Starkes Hessen, knappes Hessen

Von Anke Petermann |
Die Landtagswahl in Hessen am 22. September steht im Schatten der Bundestagswahl am selben Tag. Nach den Umfragen sind Schwarz-Gelb und Rot-Grün etwa gleich stark. Beide Lager wissen, dass Wahlen in Hessen immer sehr eng ausgehen.
Strahlende Cheerleader in blau-weißen Trikots wedeln mit ihren Pom-Poms. "Burning heart" wummert aus den Lautsprechern durch die voll besetzten Rhein-Main-Hallen in Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden.

2.000 CDU-Anhänger klatschen mit zum Lieblingshit von Volker Bouffier. Der amtiert seit drei Jahren als Ministerpräsident von Hessen, Thronfolger von Roland Kochs Gnaden sozusagen. Selbst hat Bouffier noch keine Wahl als Spitzenkandidat gewonnen. Kochs langjähriger Innenminister galt bislang eher als Mann fürs Grobe. Dass er mobilisieren kann, auch über die eigene Anhängerschaft hinaus, das muss der 61-Jährige erst noch beweisen.

Die leicht gedrungene Frau im Hosenanzug, die soeben die Bühne erklimmt, kommt im Wahlkampf oft nach Hessen, zieht damit viel Publikum für ihren Stellvertreter an der Spitze der Bundespartei:

"Noch nie hat es so viele Arbeitsplätze in Hessen gegeben, noch nie so viele Ausbildungsplätze, noch nie so viele Kinderbetreuungsplätze wie heute."

"Wahlkampf unter Muttis Rettungsschirm" höhnt die SPD mit Blick auf Bouffiers Versuch, die Stärke der Kanzlerin für sich zu nutzen. 2009 hatten die Liberalen mit ihrem Stimmenhoch von 16 Prozent den Christdemokraten die Macht in Wiesbaden gesichert. Derzeit aber schwächelt die hessische FDP in den Umfragen bei fünf, sechs Prozent. Doch für Hilfe in der Not lassen die eigenen Umfragewerte dem CDU-Spitzenkandidaten keinen Raum. Zu frisch die Erinnerung an das Wahldebakel in Niedersachsen Anfang des Jahres. Deshalb: klare Absage an eine Zweitstimmen-Kampagne für die Liberalen. Bouffier beschwört sein Publikum:

"Beide Stimmen für die Union! Wir haben nichts zu verschenken. Und es ist noch lange nicht entschieden."

Merkels Lob auf die vielen hessischen Kita-Plätze geht CDU-Anhängern runter wie Honig. In den Zeiten des Rechtsanspruchs für die Betreuung schon der Kleinsten ist der Höchststand allerdings selbstverständlich. Aber wie sieht’s mit der Betreuungsqualität aus?

Mit dem neuen hessischen Kinderförderungsgesetz finster, meinen Erzieherinnen und Eltern bei Protestaktionen überall im Land. Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften schüren den Widerstand mit Hilfe der Opposition aus SPD, Grünen und Linken. Laut Landesregierung bringt das sogenannte KiföG 80 Millionen Euro für den Kita-Ausbau und Förderung aus einem Guss. Laut Demonstranten bringt es ...

"Qualitätsverlust und schlechtere Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen. Wir brauchen eigentlich eine Verbesserung der Personalbenmessung und Ausbildungskapazitäten und damit dann auch der Qualität in den Kitas. Und das geht wirklich nur, wenn man mehr Geld in die Hand nimmt und die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen verbessert.

Kinderförderungsgesetz hört sich erst mal gut an, aber wenn man genauer hinschaut, wird es die Bedingungen in den Kindertagesstätten enorm verschlechtern. Wir sehen’s als Mogelpackung, weil wir eigentlich denken, da müssten Standards festgeschrieben werden, es müsste sich in der pädagogischen Qualität was verbessern und nicht noch verschlechtern."

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Marktplatz in Seligenstadt (Hessen) beim Wahlkampfauftakt.
Volker Bouffier, Angela Merkel© picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Neue Kampfeslust bei der SPD
SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel fordert Regierungschef Volker Bouffier heraus. Es ist die zweite Landtagswahl für den Politologen, Gewerkschafter und linken Pragmatiker. 2009 fuhr der damals 39-Jährige mit weniger als 24 Prozent der Stimmen eine krachende Niederlage für seine Partei ein.

