Tüfteln in der Türkei

Start-up-Boom am Bosporus

21:34 Minuten
Ein junger Mann sitzt in Istanbul im Freien vor seinem Laptop.
Ein junger Mann am Laptop in Istanbul: Die meisten türkischen Start-ups konzentrieren sich hier, ein paar Dutzend gibt es auch in Ankara und Izmir. © Unsplash / Mert Kahveci
Von Nicole Graaf |
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Die Türkei hat eine junge dynamische Start-up-Szene. Sie zieht auch internationale Investoren an, die auf gute Gewinne hoffen, wenn am Ende innovative Unternehmen mit weltweitem Erfolg entstehen. Ist das ein Rezept gegen die Wirtschaftskrise im Land?
Im sogenannten Cube Incubator riecht alles nach Zukunft. Der futuristische quaderförmige Gebäudekomplex mit Dachgarten steht in einem Technologiepark unweit des Istanbuler Sabiha Gökçen Flughafens und beherbergt ein Paradies für Start-up-Unternehmen, die bei der Existenzgründung unterstützt werden.
Ein langgestreckter bunt möblierter heller Büroraum mit Sitzecken und Schreibtischen
Finanzielle Unterstützung und Know-how für junge Start-ups: der Co-Working Bereich des Cube Incubators in Istanbul© Deutschlandradio / Nicole Graaf
Denn hier können junge Gründerinnen und Gründer Schreibtisch, Büroraum, Labor und Expertise nutzen, um ihre Produkte zu entwickeln.

Künstliche Intelligenz und Software

Manager Gürol Üzenç und sein Kollege Ozan Evren führen durch die weiträumigen Etagen des Cube.
„Das sind Produkte unserer Start-ups. Das hier sind Deep-Tech Produkte. Dafür ist viel Forschung und Entwicklung notwendig. Und sie erfordern auch viel Kapital für die Entwicklung.“ „Hauptsächlich haben wir hier greifbare Produkte, aber auch digitale sind dabei, zum Beispiel im Bereich künstliche Intelligenz und Software.“
Im Ausstellungsbereich neben dem Foyer liegen auf weißen Regalen Produkte, die hier das Licht der Welt erblickt haben: wie zum Beispiel eine intelligente Kameradrohne oder auch eine Arbeitsmaschine, die das Potenzial zum Baggern hat.
Drei Männer an ihren Laptops in einem Großraumbüro.
Entwickeln Software für Roboter und Kameras – die Gründer von Pi Robotics Mustafa Sarı (M.) und Mehmet Ekin (r.).© Deutschlandradio / Nicole Graaf
Einerseits steckt die türkische Wirtschaft in einer akuten Krise. Doch gleichzeitig entwickelt sich der noch recht junge Start-up-Sektor rasant.

Branche als Hoffnungsträger

Die Branche gilt als Hoffnungsträger. Anders als die traditionellen Firmen, die viel Zeit in die Entwicklung eines Produkts stecken, agieren Start-ups schnell und dynamisch, unterstützt zusätzlich von der türkischen Regierung mit speziellen Förderprogrammen.
So wie auch hier im Osten der türkischen Metropole. Gürol Üzenç erzählt: "Hier ist unsere Cafeteria. Unsere Start-ups müssen keinerlei Gebühr für unsere Services bezahlen.“
„Wir ermutigen sie hier zu arbeiten und das alles zu nutzen, um ihre Produkte effizient zu entwickeln“, sagt Ozan Evren. Rund 800 Firmengründerinnen und -gründer bewerben sich inzwischen pro Jahr für das Programm dieses Incubators. Vor vier Jahren waren es erst 100, rund 80 pro Jahr werden angenommen.

Er braucht nur seinen Laptop

Einen der begehrten Plätze hat die Firma Pi Robotics ergattert. Mustafa Sarı, etwa Anfang 40, mit schulterlangen grau melierten Haaren, Ringelpulli und Jeans hat die Firma gemeinsam mit zwei Partnern gegründet.
Sie entwickeln Software für Roboter, Kameras und andere Geräte, die in voll automatisierten Fabriken die Produktion übernehmen. Sarı leitet das Unternehmen die Firma von einem großen Schreibtisch im ersten Stock aus. Dort steht sein Laptop. Mehr braucht er nicht.
„Am Anfang geht man natürlich erst mal ins Risiko. Wir hatten nicht so viel Geld, als wir unsere Firma gegründet haben. Ein Internetanschluss und Kaffee oder Tee, das macht vielleicht 100 Euro im Monat aus“, erzählt er.
„Man könnte fragen: Wenn ihr ein Problem habt mit 100 Euro, wie wollt ihr dann zu einem großen Unternehmen werden? Aber am Anfang sind das alles Kosten. Wir waren zwar sehr erfahrene Ingenieure, aber keine Unternehmer. Aber hier mussten wir kein Risiko eingehen, denn wir mussten nicht einmal einen Euro investieren, um anzufangen.“

