Starlink in Ukraine und Iran

Wo sich geschäftliche und geopolitische Ziele überlagern

07:19 Minuten
Starlink-Internet-Terminal - installiert in Odessa.
Ein Starlink-Internet-Terminal installiert in Odessa: Starlink in der Ukraine zu aktivieren, war – keine Frage – eine politische Entscheidung. © picture alliance / abaca / Lyashonok Nina / Ukrinform
Von Hagen Terschüren · 03.11.2022
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Die Firma SpaceX ermöglicht der Ukraine derzeit einen Internetzugang über Satelliten. Angekündigt hat Chef Elon Musk das auch für den Iran. Doch wenn private Unternehmen geopolitische Macht gewinnen, welche Konsequenzen folgen daraus?
Starlink in der Ukraine zu aktivieren, war – keine Frage – eine politische Entscheidung. Nur dass es keine Regierung war, die hier einen Schalter umgelegt und einen neuen Internetzugang ins Land gebracht hat, sondern ein Privatunternehmer. Den Zugang kann jetzt nicht nur ein Teil der Bevölkerung nutzen, auch dem ukrainischen Militär dient das Satelliteninternet – unter anderem zur Lagebeurteilung in Gefechtszonen.

Günstig und schwerer angreifbar

Elon Musks Starlink ist dabei nicht die einzige Firma, die auf diesen Markt drängt. Auch das Londoner Unternehmen Oneweb und Internetgigant Amazon stehen mit eigenen Angeboten für Satelliteninternet in den Startlöchern. Die Erfahrung aufseiten der Nutzer und Nutzerinnen ist dabei von klassischem DSL oder Mobilfunk kaum zu unterscheiden und daher eine gute Alternative.
„Ja, also es ist zumindest eine, die funktioniert und die hinreichend günstig ist. Und das insbesondere in umkämpften Gebieten, wo physische Glasfaser-Infrastruktur unter Beschuss gerät und zerstört werden kann“, sagt Matthias Schulze, Cybersecurity-Forscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Satelliten im All außer Betrieb zu setzen ist viel schwieriger, als Glasfaserkabel unter Wasser oder im Boden zu zertrennen oder Mobilfunkmasten zu sabotieren. Zwar gibt es durchaus technische Möglichkeiten für eine solche Sabotage, aber die Hürden liegen sehr viel höher.
Zum Beispiel müssten extrem starke Sender installiert werden, die das Funksignal stören. Oder man müsste einen großen Teil der derzeit etwa 3000 Starlink-Satelliten zugleich aus dem All schießen.
Die Nutzung für Anwender ist dabei relativ simpel: In Deutschland kostet ein Starlink-Zugang 80 Euro im Monat. Dafür bekommt man eine Satellitenschüssel, die sich mit den Satelliten im erdnahen Orbit verbindet und über die Endgeräte Zugang zum Internet bekommen.

"Überregionale“ private Internet-Provider

Unternehmen wie Starlink werden damit sozusagen „überregionale“ Internet-Provider – und das ist derzeit nicht nur im Krieg gegen die Ukraine relevant, sondern auch mit Blick auf den Iran. „Ich aktiviere Starlink“, twitterte Musk Ende September – und bot damit die Möglichkeit, die Sperrung des Internetzugangs zu umgehen, die die iranische Regierung im Zuge der Proteste in vielen Landesteilen verhängt hatte. Denn: in diesem Fall unterliegt der Starlink-Internetzugang der US-Regulierung und nicht der des Regimes im Iran, erklärt Andreas Knopp, Professor an der Bundeswehr-Universität München.
„Der Betreiber sitzt ja bekanntlich nicht im Iran, sondern in den USA. Und der Betreiber kann ihnen dann schon den Zugriff auf das Internet ermöglichen, auch unabhängig von dem, was jetzt in dem Land sonst geregelt ist.“

Anbieter sind lokalen Gesetzen unterworfen

Doch die Sache hat einen Haken: Zwar entscheidet Starlink – auf der technischen Ebene – ob der Dienst in einem Land genutzt werden kann oder nicht. Soll aber alles legal ablaufen, braucht das Unternehmen eine Betriebsgenehmigung, eine Geschäftszulassung für das betreffende Land, benötigte Frequenzen beispielsweise müssen durch die Behörden freigegeben werden.
„Dieser Satz, ‘die machen das halt einfach’, den hört man immer wieder. Und technisch ist das natürlich möglich. Man würde dann natürlich lokal, in dem Fall dann im Iran, gegen Vorschriften verstoßen. Aber ich glaube, das wäre in so einem Einsatz ja auch genau der Zweck von dem System“, sagt Andreas Knopp.
Noch hat die US-Regierung den Einsatz von Starlink im Iran nicht offiziell sanktioniert. Doch Berichte deuten darauf hin, dass es Gespräche mit Elon Musk gab. Der wiederum deutete an, dass er den Zugang zu Starlink im Iran auch ohne Erlaubnis des Regimes aktivieren würde.