Dennoch waren und sind ihm die Sozialdemokraten dankbar: dafür, dass er nach dem Scheitern des rot-grün-roten Experiments mit Andrea Ypsilanti seinen Kopf hinhielt und den Karren aus dem Dreck zog. Dafür, dass er die zerstrittene Partei befriedete, den gebeutelten Genossen wieder Selbstbewusstsein und Kampfeslust einhauchte.

"Papis Rettungsschirm" gibt es für Schäfer-Gümbel nicht. Für ihn ist eher die Frage, wie weit er den Steinbrück-Malus hinter sich lassen kann. Über die frühkindliche Förderung in Hessen sagt Schäfer-Gümbel vernichtend knapp: "Im Kindergartenbereich hat diese Landesregierung versagt."

Wunden lecken war gestern. Die Genossen blasen zur Attacke. Erfolgreich. Das Kinderförderungsgesetz musste die schwarz-gelbe Koalition unter dem anhaltenden Druck von SPD, Grünen und Linkspartei entschärfen, unter anderem die Maximalgröße für Krippengruppen heruntersetzen. Doch die Unzufriedenheit mit dem neuen Gesetz hält an. Am 1. Januar 2014 soll die Regierung es in Kraft setzen. Oder auch nicht. Denn für den Fall, dass er mit Rot-Grün die Landtagswahl gewinnt, will SPD-Mann Schäfer-Gümbel den Christdemokraten Bouffier bitten, darauf zu verzichten. Die neue Legislaturperiode beginnt in Hessen nämlich erst am 18. Januar 2014. Die Regierung Bouffier amtiert auf alle Fälle noch bis dahin.

Muss Volker Bouffier tatsächlich unter "Mutti Rettungsschirm" schlüpfen, wie der SPD-Generalsekretär höhnt? Sein Ministerpräsidenten-Bonus ist erstaunlich gering. Obwohl er noch mehr als sonst Schultern klopft, Hände schüttelt und lächelt ‒ was zuweilen etwas grimmig gerät. Vielleicht, weil es so anstrengend ist, "locker zu bleiben", wie die Hessen-CDU mit dem wichtigsten Slogan ihres "Wohlfühl-Wahlkampfs" verspricht. Dazu gehört auch die Mini-Talkshow mit dem Regierungschef auf der Bühne. Die von der CDU bezahlte Moderatorin stellt knallharte Fragen:

"Herr Ministerpräsident, wie locker sind Sie denn?" (Lachen)

"Also, das ist prima. Locker bleiben, das bedeutet, wir sind stark, aber wir müssen uns anstrengen. Das wollen wir aber nicht verbiestert machen, indem wir den Menschen daherkommen als Unheilspropheten, sondern locker, sportlich und kämpferisch, so wollen wir sein, und das werden wir in den nächsten Tagen zeigen." (Beifall)

Denn die Rolle der verbitterten Mäkler hat Titelverteidiger Volker Bouffier den Angreifern von SPD, Grünen und Linkspartei zugedacht. Als Miesmacher sollen sie da stehen, die den Erfolg des wirtschafts- und finanzstarken Hessens kleinreden.

Jan Hörmann ist Vorsitzender der hessischen Schüler-Union und Sohn von Kulturministerin Eva Kühne-Hörmann. Der 17-Jährige kennt die Wahlkampfstrategie aus dem FF: Schwarz-Gelb als alternativlos herausarbeiten, als Garanten für hessischen Wohlstand samt hohem Durchschnittseinkommen.

"Also, ich denke, es ist eine Richtungsentscheidung, die wir hier gerade haben, es geht darum, rot-grüne Bevormundungspolitik gegen Schwarz-Gelb, das ist freiheitliches Denken. Es geht darum, den Mittelstand hier zu fördern, oder eben kaputt zu steuern. Das sind, denke ich, große Richtungsentscheidungen, und solange Volker Bouffier das hier in Hessen gewinnt, wird es auch dem Wirtschaftsstandort weiterhin gut gehen."