"Es fühlt sich an wie ein Universitätscampus"

Sarı und seine Partner sind inzwischen gut im Geschäft. Sie arbeiten unter anderem mit einer Firma in den Niederlanden zusammen, die in einer voll automatisierten Fabrik Kühler für Autos herstellt.
Auf verschiedenen hölzernen oder weißen Regalen liegen Ausstellungsgegenstände. Von oben schwebt ein aufgehängtes weißes Flugzeugmodell heran.
Von der intelligenten Kameradrohne bis zur baggernden Arbeitsmaschine - Ausstellungsfläche des Cube Incubators mit Modellen von Produkten, die hier entwickelt wurden.© Deutschlandradio / Nicole Graaf
Pi Robotics hat auch eine Halle, etwa fünf Kilometer entfernt von hier angemietet, wo sie die Software an Robotern testen. Aber Sarı arbeitet trotzdem am liebsten im Incubator.
„Ich mag die Atmosphäre hier. Es fühlt sich an wie ein Universitätscampus. Mein Partner Mehmet arbeitet in der Werkshalle, aber ich bin meistens zu Hause oder hier“, erzählt er.
„Ich mag es, mit den anderen Unternehmern einen Kaffee oder Tee zu trinken und mich auszutauschen. Wir besprechen bestimmte Probleme und dann sieht man, dass man damit nicht allein ist.“

Start-ups in Istanbul, Ankara und Izmir

Die allermeisten türkischen Start-ups konzentrieren sich in Istanbul. Ein paar Dutzend gibt es auch in Ankara und Izmir. Einige der frühen türkischen Start-ups waren extrem erfolgreich. Darunter der Lebensmittellieferant Getir, dessen Elektroroller in allen größeren Städten der Türkei Lebensmittel binnen weniger Minuten nach Hause liefern.
Ein junger Mann mit lila Jacke, Mundschutz und lila Motorrad streckt in einer Staße den rechten Daumen nach oben.
Eines der erfolgreichsten türkischen Start-ups: ein Fahrer des Lieferdienstes Getir in Istanbul .© Christian Buttkereit, ARD-Studio Istanbul
Das 2015 gegründete Unternehmen sammelte Startkapital sogar im Silicon Valley ein. Es gehört heute zu den mit ihrem Gesamtwert am höchsten bezifferten Unternehmen in der Türkei und hat inzwischen auch in andere europäische Länder expandiert. Ebenso die Modeplattform Trendyol, die ähnlich wie der börsennotierte deutsche Online-Versandhändler Zalando arbeitet.
Serkan Ünsal ist ständig damit beschäftigt, solche Entwicklungen im Auge zu behalten.

Start-ups-Watch analysiert die Marktlage

Seine Firma Start-ups-Watch, selbst als Start-up gegründet, sammelt und analysiert Daten zu Neugründungen in der Türkei. Dabei geht es um Investitionen, Verkäufe und alles, was mögliche Investoren interessiert. Meist arbeitet er im Homeoffice.
Jetzt sitzt der ruhige ernsthafte 43-Jährige mit raspelkurzen, grau melierten Haaren vor einem bauchigen Glas mit türkischem Tee in einem Shoppingcenter im Norden Istanbuls.
„Viele Investoren suchen nach Zahlen und Informationen über Start-ups, in die schon andere investiert haben. Denn das heißt, da könnte es sich auch für sie lohnen. Die Start-ups gewöhnen sich langsam daran, solche Daten zu veröffentlichen“, erklärt er.
„Das funktioniert jetzt viel besser als noch vor drei oder vier Jahren. Da waren sie noch vor allem mit ihren Produkten beschäftigt und haben sich nicht die Zeit für so etwas genommen. Damals hätte es drei Monate gedauert, eine Marktanalyse zu erstellen, zum Beispiel für den Gesundheitssektor. Mithilfe von Start-ups-Watch schafft man das heute in einem Monat.“
Ein kahlköpfiger Mann in Jacket und Jeans lehnt in einem Gang an einer Holzfassade, die Hände in den Taschen.
Start-up analysiert Start-ups – Serkan Ünsal hat mit seiner Plattform die Start-up-Szene im Blick.© privat
Ünsal beobachtet die türkische Start-up-Szene schon sehr lange. Die ersten Gründer hätten es schwer gehabt, sagt er.

