Ein Stück mit viel Theorie und wenig Neuem
Auch diesmal ist es kritisch und auch diesmal ist es volksnah: Der Autor Oliver Bukowski hat mit "Verzicht auf zusätzliche Beleuchtung" eine Boulevard-Komödie geschaffen. Es mache Spaß zuzuschauen und es sei phasenweise sehr lustig, urteilt die Kritikerin Christiane Enkeler.
Das neue Stück von Oliver Bukowski ist eine Zumutung. Nicht, weil es grundsätzlich schlecht geschrieben wäre. Sondern, weil es so gar nicht weiß, wohin es will. "Verzicht auf zusätzliche Beleuchtung" wurde jetzt bei den Ruhrfestspielen uraufgeführt. Es ist auch nicht besonders erhellend.
Während draußen in der (tatsächlichen) Welt ein Konflikt neben dem anderen schwelt, dreht sich innen im Stücktext alles um Rieke, die sich mit Job-Hopping mehr schlecht als recht über Wasser hält, überall ihre Ansprüche einbringt und ihre Wut. Ähnliches hält sie aber ihrer Mutter vor, während das Verhältnis zu ihrer eigenen Tochter genauso zerrüttet ist. Dann gibt es noch die beste Freundin Jana, von der man eine Weile denkt, sie sei Riekes Therapeutin. Und dann noch deren Freund. Dass Rieke hier selbst Zuschreibungen wie "ungevögelt" und "untergefickt" auf ihre Mutter, Tochter und sich bezieht, nervt - aber: geschenkt. Die Figuren sind sowieso nicht psychologisch angelegt. Rieke besteht nur noch aus Therapie- und Achtsamkeitsdiskurs, ihre Tochter konfrontiert die Großmutter mit dem Inhalt eines Buches über vererbte Nachkriegstraumata.
Neben den Befindlichkeiten geht es im Text um viel Theorie:
Rieke ist nie "echt", sie "spielt Arbeiten". Sie verwirklicht Metaphern wie "um Scherben herumlecken", und als sie sich mal auf einem öffentlichen Platz nicht mehr vom Fleck rühren kann, vermutet sie einen "physischen Mutismus", eine Sprachhemmung, übersetzt in körperliche Bewegung. Rieke entwickelt sich textlich zurück, das aber unter Hochkultur-Gelaber: Die Bewegungshemmung sei "nein, keine Metapher". Und die Freundin fragt extra noch mal nach "Und das ist jetzt nicht wieder nur so performativer Scheiß?"
Die Figuren in diesem Stück sollen Verweise sein
Die Welt ist eine Bühne, das Leben ist Kunst, die Tochter der fotografierenden Rieke heißt Leika, mit einem "K" wie die Hündin, die ins Weltall flog, aber das sieht man bei gesprochenem Text bekanntlich nicht, also denkt man wohl eher an die Kamera, zumal ständig von Fotografieren die Rede ist.
Am Ende hat Rieke schon Personalausweis und Geburtsurkunde verbrannt, aber das ist nur konsequent, sie war schließlich schon vorher keine Figur mit Blut, Fleisch, Fehlern und Knochen. Sondern eher ein Zeichencharakter. Die Figuren in diesem Stück sind tot. Sie sollen Verweise sein, aber da ist nichts zum Verweisen außerhalb des Textes. Das ist alles sehr erschreckend und das kann man natürlich auch konsequent finden. Allein: Erkenntnis bringt es nicht.
Regisseur Stephan Rottkamp macht aus Bukowskis Figurenensemble eine Textfläche und verteilt alles neu. Außerdem streicht er das Verhandeln von Performance, Transzendenz und physischem Mutismus. Damit nimmt er der Inszenierung die Theorie-Ebene des Textes. Aber der Inszenierung tut das gut. Jetzt toben sich auf der Bühne fünf Darsteller aus, die offenbar Lust haben am Zusammenspiel und daher nicht nur den aufgedrehten Text, sondern auch viele Zwischentöne in Gestik und Mimik auf die Bühne bringen. Das ist einerseits choreografiert und führt zu Spiegelungen und Brechungen, wenn ein Dialog auf zwei Paare verteilt ist zum Beispiel. Andererseits bleibt die Struktur offen genug für beziehungsreiche Improvisation, die dann in die Choreografie übernommen wurde. Zumindest sieht es sehr danach aus.
Es gibt ein Leben nach dem Text, das ist gut zu wissen. Und hier macht es einfach Spaß zuzuschauen. Es ist sogar phasenweise sehr lustig!