Dass das gute Investitionsklima vor allem aufs Konto der FDP geht, muss Florian Rentsch als Ressortchef für Wirtschaft im Wahlkampf deutlich machen – überlebenswichtig könnte das werden. Also schart der jüngste von drei liberalen Ministern Hessens wichtigste Konzernbosse pressewirksam um sich und kommentiert den demonstrativen Schulterschluss so:

"Wir haben ein Interesse daran, dass wir über den Kern von circa 20 Prozent Industrie in Hessen hinauskommen. Die Krise haben wir deshalb so gut bewerkstelligt, weil wir eben einen starken industriellen Anteil hatten. Und insofern: Industrie hat für uns im Rahmen der Wertschöpfung die zentrale Bedeutung. Wir erleben an vielen Stellen, dass die Akzeptanz von Industrie schwindet, aber auch der Rahmen für Industrie, da gehört Infrastruktur beispielsweise dazu, kritisch diskutiert wird."

Und deshalb betont der Minister, wie wichtig beides für die Prosperität des Landes ist. Starkes Hessen, gut regiertes Hessen – das ist Rentschs, aber auch Bouffiers Gleichung. Als Beweis führt der Ministerpräsident auf der Wahlkampf-Bühne an:

"Die Stimmung ist prima, das Land brummt, die Menschen leben gern hier. Und jetzt muss man mal so sagen: Wenn 96 Prozent - und die Umfrage stammt ja nicht von uns -, nein, wenn 96 Prozent sagen, wir leben gern hier, dann ist das ein Beleg für unsere Arbeit."

Im Wahlspot der CDU klingt die überbordende Zustimmung ein wenig eintönig:

"Ja, ja, na klar, ja, ja super, ei sischer, jo, ja, ja!"

Dazu im Bild: ein Obsthändler mit Migrationshintergrund, ein Rentnerpaar ohne Migrationshintergrund, eine Stewardess, ein Automechaniker, ein Pilot, ein Rollstuhlfahrer, ein Börsianer, ein Winzer, eine Äppelwoi-Wirtin und zum Schluss, etwas wortreicher, eine Wurstverkäuferin:

"Hier gefällt’s mir, hier geht’s mir gut."

Der Spitzenkandidat der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, stellt in Wiesbaden ein Wahlplakat für die Landtagswahl in Hessen vor.
Thorsten Schäfer-Gümbel kandidierte schon 2009© AP
Viele rote Karten für die "Ausbauparteien"
Strahlemänner und -frauen im schwarz-gelb regierten Hessen, so weit das Auge schaut. Realität oder Wunschtraum?

Demonstranten: "Bouffier muss weg, der Lärm muss weg, Rentsch muss weg!"

Dafür, dass Hessen angeblich zu 96 Prozent von Ja-Sagern bevölkert wird, ist der Megaphon- und Trillerpfeifen Pegel im Land hoch. Dafür, dass angeblich fast alle rundum zufrieden mit Schwarz-Gelb sind, werden der Regierung doch eine Menge roter Karten entgegengehalten. Zuletzt vor anderthalb Wochen. "Keine Stimme für die Ausbauparteien" stand da auf vielen Roten Karten. Soll heißen:

"Na, einfach kein Kreuz machen bei den Parteien, von denen man weiß, dass sie nicht genug gegen den Fluglärm machen."

Seit Eröffnung der dritten Landebahn vor zwei Jahren protestieren jeden Montag Hunderte von Menschen am Frankfurter Flughafen gegen den Lärm. Kurz vor der Wahl bauen sich noch mal ein paar Tausend vor der Staatskanzlei in Wiesbaden auf. Darunter auch betuchte Villenbesitzer aus feinen Frankfurter Vierteln und gutsituierte Rentner aus den Kleinstädten am Main, klassisch schwarz-gelbes Wählerpotential also. Bouffier und Rentsch haben zwar besseren Schallschutz und leisere Anflugverfahren versprochen. Doch das zieht nicht bei den Fluglärm-Betroffenen. Sie fordern, das Nachtflugverbot zu verlängern, die Flugbewegungen zu reduzieren und die neue Landebahn stillzulegen. Thomas Scheffler vom Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm kündigt an:

"Jeder, der nach der Wahl an die Regierung kommt, erbt unseren Protest und muss lernen, damit umzugehen, und muss eine Lösung für die Region finden."