Im Zweifel pro Zensur

Das jedoch wäre ein Ausnahmefall. Denn in Ländern, in denen Starlink offiziell und mit staatlicher Lizenz operiert, hält sich das Unternehmen auch an die lokalen Gesetze – inklusive möglicher Zensurvorgaben.
„Das Problem ist halt, wenn wir große Unternehmen haben, dann können die natürlich auch von staatlichen Stellen gezwungen werden, irgendeine Policy zu implementieren, sei es eine Überwachungsschnittstelle bereitzustellen, Daten auszuleiten oder sonstige Blocking-Geschichten vorzunehmen. Also das Risiko ist damit nicht ausgeräumt, nur weil ein Unternehmen sozusagen an der staatlich bereitgestellten Infrastruktur vorbei navigiert“, erklärt Matthias Schulze von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Geschäftsinteresse vs. politische Ziele

Starlink im Iran – so analysierte erst kürzlich auch die „New York Times“ – das zeige, was passiert, wenn sich Geschäftsinteressen und geopolitische Ziele überlagern: Ein Unternehmen entscheidet, ob es – aus politischen Gründen – gegen lokale, zum Beispiel Zensurvorschriften verstoßen will. Oder ob es sich bestimmten Vorschriften – aus finanziellem Interesse – unterordnet. Ein nie ganz sicheres Geschäft – für Kunden und staatliche Akteure gleichermaßen.
Denn: Das Interesse, sich mit möglichst vielen Regierungen gutzustellen, ist für die Unternehmen groß. In einer Studie konnten Andreas Kopp und sein Team zeigen, dass es finanziell so gut wie unmöglich ist, Satelliten-Internet wirtschaftlich zu betreiben. Das heißt, die Technologie – für deren Betrieb man auf die Unterstützung der Politik angewiesen ist – ist letztlich immer auch ein Mittel um andere Unternehmensziele voranzutreiben.
„Ein schönes Beispiel ist eigentlich immer auch Amazon. Da gibt es natürlich viele Ansätze, wie Amazon Geld verdient. Und jetzt müssen Sie sich vorstellen: Wenn Sie mit der Konstellation einfach mehr Kunden gewinnen können, die dann eben dieses Produkt nutzen, dann kann das Ziel auch schon erreicht sein, auch wenn die Konstellation selbst vielleicht für sich genommen nicht wirtschaftlich wäre.“

Politik und Firmen voneinander abhängig

Gleichzeitig sind aber auch die Regierungen – um ihre Ziele zu erreichen – auf die Kooperation mit den Unternehmen angewiesen. Und damit abhängig von den Launen von Milliardären wie Elon Musk oder Jeff Bezos. Unter anderem, weil deren Unternehmen sich schon so viel – nur begrenzt zur Verfügung stehendes – Funkspektrum für ihre Satelliten gesichert haben, dass eine staatlich geförderte Konkurrenz es sehr schwer hätte, sagt Andreas Knopp von Bundeswehr Universität München.
„Selbst, wenn sie sich heute entscheiden würden: ‚Na gut, dann machen wir es eben doch‘, werden sie Probleme bekommen – einfach in der Priorisierung einen guten Platz für Frequenzen einzunehmen. Da hat man in gewisser Weise schon den Anschluss auch ein bisschen verpasst.“

Angriff auf Satelliten ein Angriff auf die USA?

Während im Fall eines solchen, staatlich betriebenen und dann zum Beispiel militärisch genutzten Satelliten aber klar wäre, dass ein Angriff darauf ein Angriff auf eine offizielle militärische Infrastruktur wäre – werden die Regeln im Fall privat betriebener Strukturen wie Starlink gerade erst geschrieben.
Bei einem Arbeitstreffen von UN-Diplomaten im September in Genf warnte die russische Delegation etwa, dass auch privat betriebene Satelliten – sollten sie wie derzeit im Fall der Ukraine für militärische Zwecke genutzt werden – legitime Ziele für Vergeltungsmaßnahmen darstellen würden. Wenn das US-Verteidigungsministerium Elon Musks Forderung also nachgekommen wäre und Starlink finanziert hätte – ist ein Angriff auf die Satelliten dann ein Angriff auf die USA?

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