Bewusstseinswandel in den letzten Jahren

Aber einige dieser Unternehmen waren extrem erfolgreich, und das sogar ziemlich schnell. Deshalb habe es in den letzten Jahren einen Bewusstseinswandel gegeben.
„Bis vor etwa 20 Jahren hatte Unternehmergeist keinen Wert in unserer Gesellschaft. Man dachte, wer sich Firmengründer nennt, der ist in Wahrheit arbeitslos“, sagt er. „Viele Eltern – auch meine Eltern – dachten, ihre Kinder sollten eine Stelle bei einer großen Firma finden. Aber jetzt denken viele, vielleicht sollte ich selbst ein Start-up gründen.“
Auch taten sich die ersten Gründerinnen und Gründer in der Türkei seit der Jahrtausendwende schwer, Geldgeber für ihre Ideen zu finden. Die ganz frühen Start-ups finanzierten sich über persönliche Beziehungen.
„Vor 2010 gab es keine Investoren in der Türkei. Man gründete mit kleineren Summen und fand seine Finanzierung über die Familie oder staatliche Stipendien. Ab 2010 etablierten sich dann Risikokapitalgeber und Unternehmensengel“, erklärt er.

Junge Firmen bekommen Unterstützung

Unternehmensengel sind Investoren, die meist selbst erfolgreiche Unternehmer sind und junge Firmen nicht nur mit Geld, sondern auch mit ihrem Wissen und ihren Kontakten unterstützen.
Geld für Start-ups kommt auch von Risikokapitalgesellschaften, die für ihr Wagnis Anteile des Unternehmens erhalten und ihnen im Gegenzug Know-how und Netzwerke zur Verfügung stellen.
Dass sich diese Art der Finanzierung in der Türkei nur langsam etabliert hat, lag auch daran, dass niemand einen Überblick über den Markt und die Zahlen hatte. Genau das brachte Ünsal auf seine eigene Geschäftsidee.
„Das war vor sechs Jahren. Am Anfang sagten alle, du bist ja verrückt, so groß ist die Branche doch gar nicht und über so viele Daten gibt es gar nichts zu berichten“, erzählt er.
„Aber heute muss ich mehr Leute einstellen, weil wir die ganzen Transaktionen, die an einem Tag passieren, sonst nicht mehr erfassen können.“

Türkische Start-up-Branche wächst extrem

Die besonders erfolgreichen Firmen haben viele Nachahmer gefunden. Also andere Spieleentwickler, Lieferservices oder beispielsweise Plattformen für den Online-Handel. So ist die türkische Start-up-Branche in den letzten zehn Jahren extrem gewachsen, erklärt Serkan Ünsal.
„Wir sind der größte Start-up-Sektor in der Region Südosteuropa, Naher Osten und Nordafrika, mal abgesehen von Israel und den Emiraten. Die sind noch größer. Verglichen mit Ländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Spanien, sind wir natürlich sehr viel kleiner“, sagt er.
„In diesen Ländern erhält oft ein einziges Unternehmen ein Investment von 150 Millionen Euro oder Dollar. Bis 2020 war das das Gesamtvolumen an Investitionen in Start-ups in der Türkei. Aber 2021 hat sich das geändert. Getir allein hat eine Milliarde US-Dollar eingesammelt, Dream Games 200 Millionen.“

