlerin keine ist. Wenn es nach ihr ginge, siegten zwar die besseren Menschen, also wir Frauen, bald überall. Doch das hat seinen Preis. Dann wäre zwar der Telekomchef vielleicht demnächst eine Frau. Doch was wird dann aus attraktiven, intelligenten Fernsehfrauen? God knows.

Aber vielleicht gibt es dann endlich mehr attraktive, intelligente Fernsehmänner. Weil Mann und Journalist sein sich endlich wieder lohnt. Das wäre doch was, oder?


Die Frankfurter Publizistin und Buchautorin Cora Stephan, Jahrgang 1951, ist promovierte Politikwissenschaftlerin. Von 1976 bis 1984 war sie Lehrbeauftragte an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität und Kulturredakteurin beim Hessischen Rundfunk. Von 1985 bis 1987 arbeitete sie im Bonner Büro des "Spiegel". Zuletzt veröffentlichte sie "Der Betroffenheitskult. Eine politische Sittengeschichte", "Die neue Etikette" und "Das Handwerk des Krieges".