Die Linkspartei und die Grünen stehen den Bürgerinitiativen inhaltlich nahe. Allerdings wollen die Grünen nicht versprechen, dass sie die neue Piste tatsächlich dichtmachen können. Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir war im Kabinett Ypsilanti als Umweltminister vorgesehen, kam aber nicht zum Zuge. Jetzt will er mit Rot-Grün Wirtschafts- und Verkehrsminister werden und visiert ehrgeizige 15 Prozent für seine Partei an. Maximale Distanz vom Bundestrend ist seine Devise. Und seine Marschrichtung für den Flughafen:

"Das Terminal 3, was ja geplant ist, würde bedeuten, dass man noch mal auf die jetzigen 460.000, 480.000 Flugbewegungen im Jahr über 200.000 draufpackt und das würde die Region auf keinen Fall mehr aushalten. Und deswegen als ersten Punkt: Wir müssen den weiteren Ausbau stoppen, dann müssen wir über die Frage reden, was wir für Entlastungen der AnwohnerInnen hinbekommen können."

Doch der Flughafenbetreiber will am bereits genehmigten dritten Terminal als integrativem Bestandteil des Ausbaus festhalten. Und Wirtschaftsminister Rentsch von der FDP betont süffisant:

"Dann ist die öffentliche Hand aufgerufen, das rechtlich einwandfrei abzuarbeiten, und nicht rechtsmissbräuchlich, wie ich teilweise höre, was man da machen will. Ich glaube, dass der Frankfurter Flughafen weiterhin der Jobmotor auch für Hessen sein wird. Ohne den Frankfurter Flughafen könnte das Land Hessen die Klage gegen den Länderfinanzausgleich zurückziehen, weil wir von einem Geber- zu einem Nehmerland würden. Also, ich glaube, eigentlich haben alle Interesse an einem starken Flughafen Frankfurt."

Starker Flughafen, starkes Rhein-Main-Gebiet, starkes Hessen. Jobs, Jobs, Jobs. Wirtschaftskompetenz verorten die Wähler mehrheitlich bei Schwarz-Gelb. Ist der Wahlsieg von CDU und FDP damit schon sicher? Thorsten Schäfer-Gümbel besucht in diesen Tage gestresste Fließbandarbeiterinnen und aufstrebende Kleinunternehmer. Der SPD-Spitzenkandidat stammt aus bescheidenen Verhältnissen und will soziale Gerechtigkeit als Markenkern seiner Partei wiederbeleben:

"Der wirtschaftliche Erfolg dieses Landes ist erstens ausgelöst durch die harte Arbeit von ArbeitnehmerInnen und Unternehmen, aber sie ist zweitens dadurch geprägt, dass die Sozialdemokraten unter Georg August Zinn, Albert Osswald, Holger Börner und Hans Eichel die Grundstrukturen in diesem Land gelegt haben, damit man überhaupt wirtschaftlich und sozial erfolgreich arbeiten kann. Und an diese Tradition knüpft auch die hessische SPD an. Das heißt, wir wollen die Infrastruktur weiterentwickeln, damit Wirtschaft und Arbeit sich entwickeln können, aber so, dass am Ende auch diejenigen, die hart arbeiten, davon leben können. Das ist der Unterschied zur Union, die nach wie vor auf die Ausweitung des Niedriglohn-Sektors, auf prekäre Beschäftigung setzt. Das wollen wir ausdrücklich nicht."

Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir wird bei einer Rede im hessischen Landtag in Wiesbaden (Hessen) vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) beobachtet.
Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir, links Volker Bouffier© picture alliance / dpa / Arne Dedert/dpa
Debatte um Nachtfluglärm am Frankfurter Flughafen hält an
Nächtlicher Verkehr am Frankfurter Airport© dpa / Boris Roessler
Bürgerbewegung gegen das Turboabitur
Die SPD setzt auf die Unterbezahlten, aber auch auf den Mittelstand, der sich im boomenden Rhein-Main-Gebiet die Mieten nicht mehr leisten kann. Die Regierenden sehen nur Zufriedenheit um sich herum. Die Angreifer erkennen soziale und politische Brandherde überall. Die KiföG-Proteste ruhen derzeit nur. Leise, aber beharrlich sammelt indes die Volksinitiative Pro G9 weiter Unterschriften. 100.000 braucht das Bündnis von Elternverbänden und Landesschülervertretung, um einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen. Der soll die Gymnasialzeitverkürzung G8 komplett rückgängig machen. Mit im Bündnis auch Sozialdemokraten und Linke. Eine "Bürgerbewegung" gegen das stressige Turboabitur, freut sich Janine Wissler, junge redegewandte Spitzenkandidatin der Linkspartei:

"Ja, das ist ne breite Initiative, die erste Volksinitiative in der Geschichte Hessens, für die flächendeckende Rückkehr zu G9. Die Gewerkschaften sind mit an Bord. Und wir hoffen, dass die Initiative erfolgreich ist. Denn das ist doch das Entscheidende, das Eltern, LehrerInnen und Schüler selber aktiv werden und sich für ihre Interessen auch einsetzen und vor allem Druck machen auf Politik, damit sich was ändert."

Kaum eine Protestbewegung, in der die Linke nicht mitmischt. In den Umfrageergebnissen findet das allerdings kaum Widerhall. Bei vier, fünf Prozent sehen die Institute die Partei, haben sie allerdings schon mehrfach unterschätzt. Sollte die Linkspartei wieder in den Landtag einziehen, könnte sie Rot-Grün und Schwarz-Gelb die Mehrheiten vermasseln. Christdemokraten und Liberale glauben, dass Rot-Grün auf die Linkspartei als Mehrheitsbeschaffer setzt. Die Grünen lassen sich da tatsächlich alles offen. Ypsilanti-Nachfolger Schäfer-Gümbel schließt zwar "formal" nichts auch, sieht aber keine politische Basis für eine Zusammenarbeit mit der Linken. Und da ihm das gegnerische Lager nicht glaubt, setzt er hinzu:

"Die Union würde mir wahrscheinlich nur glauben, wenn ich sage, ich will Rot-Grün-Rot, aber ich will’s nicht."

Vielleicht aber macht er’s am Ende widerwillig, bislang jedenfalls warten die Wähler vergeblich auf klare Auskunft. Fest steht jedenfalls: Seitdem Andrea Ypsilanti das Versprechen brach, nicht mit der Linken zu paktieren, ist das das heikelste Thema im hessischen Landtagswahlkampf. Ein echter Dauerbrenner für Schwarz-Gelb. Dafür liegen die Sozialdemokraten bei der Bildungskompetenz vorn. Sollten sie, gleich wie, ans Ruder kommen, würde der SPD-Spitzenkandidat jedenfalls den Zitat "G8-Murks" schon in den ersten hundert Regierungstagen abschaffen. Das jedenfalls verspricht er in einer südhessischen Markthalle seinen Anhängern:

"Wir wollen diesen flächendeckenden Schulversuch, der eine ganze Schülergeneration zu Versuchskaninchen einer ideologischen Schulpolitik gemacht hat, beenden, damit Kinder Zeit und Raum haben, sich zu entwickeln." (Beifall)

Mit der Linkspartei ginge das anstandslos, mit dem Wunschkoalitionär aber gäbe es Zoff: Die Grünen wollen nämlich keiner Schule mehr etwas aufzwingen. "Schulfrieden" ist ihre Parole fürs wichtigste Thema im Landtagswahlkampf. Tarek Al-Wazir:

"Das ist das Wesen von Schulfrieden, dass man 40 Jahre nach Alfred Dregger und Ludwig von Friedeburg auch in Hessen merkt, dieser Systemkampf hat die Bildung nicht weitergebracht."

Die Initiative Pro G9 will jedenfalls die Bundestags- und Hessenwahl am kommenden Sonntag nutzen, um eigene Stände aufzubauen, so Mitinitiator Roland Strasser:

"Laut Aussage des Landeswahlleiters dürfen wir bis auf 20 Meter an die Wahllokale heran, dürfen keine Hindernisse, keine Hürden aufbauen und werden den Tag dann auch nutzen, um Unterschriften zu sammeln. Wie ich gehört habe, wird es auch eine Demonstration am Tag zuvor geben, dass dann noch mal Aufmerksamkeit erregt wird. Man kann von Politikern auch was lernen."

Kämpfen bis zum letzten Tag nämlich. Denn das starke Hessen war immer auch ein knappes Hessen.
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