Vom Einhorn zum Decacorn

Der Lieferservice Getir und der Spieleentwickler Dream Games sind zu sogenannten Einhörnern aufgestiegen. Damit bezeichnet man im Jargon der Szene Privatfirmen, die mindestens eine Milliarde Dollar wert sind.
Die Modeplattform Trendyol ist inzwischen sogar ein Decacorn, das heißt, sie ist über zehn Milliarden Dollar wert. Davon gibt es insgesamt nur etwa 50 Unternehmen weltweit.
Ein junger Mann - ganz in Schwarz gekleidet - sitzt vor einer schwarzen Wand und einem schwarzen Laptop.
„Bei den Steuern gibt es für Start-ups einige Vergünstigungen“: Oğuz Silahtar, Gründer der Firma Tarentum, in seinem Büro im Technologiepark der Technischen Universität Istanbul.© Deutschlandradio / Nicole Graaf
Die Einhörner bieten auch Chancen für andere Start-ups, die ihnen zuarbeiten. So hat Oğuz Silahtar mit seiner Firma Tarentum begonnen. Der sportliche Mittdreißiger holt sich noch schnell einen Kaffee und einen Snack vom Starbucks nebenan, dann betritt er das große gläserne Gebäude, in dem sich die Büroräume seiner Firma befinden.
Es ist Teil eines Technologieparks auf dem Gelände der Technischen Universität von Istanbul im Norden der Stadt. Das Konzept ist ähnlich wie beim Cube Incubator. Aber Oğuz hat sein eigenes Büro.
„So das ist also unser Büro, sehr farbenfroh, wir haben hier einen offenen Raum zum Arbeiten und wir haben einen schönen Blick auf den Bosporus und die Brücke. Da haben wir Glück. Das ist hier eine spezielle Zone für Start-ups und Technologiefirmen. Das hilft uns dabei, mit der Universität zusammenzuarbeiten“, erzählt er.
„Wir haben einige Unipraktikanten. Wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben, können sie bei uns anfangen. Insgesamt 25 Leute arbeiten bei uns, aber wegen Corona ist es ihnen momentan selbst überlassen, ob sie ins Büro kommen. Hier gibt es noch eine Küche und einen Raum zum Entspannen.“ 

Vom Silicon Valley zurück in die Türkei

Der Jungunternehmer öffnet die Tür zu einem kleinen Raum mit Sofa und einer Dartscheibe. Er hat am renommierten Massachusetts Insitute of Technology in den USA studiert und zehn Jahre lang im Silicon Valley gearbeitet, bevor es ihn zurück in seine Heimat zog.
Mit Freunden hat Oğuz 2017 dann dieses Start-up gegründet, das sich mit Datenanalysen und Vorhersagen beschäftigt und dafür künstliche Intelligenz nutzt. Dabei geht es zum Beispiel darum vorherzusagen, wie viel ein Kunde in einer Spiele-App ausgeben wird oder wann ein Windrad repariert werden muss.
Sie starteten mit einem Projekt für den Lebensmittellieferservice Getir – noch vor dessen enormem Erfolg. „Dabei ging es darum, den voraussichtlichen Bedarf an Lebensmitteln vorherzusagen“, erklärt er.
„Zum Beispiel hier im Viertel Maslak: Wie viele Kundinnen und Kunden werden hier am Mittwochmorgen zwischen zehn und zwölf Uhr etwas bestellen? Unser Algorithmus berechnet den Warenbedarf anhand von Daten zu Bestellungen aus der Vergangenheit und anhand von anderen Faktoren, wie zum Beispiel dem Wetter.“

Staat fördert Forschung und Entwicklung

Heute konzentriert sich seine Firma Tarentum vor allem auf die Gaming-Industrie und die erneuerbaren Energien. Dafür hat sie ihre zwei Hauptprodukte gerade als separate Firmen ausgelagert.
Die staatlichen Förderprogramme der türkischen Regierung konzentrieren sich auf Firmen wie diese, bei denen es um neue Technologien geht und bei denen viel Forschung und Entwicklung notwendig ist. Jene, die sich für solch eine Förderung qualifizieren, erhalten viele Vorteile.
„Bei den Steuern gibt es für Start-ups einige Vergünstigungen. Hier in Teknokent sitzen wir in einer speziellen Wirtschaftszone. Deshalb zahlen wir eine sehr reduzierte Einkommenssteuer“, erklärt er.
„Auch was Forschung und Entwicklung angeht, gibt es viele Anreize. Wir haben da einige Stipendien bekommen. Und auch für Marketing gibt es Förderung, wenn man ins Ausland expandieren will. Das haben wir bisher noch nicht genutzt, aber in diesem Jahr wollen wir das angehen.“

Profiteure der Pandemie

Die erfolgreiche Start-up-Branche in der Türkei hat zum Teil sogar auch noch von der Pandemie profitiert. Wie zum Beispiel der Logistikdienstleister Yolda.com. Die Firma bietet eine digitale Plattform an, über die kleinere und mittlere Unternehmen ihre Warentransporte planen und beauftragen können. Yolda ging kurz nach dem weltweiten Ausbruch von Corona im Frühjahr 2020 an den Start.
„Das war reiner Zufall. Wir begannen im November, Dezember 2019 und als dann die Pandemie kam, wollten die Investoren erst einmal abwarten. Wir sind trotzdem bereits im April live gegangen, denn wir wollten beweisen, dass unsere Geschäftsidee gerade in der Pandemie gut funktioniert“, sagt Altay Alpagut.
An einem regnerischen Freitagabend sitzt der Marketingmanager noch spät im Büro. Altay, Anfang dreißig, Businesshemd, hat erst vor vier Monaten hier angefangen. Davor hat er lange in klassischen Großunternehmen gearbeitet, zuletzt beim türkischen Ableger der Consulting- und Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG.

Ganze Branchen neu denken

Der Mann mit dem jungenhaften Lächeln mag die Atmosphäre und flachen Hierarchien bei den Start-ups, denn die traditionellen türkischen Firmen sind sehr hierarchisch organisiert. Und es gefällt ihm, dass Start-ups ganze Branchen neu denken wollen. So ist das auch bei Yolda.
Die kleinen und mittleren Firmen, auf die Yolda abzielt, organisierten bis dato ihre Warentransporte meist über drei, vier feste Logistikpartner und mussten lange im Voraus planen, um Ladeflächen zu buchen. Aber wenn kleine Mengen sehr schnell geliefert werden müssen, sei dieses System zu unflexibel, erklärt Altay.
„Es gibt einen Mangel an Lieferkapazitäten, gerade nach Covid. Es gibt zu wenige Lastwagen. Gleichzeitig bleiben in Europa 30 Prozent der Ladeflächen leer. Das sind die Zahlen von 2020. In der Türkei sind es sogar 40 Prozent“, sagt er.
„Weil sie mit ihren bisherigen Logistikpartnern Probleme hatten, waren unsere potenziellen Kunden nun eher bereit, sich auf einen digitalen Service einzulassen. Die Pandemie hat für uns die Entwicklung beschleunigt und zu einer Verhaltensänderung bei den Kunden geführt.“
Über die Yolda-Plattform können die Unternehmen genau sehen, welcher Transporteur auf ihrer Strecke freie Kapazitäten hat und diese buchen, auch wenn sie keinen ganzen Anhänger füllen können. Und Lastwagenfahrer, die noch Platz frei haben, können über eine App von unterwegs aus weitere Ladungen aufnehmen, praktisch wie eine Mitfahrgelegenheit für Waren.

Wirtschaftskrise als Chance für Start-ups

Dass die türkische Start-up-Szene auch der klassischen Wirtschaft helfen könnte, wieder auf die Beine zu kommen, das hält Serkan Ünsal von Start-Ups-Watch jedoch für unwahrscheinlich.
„In der Türkei arbeiten immer noch mehr Menschen für die traditionellen Sektoren und außerdem liegt es in der DNA von Start-ups, mit nur wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszukommen. Nehmen wir den Spieleentwickler Dream Games zum Beispiel“, erklärt er.
„Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber es arbeiten sicherlich nicht mehr als 100 Leute dort. Dabei ist Dream Games ein Einhorn. Das heißt, mehr als eine Milliarde Dollar wert. Demgegenüber gibt es rund 5000 klassische Firmen in der Türkei, deren Wert geringer als 100 Millionen Dollar ist. Aber dort arbeiten eben sehr, sehr viele Menschen.“
Andersherum wird eher ein Schuh daraus, glaubt Serkan. Die gegenwärtige Krise könne für viele Start-ups eine Chance darstellen. Denn sie könne ihnen einen zusätzlichen Push geben, ins Ausland zu expandieren oder ausländische Investoren zu gewinnen. 
„Noch vor fünf Jahren haben viele Start-up-Unternehmer zuerst auf den türkischen Markt abgezielt und sich eine Expansion ins Ausland für später vorbehalten. Aber jetzt denken viele, wir sollten uns vom ersten Tag an global aufstellen, oder wir gehen unter“, sagt er.
„Sie kalkulieren so, dass sie ihre Umsätze in US-Dollar generieren, ihre Kosten aber in Lira bezahlen. So können sie wachsen. Für digitale Start-ups ist es einfacher als für klassische Firmen, sich global aufzustellen. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren mehr und mehr global agierende Unternehmen sehen.“

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